Süddeutsche Zeitung

Energiegewinnung:So öko ist der Strom in München

Die Stadt ist bei der Energieversorgung in vielen Punkten Vorbild. Die Stadtwerke haben das ehrgeizige Ziel, bis zum Jahr 2025 so viel Ökostrom zu produzieren, wie ganz München benötigt.

Von Günther Knoll

Ehrgeizige Pläne für ihre Energieversorgung hatte die Stadt München schon Ende des 19. Jahrhunderts. 1882 war in New York das weltweit erste öffentliche Elektrizitätswerk in Betrieb gegangen, das Thomas A. Edison erbaut hatte. Bei der Beleuchtungskommission des Münchner Magistrats führte das offensichtlich zur Erleuchtung, denn die Ratsherren empfahlen 1884 den Bau von gleich drei Kraftwerken, die Stadt wäre damit Vorreiter in Deutschland gewesen.

Doch daraus wurde nichts, denn das Monopol für die Münchner Straßenbeleuchtung hatte der königliche Hof an die private Gasbeleuchtungsgesellschaft vergeben, diese Konzession lief erst 1899 aus. Und wie zum Hohn erhielt die damals noch selbständige kleine Nachbarstadt Schwabing 1889 ein eigenes Kraftwerk, bei der Eingemeindung mussten die Münchner dieses dann auch noch ablösen.

Das ist länger als ein Jahrhundert her, inzwischen ist München bei der Energieversorgung in vielen Punkten Vorbild. Das damit beauftragte kommunale Unternehmen, die Stadtwerke München (SWM), setzt auf erneuerbare Energien und hat das ehrgeizige Ziel, bis zum Jahr 2025 so viel Ökostrom in eigenen Anlagen zu produzieren, wie die ganze Stadt benötigt. Und das ist eine gewaltige Menge: Mehr als sieben Milliarden Kilowattstunden waren es im letzten Jahr, davon wurde etwa ein Drittel in den rund 850 000 Privathaushalten verbraucht. Diesen Bedarf und dazu noch den Anteil von U-Bahn und Tram können die SWM seit 2015 locker aus erneuerbaren Energien liefern, derzeit liegt die Erzeugungskapazität ihrer Anlagen in diesem Bereich bei rund 3,9 Milliarden Kilowattstunden.

Auch wenn die SWM in Sachen Ökostromerzeugung die Stadt und die Region als Standort priorisieren, ist das Potenzial dort begrenzt: In München und seinem Umgriff betreiben sie 24 Fotovoltaikanlagen, 13 Wasserkraftwerke, eine Biogasaufbereitung, fünf Geothermieanlagen, von denen drei auch Strom produzieren, und ein Windrad in Fröttmaning.

Weitere Produktionsstätten für regionalen Ökostrom sind in Planung - doch das reicht für eine Millionenstadt längst nicht aus. Die Stadt ist deshalb auch Betreiber von - beziehungsweise Anteilseigner an - mehreren Windparks im Meer und an Land sowie an einem Parabolrinnen-Kraftwerk in Südandalusien, das die Sonnenkraft nutzt. Allein mit den Anteilen an zwei Windparks vor der Insel Sylt können etwa eine halbe Million Münchner Haushalte mit regenerativem Strom versorgt werden. Außerdem besitzt die Stadt Anteile am Kernkraftwerk Isar 2, das allerdings bis 2022 vom Netz genommen werden soll.

Einen totalen Stromausfall soll es in München nicht geben

In der Stromversorgung möglichst autark zu sein, das ist das ehrgeizige Ziel der Stadtwerke. Einen "Schwarzfall", wie die Experten einen totalen Stromausfall durch Schäden in der Überlandversorgung nennen, soll es nicht geben in München. Innerhalb von viereinhalb Stunden könne man schon jetzt ein ganz eigenes Stromnetz aufbauen, heißt es bei den Stadtwerken. Dazu wird aber weiterhin auch konventionell erzeugte Energie benötigt. Im Heizkraftwerk (HKW) München Süd wird mittels Gasturbinen und im HKW Nord mit Müll beziehungsweise mit Steinkohle fleißig Strom produziert, wobei durch Kraft-Wärme-Kopplung auch das Fernwärmenetz der Stadt bedient wird. In Freimann steht ein weiteres HKW mit zwei Gasturbinen, das derzeit jedoch nur Fernwärme liefert.

Zehn Milliarden Kilowattstunden dürfen die Stadtwerke derzeit jährlich produzieren, das ist vorgeschrieben und dank der "Umbruchphase" wegen des Ausstiegs aus der Kernenergie mehr als der eigentliche Bedarf. 37 Prozent davon liefern die regenerativen Quellen, 28 Prozent die Atomkraft und 28 Prozent werden konventionell produziert, also mit Gas oder Kohle. Im Jahr 2006 ließen die SWM vom Ökoinstitut Freiburg untersuchen, ob sie die Stromversorgung Münchens nicht vollständig auf erneuerbare Energien vor Ort umstellen könnten. Das Ergebnis war laut Stadtwerken eindeutig negativ: Es geht nicht.

Dazu kommt, dass Strom als Wirtschaftsgut gehandelt wird an einer eigenen Börse. Da machen auch die Stadtwerke mit, produzieren je nach Preis mehr und speisen selbst ein oder kaufen günstig ein. Regelenergiemarkt nennt sich das, es geht auch um Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit beim Strompreis. Die 250 000 Ökostromkunden der SWM sind ohnehin bereit, für ihr Umweltbewusstsein mehr zu bezahlen.

Nicht mehr als 50 bis 70 Schäden pro Jahr

Ein Teil des Stroms gelangt per Überlandleitungen in die Landeshauptstadt. Die Energie aus großen Erzeugungsanlagen, ob regenerativ oder nicht, wird über ein 400-Kilovolt-Höchstspannungsnetz in die Stadt München übertragen zu einem der beiden Hauptumspannwerke in Menzing beziehungsweise Unterföhring. Von dort wird der Strom, zusammen mit dem selbst produzierten, in ein Hochspannungsnetz mit 110 Kilovolt über 40 Umspannwerke im Stadtgebiet verteilt. Etwa 5000 Trafo-Stationen stadtweit wandeln diese Mittelspannung von zehn Kilovolt um in das Niederspannungsnetz, das dann Münchens Verbraucher bedient. Dieses Netz ist zweigeteilt, um so die Versorgungssicherheit im Fall von Pannen zu gewährleisten.

Rund 12 000 Kilometer Leitungen sind dafür in der ganzen Stadt verlegt, die meisten davon unterirdisch. Dass es pro Jahr zu nicht mehr als 50 bis 70 Schäden durch Bauarbeiten kommt, darauf ist man bei den Stadtwerken durchaus stolz. Die Baufirmen würden entsprechend instruiert, heißt es. Außerdem betreibe man das Mittelspannungsnetz als "offenes Ringnetz". Das bedeutet, Schäden können kleinsträumig ausgeklammert werden, um Reparaturen auszuführen, damit München weiter leuchten kann.

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SZ vom 02.11.2017/eca
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