Zwischen Welten:Die ukrainische Stimme im Stadtrat

Zwischen Welten: Emiliia Dieniezhna

Emiliia Dieniezhna

(Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))

Seit dem russischen Angriffskrieg ist für unsere Kolumnistin die Bedeutung von politischen Vertretern gewachsen, die sich ernsthaft für die Interessen der Menschen einsetzen. Für geflüchtete Ukrainer leistet das zum Beispiel der Migrationsbeirat.

Von Emiliia Dieniezhna

Vor Kurzem hat die Wahl zum Migrationsbeirat in München stattgefunden, und das Ergebnis hat mich sehr froh gemacht. Meine Bekannte Olga Dub-Büssenschütt, gebürtige Ukrainerin, sicherte sich mit 5232 Stimmen das beste Ergebnis. Der Migrationsbeirat vertritt ehrenamtlich die politischen Interessen von Münchnerinnen und Münchnern ohne deutschen Pass und berät auch den Stadtrat. 402 044 Menschen durften wählen, das ist fast ein Viertel der Stadtgesellschaft. An die Urne gingen aber nur 12 508 Personen.

Für mich war es zuvor spannend, die Wahlkampagne der Allianz Münchner Migranten (AMM) zu beobachten, für die Olga als Spitzenkandidatin angetreten ist. Viele Ukrainer durften zum ersten Mal ihre Stimme bei einer solchen Wahl abgegeben, da brauchte es viel Zeit, um die Bedeutung des Migrationsbeirats zu erklären und warum es wichtig ist, wählen zu gehen. Es gab keine kommerzielle Wahlwerbung mit Plakaten, Radiospots oder Ähnlichem, sondern den direkten Austausch mit den Wählerinnen und Wählern. Darunter waren Reden bei Flashmobs, Gespräche in ukrainischen Kulturzentren und natürlich viel Überzeugungsarbeit in den Medien, auch den sozialen. Das alles kann nur funktionieren, wenn die Arbeit der Kandidatinnen und Kandidaten auch sichtbar ist. Genau das war der Fall.

Zwischen Welten: Olga Dub-Büssenschütt, wiedergewählte Migrationsbeirätin mit ukrainischen Wurzeln.

Olga Dub-Büssenschütt, wiedergewählte Migrationsbeirätin mit ukrainischen Wurzeln.

(Foto: privat)

Olga Dub-Büssenschütt etwa hat seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vielen meiner nach München geflüchteten Landsleute geholfen, als Vertreterin des Migrationsbeirats und als Privatperson. Auch ich habe davon profitiert. Ihre positiven Erfahrungen haben viele meiner Landsleute in den sozialen Medien geteilt und Olga als Kandidatin empfohlen, natürlich mit ihrem Team, in dem es auch zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter anderer Nationen gibt. Ich selbst habe mich auf meiner Facebook-Seite ebenfalls für sie ausgesprochen, obwohl ich so etwas vorher noch nie gemacht habe.

Der Krieg gegen mein Land hat mir aber klar gezeigt, wie wichtig es ist, wer auf den verschiedenen politischen Ebenen die Menschen vertritt - lokal genauso wie überregional. Ich denke da auch an den ukrainischen Präsidenten. Wolodymyr Selenskyj war mal Komiker, nun aber helfen ihm seine Werte und Überzeugungen, mein Land effektiv gegen Russland zu verteidigen. Wer hätte das früher für möglich gehalten? Auch in vielen ukrainischen Städten kann man Bürgermeister sehen, die ihre Bewohner nicht im Stich lassen und zu jeder Zeit deren Interessen vertreten. Für uns Ukrainer in München ist es wichtig, dass es auch hier solche Menschen gibt, die unsere Interessen vertreten.

Vom AMM-Team erwarten wir die Unterstützung bei der weiteren Integration der Geflüchteten. Ich persönlich erwarte darüber hinaus, dass die AMM natürlich auch die Interessen anderer Migranten in München wahrnimmt. Doch die größte Herausforderung, das glaubt zumindest Olga, wird wohl kommendes Jahr auf sie zukommen: Denn dann endet die Aufenthaltserlaubnis für Ukrainer, obwohl nicht viele daran glauben, dass der Krieg damit auch vorbei ist.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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