Eisbach: Pionier Dieter Deventer:Ich surfe, also bin ich

Der Eisbach-Film Keep Surfing kommt in die Kinos. Dieter Deventer ist der erste Fluss-Surfer und eine Hauptfigur des Films. Mit sueddeutsche.de spricht er über die Welle.

Ana Maria Michel

Der Münchner Dieter Deventer ist leidenschaftlicher Eisbach-Surfer und war von der ersten Stunde an dabei: Beim Brettl-Fahren auf der Floßlände hat er vor 35 Jahren durch einen Zufall das Fluss-Surfen entdeckt. Sein Alter will Deventer nicht verraten, mit 45 Jahren habe er aufgehört zu zählen. Björn Richie Lob, der Regisseur des Films "Keep Surfing" gewann ihn als Darsteller. Jetzt gibt Deventer auf der Straße Autogramme, weil die Leute ihn erkennen. Vor 35 Jahren hat der Kameramann sogar selbst einen Film über den Eisbach gedreht. Ausgewählte Sequenzen daraus hat Lob in "Keep Surfing" integriert.

Dieter Deventer

Dieter Deventer ist einer der ersten Eisbach-Surfer. Seine 21-jährige Tochter Toni macht es ihm heute nach.

(Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Wie sind Sie vor 35 Jahren darauf gekommen, auf Holzbrettern im Fluss zu surfen?

Dieter Deventer: Das Brettl-Fahren gab es schon ewig. Das Brett hängt dabei an einem Seil, das an einem Baum festgemacht ist. Ein anderes Seil hat man als Griff in der Hand. Das ist ein bisschen wie Wasserski-Fahren und macht einfach Spaß. Irgendwann habe ich gesehen, dass das Seil durchhängt und wir trotzdem noch auf der Welle stehen. Das war für mich das erste Gefühl von River-Surfen. Am nächsten Morgen bin ich mit meiner Luftmatratze heimlich wieder an die Floßlände gegangen und habe es nochmal ausprobiert. Im Sommer ging es dann sofort ans Meer. Seitdem ist das Surfen für mich wie eine Sucht.

sueddeutsche.de: Was waren das damals für Leute, mit denen Sie das River-Surfen entdeckt haben?

Deventer: Nach dem Abitur habe ich BWL studiert und fuhr zu der Zeit sehr viel Ski. Parallel dazu hat sich das Surfen entwickelt. Wir haben uns oft an der Floßlände getroffen und das als Training für das richtige Surfen im Meer gesehen. Ich war mit Ski-Freunden jedes Jahr mindestens ein Mal auf Bali oder in Sri Lanka.

sueddeutsche.de: Sind heute noch viele Leute aus der Anfangszeit dabei?

Deventer: Wenige. Ich bin einer der letzten Old-Gurus, die versuchen, sich noch zu erhalten.

sueddeutsche.de: Hat sich die Welle im Verlauf der Jahre verändert?

Deventer: Das Wasser floss damals durch die beiden Tunnelkanäle raus und durch einen Rückstrudel von vorne wieder in die Welle rein. Das hat bewirkt, dass die Welle nie glatt war, sondern immer voller Schaum. Die Welle fiel ständig in sich zusammen. In einer Nacht- und-Nebel-Aktion hat dann Walter Strasser für die Ewigkeit Planken in die Welle eingebaut. Die verhindern den Rückfluss des Wassers. Seitdem galt Walter als der Hausmeister des Eisbachs.

sueddeutsche.de: Waren die Isar-Surfer auch früher schon ein Zuschauer-Magnet?

Deventer: Nein, gar nicht. Jetzt wird der Eisbach durch die Medien immer populärer. Früher haben wir sogar versucht, die Welle geheim zu halten. Walter war da zum Teil richtig militant: Wenn Fernsehteams nicht mit dem Filmen aufgehört haben, hat er sie ins Wasser geworfen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Bei Keep Surfing war Walter zwar dabei, aber dann hat er sich nach Sardinien abgesetzt. Ihm ist es am Eisbach zu voll geworden.

sueddeutsche.de: Wie haben sich die Surfer in den Jahren verändert?

Deventer: Das sportliche Niveau der River-Surfer ist unglaublich gestiegen. Früher haben wir schon inoffizielle Contests an der Floßlände veranstaltet. Die Jungen übernehmen heute die Tricks der Älteren und setzen immer noch einen drauf. Es geht aber nicht darum, andere zu beeindrucken - sondern für sich herauszufinden, was auf dem Brett möglich ist.

"Das war unser zweites Zuhause"

sueddeutsche.de: Wie oft surfen Sie heute im Eisbach?

Deventer: Ich bin freiberuflicher Kameramann und Fotograf - wenn ich keine Jobs habe, dann bin ich sehr oft an der Welle. Früher war ich mit der ganzen Familie jeden Tag an der Floßlände. Das war unser zweites Zuhause.

sueddeutsche.de: Surfen Ihre Töchter auch?

Deventer: Meine Töchter haben mit acht oder zehn Jahren das Surfen im Meer gelernt. Toni ist 21 Jahre alt und fast besser als ich, sie ist richtig ehrgeizig. Meine älteste Tochter Lisa studiert in Berlin und kommt dort nicht so oft zum Surfen. Wenn sie dann hier an der Floßlände ist, will sie genauso gut sein wie ihre Schwester.

sueddeutsche.de: Was waren die schönsten Momente am Eisbach in den letzten 35 Jahren?

Deventer: In der offenen Isar gab es früher bei Hochwasser bis zu zwölf Wellen und ich wusste genau, bei welchem Wasserstand welche Welle am besten läuft. Da gab es manchmal Bedingungen wie im Meer und man konnte zu acht auf der Welle surfen. Leider gibt es diese Wellen durch die Renaturierung nicht mehr. Auch die menschlichen Momente sind toll, wenn man nach dem Surfen gemeinsam grillt, alte Freunde trifft oder Anfängern das Surfen beibringt. Absolute Glücksmomente sind für mich aber, wenn ich eine schöne Meerwelle mit meinen Töchtern surfe.

sueddeutsche.de: Gab es auch weniger schöne Momente im Eisbach?

Deventer: Meine Tochter Toni hatte einmal einen Unfall beim Surfen. Im Fluss besteht die Gefahr, dass man zum Beispiel mit einem Teil von seinem Anzug hängenbleibt. Toni ist das passiert, sie ist mit ihrem Schuh an einem Nagel hängen geblieben und hing dann wie leblos unter der Welle. Ich habe erst gar nicht verstanden, was da los war. Das Schlimmste war, dass ich wusste: Wenn ich sie jetzt nicht rausreiße, dann ist es zu spät. Zum Glück konnte ich sie retten.

sueddeutsche.de: Aber dieser Unfall hat Sie beide nicht davon abgehalten, wieder zu surfen?

Deventer: Wir waren natürlich zunächst paralysiert. Aber jeder Sport hat seine Risiken. Seit diesem Unfall surfen wir nicht mehr mit Schuhen, die Laschen haben.

sueddeutsche.de: Surfen Sie lieber im Meer oder im Eisbach?

Deventer: Als Surfer hat man den Traum einer richtigen Meerwelle immer vor Augen. Die Flusswelle macht sehr viel Spaß, ist aber kein wirklicher Ersatz.

sueddeutsche.de: Könnten Sie sich München ohne die Welle vorstellen?

Deventer: Die Welle ist für mich neben den Bergen ein Grund, wieso ich nie aus München weg wollte. Es ist für mich sehr traurig, dass die zwölf Wellen in der offenen Isar nicht mehr da sind. Das ist wie wenn ein Skihang vor deiner Tür plötzlich weggesprengt wird. Das Tolle an der Eisbachwelle ist, dass sie Sommer wie Winter läuft. Ich bin auch schon im Winter mit meinem Sieben-Millimeter-Anzug und einem Eispickel hingefahren.

sueddeutsche.de: Wie sehen Sie die Zukunft der Welle?

Deventer: Es werden immer mehr Leute kommen und man kann nur hoffen, dass die Stadt neue Wellen für uns Surfer baut. Der Architekt, der die Renaturierung gestaltet hat, wollte als Ersatz für die zwölf alten Wellen eine richtig schöne Welle für Surfer bauen. Aber dieser Plan ist leider an Parkplatz- und Haftungsfragen gescheitert. Dass die Stadt München den Eisbach jetzt gekauft hat und das Surfen dort somit legal ist, ist ein Riesenschritt für uns.

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