Einzigartiges Netzwerk:Eine Brandmauer gegen den Hass

Einzigartiges Netzwerk: Bekam viel Applaus: Miriam Heigl (li.), Leiterin der Fachstelle für Demokratie, mit Micky Wenngatz von "München ist Bunt" und OB Dieter Reiter.

Bekam viel Applaus: Miriam Heigl (li.), Leiterin der Fachstelle für Demokratie, mit Micky Wenngatz von "München ist Bunt" und OB Dieter Reiter.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die städtische Fachstelle für Demokratie bekämpft seit zehn Jahren Rassismus und Rechtsextremismus in München

Von Martin Bernstein

"Bei Hitlers brennt noch Licht / Es ist nie ganz erloschen / Nur eine kurze, ruhige Zeit /War's Fenster fest verschlossen." Eben ist noch gelacht worden beim Auftritt des Comedian Simon Pearce im Alten Rathaussaal. Jetzt trägt der 38-Jährige ein Gedicht im Stil Erich Kästners vor. Das Lachen ist den Besuchern der Festveranstaltung schon vorher im Halse stecken geblieben, als Pearce erzählt hat, wie es zu dem Gedicht kam. Er, der Münchner mit der dunklen Hautfarbe, ging mit seiner hochschwangeren Lebensgefährtin spazieren. Ein Passant blieb stehen, musterte beide, sagte: "Das ist ja widerlich!" - und spuckte die werdende Mutter an.

Die "Fachstelle für Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit", man wird sie wohl noch lange brauchen. Am Montag ist im Alten Rathaus das zehnjährige Bestehen der städtischen Koordinierungsstelle gefeiert worden. Aber was heißt schon feiern in Zeiten der Erfurter Ereignisse, der Morde an Walter Lübcke und in Halle, der 47 Fälle rechter Gewalt im vergangenen Jahr in München? "Wir werden Kraft und langen Atem brauchen", prophezeit Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin mit Blick auf Thüringen. "Denn die Gefahr für die Demokratie kommt nicht von außen oder vom Rand, sondern von der sogenannten Mitte."

Die Ereignisse in Thüringen, wo vergangene Woche erstmals mit den Stimmen der AfD ein Ministerpräsident gewählt worden war, durchziehen den Abend. "Alle Demokraten, Zivilgesellschaft wie Parteien, müssen noch wachsamer werden und dürfen sich nicht für billige rechte Provokationen instrumentalisieren lassen", fordert Oberbürgermeister Dieter Reiter, dem die Fachstelle direkt untersteht. München habe vor zehn Jahren ein deutschlandweit einzigartiges Netzwerk rund um die Fachstelle geknüpft, denn "die Stadtgesellschaft stellt langfristig den besten Schutz vor Rechtsextremismus dar".

Das sehen auch die anderen Rednerinnen so. München sende ein wichtiges Signal, sagt die Journalistin Annette Ramelsberger. Klare Haltung sei entscheidend. "Vom Herumeiern ist es nicht weit bis zum Steigbügelhalten für die Rechtsradikalen." Dieses Muster hat Ramelsberger, die für die Süddeutsche Zeitung seit Jahrzehnten über Rechtsextremismus schreibt und den Münchner NSU-Prozess verfolgt hat, deutschlandweit immer wieder beobachtet: "Erst schaut man nicht hin, dann eiert man herum - dann ist es zu spät."

Für die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, ist die Fachstelle deshalb weit mehr als nur eine "Feuerwehr" - sie sei "Brandmauer" gegen Hass, Extremismus und Antisemitismus. "Ich bin sehr dankbar, dass es sie gibt", sagt die Münchner Ehrenbürgerin. Und als sie diesen Dank sehr persönlich an Fachstellen-Leiterin Miriam Heigl richtet, will der Applaus im Saal kaum enden. Die Gäste, die im Stadtrat oder in Bezirksausschüssen sitzen, die in den Beratungs- und Informationsstellen des kommunalen Netzwerks und als Beauftragte gegen Antisemitismus arbeiten oder sich bei zivilgesellschaftlichen Bündnissen engagieren, erleben immer wieder ganz praktisch, was es heißt, wenn im Zentrum der Stadtverwaltung "Haltung und Rückgrat" (Bianca Klose) institutionell verankert sind.

"Bei Hitlers brennt noch Licht / Vernunft wo bist Du? Wo?", endet das Gedicht, das Simon Pearce vorträgt. "Komm' raus und hilf ... und schalt' es aus / Sonst brennt es lichterloh."

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