Süddeutsche Zeitung

Eisbach-Welle:Fluss ohne Wiederkehr

Elegante Amazonen, todesmutige Draufgänger: In seiner Dokumentation "Keep Surfing" zeigt Björn Richie Lob, wie eine kleine Isarwelle große Surfkultur hervorbringt.

Tobias Kniebe

Bei jeden Festival gibt es Filme, die einem noch einmal ganz neu die Augen öffnen. Björn Richie Lobs bei der Premiere bereits frenetisch gefeierte Dokumentation "Keep Surfing" (noch einmal Rio Kino, Freitag, 24 Uhr) ist so eine Entdeckung - und die Tatsache, dass ausgerechnet München darin völlig anders erscheint, als man es bislang so zu kennen glaubte, macht den Effekt nur bemerkenswerter.

Die Überraschung ist natürlich nicht, dass es neben dem Haus der Kunst einen schnell fließenden Isar-Seitenarm namens Eisbach gibt, der eine wunderbare, stehende Welle produziert, die sich sehr gut zum Surfen eignet - das weiß jeder, das steht in jedem Touristenführer. Womit der ahnungslose Laie dann aber doch nicht rechnen würde: Dass sich rund um diesen kleinen Spot tatsächlich eine ganze Subkultur gebildet hat, mit den üblichen spirituellen Abenteurern, eleganten Amazonen, todesmutigen Draufgängern und zotteligen Urviechern. Es ist, kurz gesagt, genauso wie in jedem großen Surferfilm, angefangen bei John Milius' Klassiker "Big Wednesday".

Nahtod-Erlebnisse

Denn ja, es gibt auch hier zum Beispiel "The Big One", die Welle von mythischen Ausmaßen, die dich töten kann. Nicht direkt auf der Isar, obwohl die auch schon gefährlich genug sein kann. Die Münchner Freunde Gerry, Flo und Andy finden ihre ultimative Herausforderung einmal in der überfluteten Rhône, dann wieder in den gewaltigen Stromschnellen des kanadischen Skookumchuck. "Der kommt nicht wieder hoch", heißt es dann schon mal am Ufer, wenn einer besonders lang im Weißwasser-Wirbel verschwunden bleibt - ein Nahtod-Erlebnis, das die Surfer als "Hold-Down" bezeichnen.

Noch wichtiger als die Gefahr ist am Ende aber der Lokalpatriotismus. Die Isarsurfer haben ihre eigene, nun schon dreißigjährige Geschichte; sie haben die Eisbachwelle nach ihren Wünschen verändert und geformt; sie haben längst international surfende Champions hervorbracht; und sie verteidigen ihr Revier manchmal genauso aggressiv wie die "Locals" in Hawaii oder Kalifornien. Als Surf-Legende Kelly Slater jedenfalls einmal nach München kam, heißt es, durfte er nur am Ufer zuschauen.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2009/pfau
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