Ende einer Ära:Rot-grüne Biotope

Grüne Spitzenkandidaten für die Münchner Stadtratswahl 1984

Die Spitzenkandidaten der Grünen für die Stadtratswahl 1984 in München: Joachim Lorenz (3.v.l.) war schon damals mit dabei.

(Foto: Fritz Neuwirth)

Joachim Lorenz war von Anfang an mit dabei. Mit seinem Abschied verlässt der letzte Grüne die Referentenbank im Rathaus

Von Dominik Hutter

Es begann mit endlosen Debatten bis spät in die Nacht. Die Grünen, die 1984 noch als Bürgerschreck ins Münchner Rathaus einzogen, waren dafür berüchtigt, selbst Details bis in die letzte Verästelung auszudiskutieren. Ob für die Beflaggung des Rathauses zu viel Geld ausgegeben wird zum Beispiel. Wer sich mit solchen Lappalien verkünstelt, braucht sich nicht wundern, wenn die Fraktionssitzung zum städtischen Haushalt etwas länger ausfällt.

Joachim Lorenz war damals schon dabei. Er erlebte mit, wie die Gemeinsamkeiten mit der SPD zahlreicher wurden, bis schließlich eine rot-grüne Koalition gebildet wurde. 1990 war das, und drei Jahre später wurde er Umweltreferent, als erster Grüner. 24 Jahre sollte das Bündnis halten, das das politische Klima so sehr geprägt hat, dass es sich viele gar nicht mehr vorstellen konnten, München könne auch von einer anderen Konstellation regiert werden.

Nun verlässt mit Joachim Lorenz auch der letzte Grüne die Referentenbank, und es gibt nicht wenige im Rathaus, die das Gefühl haben, das rot-grüne Projekt gehe erst jetzt wirklich zu Ende. Mit dem Ausscheiden des Mannes, der als einziger von Anfang an mit dabei war. Es gibt viele politische Figuren, die das rot-grüne Bündnis symbolisieren: der frühere Fraktionschef Siegfried Benker beispielsweise, die früheren Bürgermeister Hep Monatzeder und Sabine Csampai und natürlich Christian Ude. Sie sitzen alle nicht mehr auf ihrem Posten. Lorenz dagegen hat noch ein paar Tage.

Seit ziemlich genau einem Jahr ist Rot-Grün nun Geschichte. Im Rathaus regiert inzwischen die CSU mit, und viele, die nach dem Koalitionsbruch den Untergang des liberalen Münchens und eines ganzen Lebensgefühls befürchteten, reiben sich verwundert die Augen: Noch immer ist das gesellschaftliche Klima liberal, die Sozialinitiativen erhalten weiterhin ihr Geld und die Fußgängerzone wurde nicht als Parkplatz ausgewiesen.

Und natürlich gibt es auch noch rot-grüne Biotope - den Partykeller von Christian Ude beispielsweise. Dort waren erst kürzlich wieder die grüne Landtags-Fraktionschefin Margarete Bause und Hep Monatzeder zu Gast, es wurde diskutiert und gefeiert. Ude genießt seit dem Ende des rot-grünen Projekts eine Art Kultstatus bei den Grünen, als Oberbürgermeister der Herzen. Der rot-grünen Herzen natürlich, und davon gab es ja 24 Jahre lang ziemlich viele in München. Auch in Teilen der Verwaltung schlagen sie noch: Wer so lange mitregieren darf, hat irgendwann überall seine Leute sitzen. In den Referaten wie auch bei den städtischen Unternehmen sitzen nach wie vor zahlreiche Mitarbeiter, die mit dem Grünen-Ticket gut gefahren sind. Es dauert, bis sich neue politische Mehrheiten auch in den nachgeordneten Abteilungen abbilden.

Ein "eigenes" Referat aber können die Grünen künftig nicht mehr vorweisen. Mit dem Ausscheiden von Joachim Lorenz endet eine Ära, die noch unter Georg Kronawitter eingeleitet wurde. 1993, als erstmals zwei Grüne ein Referentenamt erhalten sollten. Rot-Grün war damals in der Anfangsphase, noch im selben Jahr sollte Christian Ude ins Chefbüro des Rathauses einziehen. Seitdem konnte sich die grüne Stadtratsfraktion Rat beim Parteifreund im Umweltreferat holen, das für eine Öko-Partei ja ein Schlüsselressort ist.

Für die Rathaus-Grünen ist der Ruhestand von Lorenz besonders schmerzlich. Fraktion und Referat spielten sich auch nach Bildung des schwarz-roten Bündnisses gerne noch die Bälle zu. Lorenz war für die Hintergrundinformationen zuständig, und was bei der neuen Stadtspitze nicht durchsetzbar war, reichten die grünen Stadträte einfach per Antrag nach. Bei Themen wie dem Luftreinhalteplan, wo Lorenz sehr viel weiter gehen wollte als CSU und SPD, oder auch beim Kohlekraftwerk Nord, das nach der Expertise des Umweltreferats spätestens 2025 vom Netz gehen sollte, klappte dies hervorragend. Bewirkt hat das alles zwar nichts, die Grünen wurden überstimmt. Die Fraktion konnte sich aber auf fundierte Einschätzungen berufen und mit klarerem Profil auftreten. Das hilft, wenn man plötzlich mit der Oppositionsrolle klar kommen muss.

Ins Lorenz-Büro wird nun ein von der CSU ausgewählter Nachfolger einziehen. Die Partei hat das Vorschlagsrecht für diesen Posten. Aus der Perspektive der Christsozialen schließt sich damit ein Kreis: Denn Lorenz' Amtsvorgänger im Umweltreferat hieß Rüdiger Schweikl. Er war Mitglied der CSU.

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