Jazz:In der Zeitmaschine

Marja Burchard

Bandleaderin Marja Burchard am Vibrafon in der Münchner Unterfahrt.

(Foto: Ralf Dombrowski/oh)

Die Münchner Band "Embryo" spielt über fünf Tage in der Unterfahrt bei den "Jazz Summer Weeks". Eine Gelegenheit, die lange Geschichte der Truppe musikalisch nachzuerzählen.

Von Ralf Dombrowski, München

Embryo verstehen heißt auch, durch die Zeit zu wandern. Als Christian Burchard die Band 1969 aus der Taufe hob, rutschten in Woodstock gerade die Hippies durch den Schlamm, und wenig später verpasste Miles Davis beim Isle Of Wight Festival Jimi Hendrix nur knapp. Es war eine Ära des Ausprobieren. Sounds und Stile aus aller Welt inspirierten einen fließenden, mit Elementen des Spirituellen kokettierenden Lebensstil, der der Härte des Kalten Kriegs die Toleranz im Alternativen entgegen hielt.

Embryo passte dazu. Die Band verstand sich als Kollektiv, als eine Plattform der musikalischen Optionen. Die Neugier Burchards sorgte dafür, dass Einflüsse von Marokko bis Afghanistan, Indien bis China, vor allem auch aus der arabischen Klangwelt in den Band-Kosmos einstreuten. Embryo entwickelte sich zum Basis-Lager des weltmusikalisch Experimentellen, im Laufe mehr als eines halben Jahrhunderts dockten rund 400 Musikerinnen und Musiker daran an, spielten Tourneen oder nächtelange Sessions, getragen von der Ausstrahlung eines Kollektivs, das bis heute für den Esprit eines verstetigten Aufbruchs aus dem Geiste fröhlicher Freakness steht.

Die Siebzigerjahre von Embryo entdeckte Marja Burchard erst später für sich

"Gerade am Anfang, als ich um 2016 die Band langsam von meinem Vater übernahm, habe ich immer wieder gehört, das sei ja nicht mehr Embryo", meint Marja Burchard. "Dabei bin ich, wie viele andere auch, in die Band hineingewachsen und versuche, genau diese Idee der Offenheit weiter zu tragen." Als Kind der Achtziger brachte sie eben andere Vorstellungen mit als die Generation der Väter. "Die Siebzigerjahre von Embryo habe ich erst später für mich entdeckt, als ich ein paar alte Platten gehört und mich gewundert habe, was für jazzige Musik die Band damals gemacht hat", erzählt sie weiter. "Und wer wissen will, was alles möglich ist, dem empfehle ich gerne 'La Blama Sparozzi', ein Album aus den Achtzigern, wo sogar elektronische und synthetische Sounds vorkommen." Das war damals ein Novum und gehört heute zum Inventar der Stiloptionen.

Marja Burchard hat das Kern-Team der Band verjüngt und mit dem Bassisten Maasl Maier und dem Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber zwei Partner gefunden, die von Ethno-Groove bis Techno-Jazz ein weites Spektrum mitbringen. Auf der anderen Seite aber ist es ihr wichtig, das vorhandene Repertoire produktiv in die Gegenwart zu integrieren. "Als klar war, dass wir fünf Tage in der Unterfahrt spielen, dachte ich: 'Wow! So viel Zeit!' Dann stellte ich fest, dass wir eigentlich noch viel mehr bräuchten, um alles auf die Bühne zu bringen." So konzentriert sich die Band von Dienstag an bis zum kommenden Samstag auf einige Aspekte und Gäste, die zur Grundbesetzung mit Burchard, Maier, Wolfgruber, dem Gitarristen Jan Weissenfeldt und dem Saxophonisten Sascha Lüer stoßen. Am Mittwoch stehen der chinesische Erhu-Spieler Xizhie Nie und der Oud-Bandveteran Roman Bunka mit auf der Bühne, am Donnerstag der Bläser und Bassist Jens Pollheide, am Freitag der Saxophonist Johannes Schleiermacher, der Samstag ist noch offen, wobei es Marja Burchard wichtig ist, auch befreundeten afghanischen Musikern ein Forum zu geben: "Es ist noch einiges offen. Repertoire jedenfalls haben wir genug, wir könnten unser eigenes 'Real Book' schreiben. Allein von Mal Waldron existieren bestimmt 50 Kompositionen." Dazu Musik aus aller Welt und über einem halben Jahrhundert. Eine Bank des unermüdlich Kreativen.

Embryo, Dienstag, 31. August, bis Samstag, 4. September, jeweils 20.30 Uhr, Jazzclub Unterfahrt, Einsteinstraße 42

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