Emanzipation:Wie sich Frauen ihren Platz im Cockpit erkämpften

Pilotin Melli Beese

Melli Beese musste sich lange mit Männern herumschlagen, die sich überlegen fühlten. Sie gilt als eine der ersten bekannten Fliegerinnen.

(Foto: Bundesarchiv)

Um Pilotinnen zu verhindern, sabotierten Männer schon mal Bremsen oder Ruder bei der Flugprüfung.

Von Udo Watter, Oberschleißheim

Die Ressentiments beschränkten sich nicht nur auf dumme Chauvi-Sprüche: Eine Frau, die die Lüfte beherrschen wollte - das war nach Ansicht der männlichen Konkurrenz zu Beginn des 20. Jahrhunderts offenbar so unerhört, dass manche ihr die Flügel stutzen wollten. Sogar auf drastische Weise.

Melli Beese, die Frau, die als erste in Deutschland 1911 den Privatpilotenschein machte, wurde auf ihrem Weg dahin mindestens zweimal Opfer von Sabotageakten. Einmal sei das Steuer manipuliert, ein andermal die Benzinleitung sabotiert worden, erklärt die Kulturwissenschaftlerin Maria Hermes-Wladarsch in ihrem Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung "Fliegen zwischen Traum und Wirklichkeit. Weibliche Piloten in der Geschichte der Luftfahrt" in der Luftwert Schleißheim.

Beese überstand diese Anschläge, erwarb die Lizenz und avancierte mit Dauer- und Höhenweltrekorden für Frauen zu einer schillernden Pionierin der Luftfahrt - die 1912 sogar eine eigene Flugschule gründete und 1913 ihren französischen Teilhaber Charles Boutard heiratete. Ein Happy End war dieser außergewöhnlichen Frau, die auch Bildhauerei studiert und Hochseesegeln gelernt hatte, aber nicht beschieden.

Der Erste Weltkrieg war für sie und ihr Unternehmen ein tiefer Bruch, auch danach fand die morphiumsüchtige Beese nicht wieder in die Spur, scheiterte beim Versuch, ihre Pilotenlizenz zu erneuern, und beging 1925 Selbstmord. Sie soll einen Zettel mit den Worten hinterlassen haben: "Fliegen ist notwendig. Leben nicht."

Ein Spruch, den die anderen in dieser Ausstellung vorgestellten Pionierinnen der motorisierten Luftfahrt insoweit wohl unterstreichen würden, als das Fliegen für sie ebenfalls eine geradezu essenzielle Leidenschaft bedeutete. Kuratiert von Hermes-Wladarsch konzentriert sich die Werkschau auf die Biografien prominenter "tollkühner Frauen in ihren fliegenden Kisten", wie Wolfgang M. Heckl, der Generaldirektor des Deutschen Museums, in Anlehnung an einen Film aus den Sechzigern sie nannte.

Käthe Paulus, Thea Rasche, Elly Beinhorn, Hanna Reitsch oder die junge Beate Uhse - sie alle hatten mit diversen gesellschaftlichen und kulturellen Widerständen oder auch politischen Widrigkeiten zu kämpfen. Frau am Steuer, Frau im Cockpit, gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - und diesem Zeitraum widmet sich vornehmlich die Ausstellung in Oberschleißheim - war dies alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Elly Beinhorn

Elly Beinhorn gilt ebenfalls als Pionierin der Luftfahrt.

(Foto: Bundesarchiv)

Hermes-Wladarsch berichtete in ihrem Vortrag, den sie in der Oberschleißheimer Dependance des Deutschen Museums vor einem illustren Publikum - inklusive 60 Schülerinnen und Schülern der Offiziersschule für Luftwaffe in Fürstenfeldbruck und etlicher Honoratioren aus Wissenschaft, Aviatik und Politik hielt - von Lebensabschnitten besagter Pilotinnen.

Zum einen stellte sie dar, wie oft diese so mutigen wie ehrgeizigen Frauen mit sich überlegen dünkender Männlichkeit umgehen mussten, welche Probleme für sie mitunter allein die Kleiderordnung oder Fragen der Schicklichkeit aufwarfen. Sie beschrieb den technischen Quantensprung, den die Fliegerei durch den Ersten Weltkrieg machte, ihr Geist wurde kriegerischer, sie wurde noch stärker als Männerdomäne wahrgenommen. Interessant war auch, dass viele der Luftfahrt-Heroinen neben der Pilotinnen-Arbeitskleidung oft in eleganter, betont damenhafter Garderobe posierten - das war Teil der Inszenierung und Quasi-Exotik.

"Fliegen zwischen Traum und Wirklichkeit" bedeutete für Beese, Beinhorn, Reitsch oder auch Marga von Etzdorf immer auch, sich anzupassen, den Gegebenheiten der Realität nachzugeben. Die Gesellschaft verändern wollten sie eher nicht, wie Hermes-Wladarsch betonte: "Sie haben sich häufig nicht als Vorreiterinnen für eine neue Rolle der Frau empfunden." Was nicht ausschloss, dass sie sich schon mal lustig machten über ihre männlichen Pendants und das Geschlechterrollen-Spiel innerlich überlegen mitspielten. "Sie haben sich an die herrschenden Diskurse angepasst", erklärte Hermes-Wladarsch.

"Eher wird eine Frau Weltmeister im Schwergewicht"

Lufthansa Photo; Evi Hetzmannseder (li.) und Nicole Lisy, die ersten von der Lufthansa ausgebildeten Pilotinnen.

Evi Hetzmannseder (li.) und Nicola Lisy schrieben bei der Lufthansa Geschichte.

(Foto: Lufthansa)

Das war besonders heikel natürlich in Deutschland zwischen 1933 und 1945. Elly Beinhorn, die 1932 im Alleinflug die Welt umrundet hatte und mit dem Rennfahrer Bernd Rosemeyer verheiratet war, galt als populäre Repräsentantin des Regimes und war als Pilotin durchaus eine Heldin des Zeitgeistes. Hanna Reitsch erprobte Kampfflugzeuge für die Nazis, stand Hitler reichlich unkritisch gegenüber und sprach nach dem Krieg von "my beloved bomber" in einem Interview. "Da war sie sehr unreflektiert", urteilt Hermes-Wladarsch.

Auch Beate Uhse übernahm damals als Pilotin militärische Aufgaben, hat dann aber bald nach dem Krieg bekanntlich ein Erotik-Unternehmen gegründet - wofür in gewisser Weise auch emanzipatorischer Mut erforderlich war. Frauen, die Piloten werden wollten, hatten in der Nachkriegszeit ebenfalls noch länger mit Vorurteilen zu kämpfen: zu klein, zu technikfern, zu unbeholfen. Alfred Vermaaten, langjähriger Leiter der Lufthansa Verkehrsfliegerschule, soll in den Sechzigern gesagt haben: "Eher wird eine Frau Boxweltmeister im Schwergewicht als Kapitän bei der Deutschen Lufthansa."

Nun, es dauerte bis 1988, mit Evi Hetzmannseder und Nicola Lisy die ersten Frauen Pilotinnen bei dem Unternehmen mit dem Kranich wurden. Heute sind Pilotinnen schon längst keine Besonderheit mehr, die Lufthansa hat sich sogar das Wort "Kapitänin" von der Gesellschaft für deutsche Sprache absegnen lassen.

2015 waren dennoch nur sechs Prozent der Piloten bei der deutschen Paradefluglinie weiblich. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen sind also gegeben, aber das Ungleichgewicht ist immer noch auffällig. "Ich hoffe, dass es etwas vollkommen Selbstverständliches wird", resümierte Hermes-Wladarsch.

Die von ihr kuratierte Werkschau ist in einem Nebenraum der großen Ausstellungshalle zu sehen. Sie ist relativ klein, aber komprimiert und informativ, mit Schautafeln, historischen Dokumenten, alten Fotos und Zeitschriften, Filmmaterial, aber auch einer Schaufenster-Puppe mit Pilotinnen-Outfit und leicht sexistischem Werbetext oder einem Buch, das eine Barbie als Pilotin auf dem Cover hat.

Unter den Gästen war Isolde Wördehoff, die langjährige Präsidentin des Luftsportverbandes Bayern, die selbst seit 1959 fliegt. Sie kannte einige der großen Pilotinnen wie Hanna Reitsch und besonders Elly Beinhorn, mit der sie eine Freundschaft verband. "Sie hatte einen spröden Charme, aber mir ist es gelungen, sie zur Freundin zu gewinnen", erinnert sie sich. An dumme Macho-Sprüche während ihrer eigenen Flieger-Karriere kann sie sich dagegen nicht erinnern. "Das war bei mir nie ein Problem."

Die Sonderausstellung "Fliegen zwischen Traum und Wirklichkeit: Weibliche Piloten in der Geschichte der Luftfahrt" in der Flugwerft Schleißheim, Effnerstraße 18, Oberschleißheim, dauert bis 21. Mai.

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