Schwabinger Institution:Alles neu auf dem Elisabethmarkt

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Fleisch-Nachschub rund um die Uhr: Dank einer Schiebewand können die Kunden von Metzger Weil auch nach Ladenschluss frische Ware kaufen - aus dem 24 Stunden zugänglichen Kühlschrank. (Foto: Catherina Hess)

Nach vier Jahren Bauzeit eröffnet der beliebte Einkaufstreffpunkt wieder – zur Freude der Händler mit nunmehr optimalen Arbeitsbedingungen. Doch für die Kunden der übrigen sanierungsbedürftigen Lebensmittelmärkte hat die Stadt weniger gute Nachrichten.

Von Ellen Draxel

Die ausklappbaren Sitzgelegenheiten sind ein echtes Zuckerl. Jedes der neuen Häuser auf dem Elisabethmarkt hat sie – man muss nur wissen, wo. Händlersprecher Karl Huczala drückt auf einen Punkt an der Fassade: Klick, schon öffnet sich die flexible Pausenfläche. Der Schwabinger Lebensmittelmarkt ist nach vier Jahren Bauzeit zurück auf seinem angestammten Platz. Mit zehn holzvertäfelten Gebäuden, die jeweils Raum für zwei oder drei der insgesamt 21 Stände bieten. Mit verwinkelten, aber geräumigen Gassen. Und mit sehr vielen Sitzgelegenheiten.

Bei der sukzessiven Öffnung zu Wochenbeginn ist noch nicht alles fertig. Einige Außenlichter an den Bauten fehlen, ebenso die Markisen, es gibt Ecken, die müssen erst verkabelt werden. Von überall her dringen Säge-Geräusche ans Ohr, Handwerker legen letzte Hand an. Zu diesem Zeitpunkt haben viele Stände noch geschlossen, in dem einen oder anderen werden Regale befüllt.

Karl Huczala ist einer, der schon seit Montag offen hat. „Die vergangenen Wochen waren sehr arbeitsreich, wir haben erst vor Kurzem Strom und Wasser bekommen“, sagt der Obst- und Gemüsehändler. „Und seitdem arbeiten wir Vollgas.“ Müde sieht er am Nachmittag aus, aber auch zufrieden. Kein Wunder: Er, der jahrelang für den Neubau des Marktes gekämpft hat – gegen den Widerstand vieler, die befürchteten, mit dem Abriss des alten Marktes könne auch ein Stück Schwabinger Flair für immer verschwinden –, erntet jetzt die Früchte seines Engagements.

Marktsprecher Karl Huczala mit seinem Obst- und Gemüseladen hat jahrelang für die Sanierung gekämpft. (Foto: Catherina Hess)

Passanten rufen ihm „Glückwunsch“ zu, „Gratulation“, der Markt sei „schön geworden“ und habe „sich gut integriert“. „Ansprechend“ und zugleich „urig“ sei das Ambiente jetzt. Selbst anfängliche Kritiker wie Stammkundin Gisela Getty schätzen die Atmosphäre. „Wir waren so skeptisch, weil der schöne alte Markt abgerissen werden sollte“, sagt die Schwabingerin. „Aber es ist wirklich toll.“ Alles gebe es, Früchte und Gemüse, Käse, Brot, Wurst und Fleisch, Getränke, Fisch – man müsse nirgendwo anders mehr hin.

Andere sind weniger überschwänglich und wollen mit ihrem Urteil warten, bis alles fertig ist. „Die Verkaufsstände“, meint etwa Architekt Bernd Ziervogel, seien „durchaus gelungen“. Aber eine endgültige Meinung könne er sich erst bilden, wenn die Baustelle der Vergangenheit angehöre. Der erste Eindruck sei dennoch „freundlich und positiv.“ Vor allem, ergänzt seine Frau Eva, seien sie „froh, dass das hier wieder ein sozialer Treffpunkt ist“.

Elena Straßl von Elli Blume zählt zu den neuen Anbietern auf dem Elisabethmarkt. (Foto: Catherina Hess)
Auf aufgeweiteten Plätzen ist jetzt Gelegenheit zum Sitzen und Ratschen. Und auch die Dachterrassen laden zum Verweilen ein. (Foto: Catherina Hess)
Im Weinatelier Elisabeth haben sich Elisabeth Winter (links) und ihre Mitarbeiterin Marie Frantzen viel vorgenommen. (Foto: Catherina Hess)

Was sie meint, zeigt sich im Herzen des neuen Elisabethmarktes. Auf einem von zwei aufgeweiteten Plätzen stehen neben einem Trinkwasserbrunnen Hocker vor dem Blumenstand von Elena Straßl. Trotz der regnerischen Witterung unterhalten sich Besucher angeregt. Einige Meter weiter geht es hoch zu einer der beiden Dachterrassen, auch dort herrscht, mit Blick über begrünte Marktdächer, reger Gastverkehr. Einige der Bänke sind belegt, trotz des noch herumliegenden Bauschutts. Immerhin: Die Hochbeete beherbergen bereits Pflanzen, samt Bewässerungsschleifen. Die Aufenthaltsqualität, so sieht es Huczala, ist einer der ganz großen Bonuspunkte des neuen Marktes. „Auf dem alten Markt war sie okay, auf dem Interimsmarkt eine Vollkatastrophe. Jetzt ist sie ein Traum.“

Dabei war um die Optik des neuen Schwabinger Marktes im Vorfeld lange gerungen worden. Weil 2016 eine Initiative mehr als 20 000 Unterschriften für den Erhalt der alten, maroden Markthäuschen gesammelt hatte, holte die Stadt für die Planung schließlich Bürger und Bürgerinnen mit ins Boot. 47 Anwohner durften vor fünf Jahren im Rahmen eines Workshops das Grundgerüst des neuen Marktes mitbestimmen.

Die Händler genießen die modernen Bedingungen. Denn der alte Markt wies erhebliche Defizite beim Brandschutz, bei der Lagerhaltung, bei Kühlflächen und bei der Bausubstanz auf. „Wir haben jetzt die Ware innen klimatisiert und geschützt, und wir können dank der Tiefgaragenbelieferung auch die Kühlkette einhalten“, erklärt Huczala. „Das ist ein Quantensprung zum Arbeiten.“ Früher war im Sommer Stress wegen Hitze, im Winter aus Angst vor Frost. Dazu Regen und Wind, die Obst und Gemüse schnell verderben lassen. 

Zur ansässigen Händlerschaft sind auch neue Anbieter gekommen

Auf dem neuen Markt finden sich nun – neben neun Händlern, die schon länger ansässig sind – auch neue Angebote. Der Blumenladen Elli Blume beispielsweise ist dabei, der Stand Neosociety mit Matcha-Produkten, die Ochsenbraterei von Antje Haberl. Und auch das Weinatelier Elisabeth ist dort ein Novum. Inhaberin Elisabeth Winter war jüngst Österreichs jüngste Wein-Sommelière.

Die Metzgerei Weil ist schon lange Teil des Elisabethmarktes, doch auch sie hat sich etwas Neues einfallen lassen. „Viele Leute schaffen es heute aufgrund ihres Jobs nicht mehr, zu den Öffnungszeiten in unseren Laden zu kommen“, weiß Chef Florian Weil. Deshalb verfügt der Stand gegenüber dem Giselagymnasium nun über einen schwarzen Schrank, der nach Ladenschluss die Theke abtrennt und das Geschäft in einen 24-Stunden-Store verwandelt. Bratwürste, Leberknödel, Maultaschen und Aufschnitt, aber auch Eier, Nudeln, Senf und Getränke kann man dann rund um die Uhr einkaufen, zu bezahlen am Selbstbedienungs-Terminal.

Mitte der Woche hat sich das Bild des Marktes bereits gewandelt, überall locken Auslagen, stehen Türen weit auf. Am Freitag, 13. September, wird der neue Elisabethmarkt offiziell eröffnet, dann haben bis auf zwei alle Stände geöffnet. Start ist um 15 Uhr, nach den Reden fährt ein Brauereigespann auf die Marktgasse. Es gibt spezielle Verkostungen und DJ-Musik auf einer der beiden Dachterrassen. Um 22 Uhr soll die Party enden.

Kritiker des Abrisses kommen beim Eröffnungsfest nicht mehr zu Wort

Zu Wort hatten bei dem Termin auch die Gegner des Abrisses kommen wollen, doch sowohl die Stadt als auch der Westschwabinger Bezirksausschuss lehnten diese Forderung ab – mit dem Argument, die Marktgestaltung sei „ein extrem demokratischer Prozess“ gewesen, wie Gesa Tiedemann (Grüne), die Bezirksausschussvorsitzende, es formulierte.

Offen ist, wie es mit den drei anderen festen Lebensmittelmärkten in München weitergeht. Weil sich die Stadt derzeit „in einer schwierigen Haushaltslage“ befinde, könne „zum heutigen Zeitpunkt kein Zeitplan“ für die ebenfalls geplante Sanierung des Pasinger Viktualienmarktes, des Marktes am Wiener Platz und des zentralen Viktualienmarktes festgelegt werden, heißt es aus dem Kommunalreferat. Man wolle mit dem Wirtschaftsplan im vierten Quartal aber erneut finanzielle Mittel dafür anmelden. Sparmaßnahmen würden geprüft. Der Umbau des Pasinger Marktes sollte ursprünglich 2025 beginnen.

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