Residenztheater„Soll ich jetzt sitzen und auf den Tod warten? Nö!“

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Elke Heidenreich (links) und Marianne Koch sprechen im Residenztheater über das „Abenteuer Altern“.
Elke Heidenreich (links) und Marianne Koch sprechen im Residenztheater über das „Abenteuer Altern“. (Foto: Florian Peljak)

Die beiden Bestsellerautorinnen und Bühnenmenschen EIke Heidenreich, 81, und Marianne Koch, 93, reden im Residenztheater über das Altern. Frech, amüsant und unterhaltsam – aber manch unangenehme Wahrheit wird lieber ausgespart.

Von Ekaterina Kel

Grüner Tee, Joghurt und viel Obst. Marianne Koch erzählt von ihrem Frühstück. Leberwurstbrot und Kaffee, erwidert Elke Heidenreich. Der Saal tobt. Die Szene ist im Grunde eine komprimierte Variante dieses Dienstagabends im Residenztheater. Die beiden Frauen, Koch 93 und Heidenreich 81 Jahre alt, sitzen auf der Bühne, um über das „Abenteuer Altern“ zu sprechen.

Marianne Koch war Schauspielerin und arbeitete danach als Ärztin in ihrer eigenen Praxis in München. Elke Heidenreich war Kabarettistin und Moderatorin, arbeitet weiterhin als Literaturkritikerin. Beide sind Bühnenmenschen durch und durch – und Bestsellerautorinnen. Ihr mehrheitlich weibliches Publikum, fast ausnahmslos in der zweiten Hälfte seines Lebens, ist an diesem Abend aktiv dabei. Mal raunt es durch den vollen Saal, mal gibt es Zustimmung, mal Zwischenrufe. Moderiert wird das Gespräch von SZ-Wissensredakteur und Autor Werner Bartens.

Besonders unterhaltsam: die Diskrepanz der Temperamente. Während Heidenreich die Rampensau gibt und einen guten Spruch nach dem anderen raushaut, fungiert Koch als Stimme der Vernunft, die wohlgemeinte Ratschläge in einem sanften Ton rezitiert.

Nachdem beide sich zum Beispiel gegenseitig von ihrem Frühstück erzählt haben, kann Heidenreich nicht anders, als noch einen draufzusetzen. „Ich esse, seit ich 14 bin, jeden Tag eine Tafel Schokolade.“ Weiterhin rauche sie gern, trinke gern Wein, esse auch fettiges Essen und ja, das alles mit einer eigentlich kaputten Lunge.

Mit 23 Jahren wurde ihr die Hälfte ihrer Lunge entnommen, erzählt sie, damals habe sie bereits ein Testament verfasst. Der Arzt schätzte, sie habe noch fünf Jahre zu leben. Vor 20 Jahren erkrankte Heidenreich dann an Krebs – und hat auch dem getrotzt. Jetzt, mit 81 Jahren, sitzt sie auf dem schwarzen Ledersofa des Residenztheaters und sagt: „Es wird einem nichts geschenkt. Das Leben ist ein Kampf.“ Aber auch: „Jetzt bin ich richtig rundum zufrieden.“

Das Publikum ist gut gelaunt - und vor allem weiblich.
Das Publikum ist gut gelaunt - und vor allem weiblich. (Foto: Florian Peljak)

Heidenreich ist bei all diesen Aussagen so lebendig, so trotzig, so flapsig, man kann nicht anders, als ihr gerne zuzuhören. Und trotzdem bekommt man mithin das Gefühl, dass da jemand sitzt, der nicht nachvollziehen kann, wieso jemand nicht kämpft, nicht kämpfen kann.

Dass Einsamkeit ein großes Problem im Alter ist, weiß Heidenreich wohl. Trotzdem sagt sie, das sei ein „selbstgemachtes Problem“, man müsse sich halt früh genug um einen Freundeskreis kümmern. Sie weiß sicherlich auch, dass viele Frauen Diskriminierung oder auch Gewalt aufgrund ihres Geschlechts erlebt haben, in der Familie, auf der Arbeit, auf dem Volksfest, trotzdem sagt sie, sie hätte den Männern halt „eine reingehauen“, damit ist für sie das Thema abgefrühstückt. Sie weiß, das räumt sie auch ein, dass viele Alte arm sind, Frauen im Alter trifft es besonders hart. Und trotzdem sagt sie, man müsse bloß frühzeitig „planen“, also finanziell vorsorgen, sie habe es ja auch gekonnt. Heidenreich erkennt zwar irgendwann, dass Koch und sie „keine typischen Alten“ seien. Aber ein wenig mehr Einfühlungsvermögen hätte hier nicht geschadet.

„Neugier! Neugier!“

Das gelingt Marianne Koch schon deutlich besser. „Wir beide sind sehr selbständig“, sagt sie. Und: „Ich glaube, wir waren privilegiert.“ Sie räumt auch ein, dass viele im Alter leiden, etwa, weil sie eine schwere Erkrankung haben. Aus ihrem Ratgeber „Mit Verstand altern“ liest sie vor, was man studienbasiert alles beachten müsse, um möglichst „erfolgreich“ zu altern: körperliche und geistige Beweglichkeit, soziale Kompetenz, mediterrane Ernährung, möglichst wenig Zucker, ausreichend Schlaf. Und, ganz wichtig: Die Lust, Neues zu erleben, eine „positive Einstellung“ zum Leben.

„Neugier! Neugier!“, ruft auch Heidenreich ins Publikum. Die solle man sich unbedingt bewahren. Sie betont, wie wichtig die Freude am Leben, auch am Altern, sei. Es spiele keine Rolle, wie alt man sei, sondern wie man alt sei. Das Altern steht für sie auch für eine neue Art von Freiheit. Wenn man wisse, „die Welt der Zukunft ist nicht mehr meine“, wie es in ihrem aktuellen Buch „Altern“ heißt, aus dem sie auf der Bühne vorliest, komme damit auch eine Erleichterung. Sie könne jetzt tun, was sie wolle, sagt sie. „Der Tod kommt. Der weiß, wo wir wohnen. Soll ich jetzt sitzen und auf ihn warten? Nö!“

Die beiden Frauen finden aber auch immer wieder zueinander. Erstens kennen sie sich schon 50 Jahre, wie Heidenreich sagt. Zweitens führen sie auch ohne den Moderator ein pointiertes Gespräch. Und drittens haben sie beide einen Hund. Morgen für Morgen gehen sie Gassi. Heidenreich um Punkt neun, Koch um Viertel vor acht. Bei jedem Wetter. Da ist es, das Häkchen bei der körperlichen Beweglichkeit.

Anderes, Unangenehmes wird aber auch mal gern ausgespart. Als Moderator Bartens nach zweimaliger Nachfrage zum Thema Wechseljahre keine Antwort bekommt, bleibt ein spürbares Fragezeichen zurück. Und Stützstrümpfe, Gleitsichtbrillen und Inkontinenz dienen den dreien auf der Bühne bloß noch als komödiantischer Rausschmeißer zum Schluss, ein herzliches Lachen, es kann ja auch witzig sein. Trotzdem – über einen großen Teil des (weiblichen) Älterwerdens wird offenbar lieber nicht geredet. Man verlässt den Saal mit dem Gefühl, geistreich hinters Licht geführt worden zu sein. Was ist denn nun dieses Altern? Vielleicht muss man sich einen Hund besorgen.

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