Zwischen Welten:Die Zukunft im Blick

Lesezeit: 2 Min.

Emiliia Dieniezhna (Foto: Bernd Schifferdecker)

Unsere Kolumnistin besucht eine Konferenz in München, bei der sich junge Menschen gemeinsam mit erfahrenen Politikern Gedanken über die ukrainische Gesellschaft nach dem Krieg machen.

Von Emiliia Dieniezhna

Vorige Woche hatte ich die großartige Möglichkeit, an einer Young Security Conference (YSC) in München teilzunehmen, als Zuhörerin und als Simultandolmetscherin bei einem der Programmpunkte über die Ukraine. Die YSC ist eine Jahrestagung, die junge Intellektuelle mit Experten in der europäischen Außenpolitik und Sicherheitsfragen zusammenbringt. Ich finde es sehr gut, dass die Jugendlichen sich um wichtige Themen kümmern, sich schwierigen Fragen stellen und Antworten mit erfahrenen Experten suchen.

Die Themen waren vielfältig, von Atomwaffen über die NATO bis hin zur Ukraine nach dem Krieg. Das Ukraine-Panel hieß "Post-War Ukraine: What post-war society are Ukrainians fighting for?" Für welche Nachkriegs-Gesellschaft kämpfen die Ukrainer? Ein guter Freund hier in München ist einer der Organisatoren der Konferenz. Er hat mich vorgeschlagen, um den ukrainischen Parlamentarier Mustafa Dzhemilev ins Englische zu übersetzen. Das war für mich eine große Ehre. Dzhemilev ist eine der moralischen Leitfiguren des krimtatarischen Volkes und war als Menschenrechtler jahrelang Opfer politischer Verfolgung. Seit ich auf der Krim Fremdsprachen studierte, bin ich von ihm fasziniert.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

In einer Zeit, in der ChatGPT das bayerische Abitur bestehen kann, stellt sich die Frage, was genau junge Leute in Schule und Universität lernen sollen. Meiner Meinung nach sind das genau diese zeitlosen Werte, die Menschen wie Mustafa Dzhemilev und andere Menschenrechtler und Aktivisten verteidigen. Das schafft keine künstliche Intelligenz.

Es ist nicht einfach, über die Nachkriegs-Ukraine zu sprechen, wenn unsere Häuser, Krankenhäuser und Schulen ständig bombardiert werden, sagte Dzhemilev in seinem Willkommensgruß. Jeden Tag sterben Menschen, darunter auch kleine Kinder, wir brauchen zunächst also Lösungen zur Verteidigung. Damit bin ich einverstanden.

In den letzten drei Tagen wurde meine Heimatstadt Kiew regelmäßig bombardiert. Jeder Morgen ist für mich gleich. Ich lese in den Medien, wie viele Raketen oder Drohnen abgefeuert wurden, wie viele abgewehrt werden konnten, wie viele Menschen gestorben sind. Dann versuche ich, meinen Mann telefonisch zu erreichen, um sicherzugehen, dass er in Ordnung ist. Oft schläft er morgens aber, weil er wieder eine schwierige Nacht im Bunker verbracht hat.

Mustafa Dzhemilev, ukrainischer Politiker, Menschenrechtler und Vertreter der Krimtataren. (Foto: ADEM ALTAN/picture alliance / dpa)

Mustafa Dzhemilev bedankte sich für die Unterstützung aus Deutschland und den anderen Nationen, die an der Seite der Ukraine stehen. Dieses Mal sei die Hilfe viel größer als 2014, als Russland den Krieg mit der Annexion der Krim begonnen hat. Die Ukraine habe leider keine andere Wahl als weiterzukämpfen, Russland wolle die Ukraine zerstören, egal was Verhandlungspartner auch vorschlagen würden.

Zurück beim Thema der Nachkriegs-Ukraine und des Zusammenspiels mit Europa klingt Dzhemilev durchaus optimistisch. So ist er überzeugt, dass Russland zerfallen und die Ukraine Teil der EU und der NATO wird. Das sehe ich genauso: Die Ukraine kämpft für euroatlantische Werte und gehört zur europäischen Familie. Ich wünsche mir von Herzen, das in der praktischen Umsetzung zu sehen.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRüstungsindustrie
:In den Werkstätten des Krieges

Je länger sich die Ukraine gegen Russland wehrt, desto wichtiger wird die Wartung westlicher Panzer, Waffen und Lastwagen. Deutschland geht bei dieser Unterstützung voraus - und seine Unternehmen riskieren etwas dabei.

Von Georg Ismar und Georg Mascolo

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: