Süddeutsche Zeitung

Energieversorgung:Stadtwerke prüfen Pläne für mehrere Heizwerke in der Innenstadt

  • Teilweise in bester Lage könnten in den kommenden Jahren in der Münchner Innenstadt zwischen fünf und sieben neue Heizwerke entstehen.
  • Die Stadtrats-Grünen reagierten empört auf diese Pläne und mutmaßen, die Stadtwerke wollten die erzwungene Abschaltung des Kohleblocks unterlaufen.
  • Parallel zur Standortsuche führen die Stadtwerke Gespräche mit der Gemeinde Unterföhring über den Bau einer neuen Gas- und Dampfturbinenanlage.

Von Dominik Hutter

In der Münchner Innenstadt, teilweise in bester Lage, könnten in den kommenden Jahren zwischen fünf und sieben neue Heizwerke entstehen. Die Stadtwerke untersuchen derzeit in Absprache mit den Bezirksausschüssen elf Standorte auf ihre Tauglichkeit. Mit den gasbetriebenen Anlagen soll die Fernwärmeleistung des Kohlekraftwerks im Münchner Norden kompensiert werden, das nach einem Bürgerentscheid zum Jahresende 2022 stillgelegt werden soll. Allein mit Geothermie, sagt der zuständige Stadtwerke-Geschäftsführer Helge-Uve Braun, sei der Wärmebedarf der Münchner zumindest in den ersten Jahren nach der Abschaltung nicht zu decken.

Die Stadtrats-Grünen reagierten empört auf diese Pläne und mutmaßen, die Stadtwerke wollten die von den Münchnern erzwungene Abschaltung des Kohleblocks unterlaufen. Denn mit dezentralen Heizwerken, die schon vor dem Bürgerentscheid als logische Konsequenz eines raschen Kohleausstiegs angekündigt waren, könne der Wegfall der Stromerzeugung im Heizkraftwerk Nord nicht aufgefangen werden - das könnte wiederum ein Veto der Bundesnetzagentur provozieren. Die Behörde muss prüfen, ob das Abschalten des Kohleblocks zu Blackouts führen könnte; ein verbindliches Nein zur Stilllegung gilt keineswegs als unwahrscheinlich. Die Grünen wollen daher den Kohleblock durch ein großes gasbetriebenes Heizkraftwerk an gleicher Stelle ersetzen. Damit könne nicht nur der Wärme-, sondern auch der Strombedarf gedeckt werden. Ohne eine solche Anlage müsste Strom von außen zugekauft werden.

Die Stadtwerke fahren derzeit jedoch mehrgleisig, wie Braun am Mittwoch im Stadtrat beteuerte. Parallel zur Standortsuche für mögliche Heizwerke in der Stadt liefen Gespräche mit der Gemeinde Unterföhring über den Bau einer neuen großen Gas- und Dampfturbinenanlage. Allerdings ist laut Braun nicht garantiert, dass die Bundesnetzagentur deshalb automatisch die Stilllegung des Kohleblocks akzeptiert - bislang habe die Behörde sehr zurückhaltend reagiert. Theoretisch sei also denkbar, dass der Kohleblock am Netz oder zumindest in Reservebereitschaft verbleiben müsse, auch wenn ein neues Gaskraftwerk entsteht. Im Jahr 2022 geht auch das Atomkraftwerk Isar 2 vom Netz, das den Stadtwerken zu einem Viertel gehört. Sie hatten bereits vor dem Bürgerentscheid Zweifel am raschen Bau einer Gasanlage geäußert. Ein solches Kraftwerk benötige lange Vorlaufzeiten zur Planung und Genehmigung, zudem sei es höchst unwirtschaftlich.

Bei den dezentralen Heizwerken sind in den kommenden Wochen heftige Debatten zu erwarten. Denn was die Stadtwerke da mitten in die Wohnviertel setzen wollen, sind keineswegs containergroße Baustellenheizungen. 300 bis 400 Quadratmeter Grundfläche benötige eine solche Anlage, berichtete Energie-Experte Braun. Um den Kessel zur Gasverbrennung werde ein mehrgeschossiges Gebäude benötigt samt rund 60 Meter hohem Kamin. Ein richtiges kleines Kraftwerk eben, nur dass darin kein Strom, sondern lediglich Wärme erzeugt wird.

Bei der Standortsuche stehe die Geometrie des bestehenden Fernwärmenetzes im Vordergrund und die Frage, welche Flächen dieser Größenordnung überhaupt zur Verfügung stehen, sagte Braun. Das kommunale Unternehmen bemühe sich, eventuelle Beeinträchtigungen für die Münchner zu minimieren. Zu den denkbaren Standorten gehören der Nußbaumpark am Sendlinger Tor, das stillgelegte Kraftwerk an der Theresienstraße, die Katharina-von-Bora-Straße nahe des Königsplatzes und das Klinikgelände an der Thalkirchner Straße.

Alternativen zu neuen Gasanlagen sehen die Stadtwerke derzeit nicht. Zwar regte ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff an, den Ausbau der umweltfreundlichen Geothermie zu beschleunigen und notfalls eben Fernwärme im Umland zuzukaufen. Wie Braun sagt, wird aber bereits alles unternommen, was möglich ist. Demnächst begännen Geothermiebohrungen am Heizkraftwerk Süd in Sendling, zwei zusätzliche Anlagen sind bereits fest eingeplant. Und mit der Gemeinde Pullach liefen Gespräche über Wärmelieferungen. Braun warnte aber vor zu hohen Erwartungen. Pro Bohrloch sei mit etwa 30 Megawatt Wärme zu rechnen. München benötige aber je nach Außentemperatur zwischen 350 und 1800 Megawatt. Es dauere noch einige Zeit, bis die Fernwärme-Grundlast mit Geothermie abgedeckt werden könne.

Es gibt aber noch ein weiteres Szenario, auf das die Stadtwerke vorbereitet sein müssen: Dass die Bundesnetzagentur ein Veto einlegt und damit Kohleblock weiter betrieben wird. Für diesen Fall soll geprüft werden, ob die Anlage zumindest im Sommer mit gedrosselter Kraft laufen kann. Um weniger Kohlendioxid zu erzeugen.

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SZ vom 22.02.2018/huy
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