Einzelhandel:Was die gescheiterte Edeka-Tengelmann-Fusion für München bedeutet

Einzelhandel: 140 Filialen hat Tengelmann im Stadtgebiet. Auch weil sie oft in bester Lage zu finden sind, haben die konkurrierenden Ketten großes Interesse daran.

140 Filialen hat Tengelmann im Stadtgebiet. Auch weil sie oft in bester Lage zu finden sind, haben die konkurrierenden Ketten großes Interesse daran.

(Foto: Imago)
  • Handelsexperten sind erleichtert, dass die Tengelmann-Übernahme durch Edeka nicht zustande kommt.
  • Hätte Edeka die 140 Tengelmann-Filialen in München übernommen, wäre es vielerorts zu einer starken Konzentration gekommen.
  • Für die knapp 5000 Tengelmann-Beschäftigten in der Region München bedeutet der geplatzte Deal aber erneute Ungewissheit um ihre Zukunft.

Von Christian Gschwendtner

Für die junge Frau im Echinger Logistikzentrum von Tengelmann geht es in den nächsten Tagen um alles. Wird Tengelmann zerschlagen, dann ist nicht nur sie ihren Job los. Auch ihr Mann und ihr Bruder wären dann arbeitslos. Alle drei arbeiten sie für die Supermarktkette. Es sind Schicksale wie dieses, die Manfred Schick zugleich wütend und fassungslos machen. Seit nunmehr zwei Jahren versucht der Betriebsratschef, die Arbeitsplätze der knapp 5000 Tengelmann-Beschäftigten in der Region München zu retten. Jetzt steht auch er vor einem Scherbenhaufen. Der Übernahmepoker ist gescheitert. Edeka wird die angeschlagene Tengelmann-Kette wohl nicht übernehmen können. Und genau deshalb atmen die Münchner Handelsexperten auf.

München, darüber ist sich die Branche weitgehend einig, ist das am härtesten umkämpfte Pflaster im Lebensmitteleinzelhandel. Die Kaufkraft ist hoch, doch Flächen für Supermärkte sind schwer zu bekommen. Gemessen am Bundesdurchschnitt ist die Stadt mit Supermärkten sogar unterversorgt. Das erklärt, warum um die Tengelmann-Filialen so erbittert gekämpft wird. Mancherorts mögen sie klein, alt und verstaubt sein. Dafür befinden sie sich in bester Lage. Zur Erinnerung: Den ersten Selbstbedienungs-Supermarkt eröffnete Tengelmann 1953 an der Leopoldstraße. Die Traditionsmarke von einst besetzt Standorte, an die Edeka und Rewe unbedingt hin wollen.

Unabhängig vom jetzt geplatzten Deal soll sich Rewe in München bereits 20 Verkaufsflächen von Tengelmann gesichert haben. Dort läuft in den nächsten drei Jahren jeweils der Mietvertrag aus. Rewe stand als solventer Nachmieter bereit und kam offenbar auch zum Zug. Bestätigen will Rewe das freilich nicht. Was Expansionen angehe, gebe man generell keine Zahlen heraus, teilt eine Sprecherin mit. In München ist die Rewe-Group Marktführer - ein Umstand, um den sie lieber nicht zu viel Aufhebens machen will.

Bei Edeka ist das nicht anders. Fragt man bei der Pressestelle nach, wie viele Supermärkte der Handelsgigant aus Hamburg in der Stadt betreibt, bekommt man ungefragt folgenden Hinweis: "Der Marktanteil der Edeka-Märkte liegt lediglich bei 11,7 Prozent im Raum München und damit deutlich hinter Rewe und Aldi." Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn zu Edeka gehört der Billigdiscounter Netto. Die ganze Wahrheit lautet daher: Edeka ist die Nummer zwei in München. Doch zu viel Marktmacht gefällt nicht allen - und so macht sich der mit Abstand größte Lebensmittelhändler Deutschlands lieber klein.

Hätte Edeka die 140 Tengelmann-Filialen in München übernommen, wäre es vielerorts zu einer starken Konzentration gekommen. Das Bundeskartellamt hat Alarm geschlagen: Durch die Fusion hätte Edeka hier wertvollen Boden gegen seinen ärgsten Rivalen Rewe gutmachen können. Im Bezirk Neuhausen und Nymphenburg wären die beiden Großkonzerne zum Beispiel auf einen Marktanteil von 80 Prozent gekommen, in vielen anderen Stadtteilen würden sie laut Bundeskartellamt rund die Hälfte des Handels kontrollieren.

"Aus Münchner Sicht sind das ganz gute Nachrichten"

Markus Wotruba, Leiter des Bereichs Standortforschung bei der BBE Handelsberatung, beobachtet die Konzentration im Lebensmittelhandel schon jetzt mit Sorge. Einer Edeka-Tengelmann-Fusion konnte er nie etwas Positives abgewinnen, die nun drohende Zerschlagung lässt ihn kalt. "Aus Münchner Sicht sind das ganz gute Nachrichten", sagt Wotruba. Um die Tengelmann-Filialen in der Stadt müsse man sich keine allzu großen Sorgen machen. Sie stünden dort, wo die Bevölkerungsdichte am höchsten und der Umsatz am größten ist.

Interne Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, zeigen, welch großes Potenzial Edeka in den Münchner Tengelmann-Filialen vermutet. Mit der Übernahme wollte man den Expansionskurs der vergangenen Jahre fortsetzen und in den nächsten fünf Jahren mindestens 886 neue Mitarbeiter anstellen. Auch der Lager-Standort in Eching sollte ursprünglich fortgeführt werden. Um in München wachsen zu können, kam Edeka in den Fusionsverhandlungen dem hiesigen Betriebsrat weit entgegen. Umso größer ist nun der Frust bei Manfred Schick, der die Verhandlungen geführt hat. Er arbeitet seit 33 Jahren bei Tengelmann und er ist weit davon entfernt, die Firma aufzugeben. Im Gegenteil, er will weiter kämpfen: "Im Gegensatz zur Geschäftsführung komm ich meiner Verantwortung nach."

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