Zwischen Welten:Der Geschmack von Heimat

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Emiliia Dieniezhna (Foto: Bernd Schifferdecker)

Zum ukrainischen Osterfest gehört Salat mit viel Mayonnaise. Für die fünfjährige Tochter unserer Kolumnistin ist der Osterhase inzwischen aber auch fester Bestandteil. Warum sie damit etwas hadert.

Von Emiliia Dieniezhna

Je länger ich in München wohne, desto mehr färben alltägliche und kulturelle Traditionen von hier auf das Leben meiner Familie ab. Von der Breze zum Frühstück und dem Fahrrad als Lieblingsverkehrsmittel bis zur Gebirgswanderung übernehme ich immer mehr typische deutsche Gepflogenheiten. Das Osterfest ist keine Ausnahme.

Voriges Jahr war es noch eine große Überraschung für meine Tochter, als der Osterhase gekommen ist. In diesem Jahr hat sie bereits auf ihn gewartet und gewusst, dass er Schokoladeneier versteckt. Das war schließlich ein großes Thema im Kindergarten. Diese Osterfigur hat es in unserem früheren Leben in der Ukraine nicht gegeben.

Dieses Jahr hat Ostern für meine Tochter ziemlich lange gedauert, nämlich zwei Wochen. Sie hat nämlich beide Osterfeste gefeiert, das deutsche mit Osterhase, Eiersuche und Bastelworkshops. Und dann das ukrainische mit dem traditionellen Osterbrot (Paska). Weil sie noch ein Kind ist, hat sie das natürlich nicht hinterfragt. Sie glaubt bestimmt: Je länger es dauert, desto besser. Ich habe aber das Gefühl, dass sich die Kulturen in ihrem Weltbild ganz schön vermischen und ich mich bemühen sollte, die Kultur unserer Heimat in Ewas Leben wieder präsenter zu machen.

Unser Osterfest haben wir ganz einfach gefeiert. Meine Cousine hat das Osterbrot gebacken und in der Kirche geweiht. Wir haben Ostereier getickt und ukrainische Salate gegessen. Die Salate sind herrlich ungesund, mit viel Mayonnaise, man bereitet das natürlich nicht sehr oft zu. Aber sie waren sehr lecker und haben nach Heimat geschmeckt. Das Wichtigste ist, dass wir mit der Familie feiern konnten, obwohl natürlich nicht alle Familienmitglieder mit uns zusammen waren.

Als ich dann aber ein Stückchen Osterbrot mit Tee aß, konnte ich die Schuldgefühle, die mich überkamen, nicht einfach runterschlucken. So viele Menschen verteidigen in den Schützengräben mein Recht, Ostern zu feiern, und oft bezahlen sie dafür den höchsten Preis. Der Vater einer Kollegin ist um Ostern an der Front gestorben. Er war im zivilen Leben Historiker und Lehrer. Viele Ukrainer leben aber auch in Gegenden, die nach wie vor ständig bombardiert werden. Einige Zivilisten wurden auf dem Weg zur Ostermesse getötet. Es war ein schwarzes Ostern für viele, die ich kenne.

Obwohl immer mehr ukrainische Geflüchtete sich jetzt verstärkt in das deutsche Leben und die Kultur integrieren, ist es extrem wichtig, das Böse zu unterbinden. Sonst besteht das große Risiko, dass Millionen von Ukrainern für mehrere Jahre zwischen zwei Osterfesten steckenbleiben.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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