Dass es ein musikalisches Werk ist, das Elina Garanca Hoffnung in schweren Stunden gibt, ist nicht verwunderlich. Die Mezzosopranistin ist eine der berühmtesten Sängerinnen dieser Zeit. Seit mehr als zwei Jahrzehnten reiht sich bei ihr Engagement an Engagement, und steht sie nicht auf der Bühne – wie in diesen Tagen in Bayreuth bei den Wagner-Festspielen als Kundry – singt sie Tonaufnahmen ein. Blickt man auf das Verzeichnis ihrer Auftritte und Werke, folgt Erfolg auf Erfolg.
Georges Bizets Carmen ist ihre Paraderolle; dass sie heute Richard Wagners wohl spannendste Frauenfigur singt, bezeichnet sie selbst als „Wunder“. Doch Trost sucht sie im Werk eines anderen Komponisten. „Schon seit sehr, sehr vielen Jahren“, wie sie sagt. „Das Requiem von Giuseppe Verdi hat für mich alle Antworten“, sagt die gebürtige Lettin. Es möge sein, dass im deutschsprachigen Raum die Temperamente etwas anders gelagert sind, „dass man hier auf mehr Innerlichkeit baut“, und dass Mozarts oder Dvoraks Requiem noch mehr den Ton treffen würden, nach dem sich die Menschen in der Not sehnten.
„Aber ich liebe gerade das Italienische an Verdi“, erklärt sie. „Dass man als Mensch sagt: Nein, ich schweige nicht, ich widerspreche auch einmal dem lieben Gott. Ich frage nach dem Warum für dieses Leid, das mir widerfährt! Warum, warum, warum?!“ Im Requiem des vor allem für seine Opern bekannten Komponisten gebe es Stellen, die „himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt“ sind – wie Goethe das genannt habe. Der Komponist führe musikalisch aber letztlich an eine Kreuzung. An der heiße es: wohin weiter? „Aber dann kommt irgendwann ein Moment, und man sagt: Jetzt ist es mir klar, jetzt gehe ich dorthin und mache den letzten Schritt.“
„Irgendwann ist es schön, dass man erlöst wird“
Kein einzelnes Musikstück sei wohl ein Allheilmittel für jeden Menschen. „Wir sind unterschiedlich traurig und unterschiedlich glücklich“, sagt Elina Garanca. Jeder Mensch nehme sich selbst im Zustand der Enttäuschung, der Verunsicherung oder Trauer anders wahr. Und mit dem Alter und der Lebenserfahrung wandle sich das überdies.
„Wie anders habe ich Gustav Mahlers Lied ‚Ich bin der Welt abhanden gekommen‘ als junge Frau empfunden“, beschreibt die Sängerin. „Doch wenn man älter wird, hat man immer weniger Angst vor der Tod“, glaubt Garanca, „weil man vieles erlebt hat. Und irgendwann ist es schön, dass man erlöst wird.“ Später denke man mehr an die schon Verlorenen, die der Welt bereits abhanden gekommen sind.

Mezzosopran Elina Garanca:„Die Fähigkeit, länger durchzuhalten als die anderen“
Sie ist einer größten Stars der Opernwelt. Bei den Bayreuther Festspielen singt sie die Kundry im Parsifal. Bis heute prägen die charismatische Lettin Elina Garanca Erfahrungen aus ihrer Kindheit.
Klassik-Kenner müsse unterdessen niemand sein, um über einzelne Werke Hoffnung zu schöpfen. Sie sei fest überzeugt vom „Zauber der Musik. Und da ist es egal, ob es klassische oder Pop- oder Jazz-Musik ist“, sagt die Mezzosopranistin, „Jeder von uns kann irgendetwas finden, in jeder Situation.“ Egal, ob eine Beziehung zu Ende gegangen sei, man einen Freund oder ein Familienmitglied verloren habe, es gebe immer eine passende Musik.
Zum zehnten Todestag ihrer Mama – die war Sängerin wie sie selbst und auch ihre erste Gesangslehrerin – sei es etwa das Repertoire gewesen, dass die Mutter selbst gerne gesungen hat. Deshalb sei Elina Garanca damit vor einigen Monaten auf eine kleine Konzertreise durch ihre Heimat Lettland gegangen. „Da waren wir wieder an den Orten meiner Kindheit, wo ich schon als Dreijährige gewesen bin. Und nach dem letzten Konzert, das hatte ich mir gemeinsam mit einer Freundin schon ein Jahr zuvor so ausgemalt, sind wir nach zwei Uhr nachts alle gemeinsam noch einmal ins baltische Meer gesprungen. Da wusste ich, diese kindliche Kraft, die gehört mir noch.“
In der SZ-Serie „Ein Stück Hoffnung“ empfehlen Künstler aus München und Bayern Werke, die sie optimistisch stimmen.

