Einzelhandel:Das ist Münchens ältester Krawattenladen

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Der Krawattenladen Hoff in der Maxburg ist der letzte Krawattenladen in München. Elisabeth Maier führt ihn seit 1979. (Foto: Stephan Rumpf)

In Elisabeth Maiers Geschäft ist die Krawatte mehr als nur ein notwendiges Übel, das vor Hochzeiten oder Beerdigungen beschafft werden muss: Sie ist die Aufgabe ihres Lebens.

Von Philipp Crone, München

Manchmal kommt es auf einen Buchstaben an. Zum Beispiel, wenn Elisabeth Maier, eine Frau Ende 60, die vor Energie kaum ruhig hinter ihrem Verkaufstresen sitzen kann, ihre langen Haare zurückstreicht und sagt: "Ich bin in Fliegen absolut führend."

Maier zieht eine Schublade auf, die sie gar nicht ohne Weiteres wieder zuschieben kann, so voll ist sie mit Krawatten und Fliegen. Krawatten Hoff, Fachgeschäft für Halsverzierungen Münchner Männer, war 1955 das erste dieser Art in München. Es gab zwischendrin vier, aber weil die Krawatte mittlerweile seltener getragen wird, mussten andere Geschäfte schließen, "wir waren die Ersten und die Letzten", sagt Maier.

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Wer diesen kleinen Laden an der Maxburgstraße betritt, lernt etwas über Männer, über München, und wenn er ganz freundlich ist, auch noch, wie man eine Fliege bindet, denn in Fliegen ist Maier ja führend. Und derzeit hat die Frau im Tweed-Sakko und dem Hang zur atemlosen Sprache auch Zeit für Anekdoten. Ihre Geschichte der Münchner Krawatte, über deren Moden und Breiten, führt zur Erklärung, warum im Herbst und Winter kaum jemand hier einkauft.

Maier zieht eine besondere Krawatte aus der Schublade, es ist das Modell, das sie am häufigsten verkauft hat. Auf dunkelblauem Hintergrund ist eine Bücherwand zu sehen. 80 Stück sind es bis heute. Und einmal mehr stellt sich die Frage: Wer trägt was und warum?

Maier hat das Geschäft 1979 übernommen, da war sie gerade nach einem ausgiebigen Lehramtsstudium Englisch und Französisch fertig "und hatte gemerkt: Ich wollte gar keine Lehrerin werden." Ein Bekannter hatte Kontakt zu Krawatten Hoff, dort allerdings hatte gerade eine Frau von Gründer Hoff den Laden übernommen, doch sie blieb nur ein Jahr. "Die Dame wurde von einem amerikanischen Millionär kontaktiert, dessen Frau gestorben war und der sie nach einem Kennenlernen 15 Jahre zuvor auf dem Oktoberfest nie vergessen hatte." Die Frau zog in die USA, Maier in den Laden. "Seitdem weiß ich, dass es ein Schicksal gibt." Denn Maier hatte in diesem Moment ihre Lebensaufgabe gefunden. Seitdem ist sie in ihrem "Schneckenhaus", wie sie das winzige Geschäft nennt, zwischen Tausenden Krawatten jeden Werktag von 10 bis 18 Uhr und meistens noch länger.

Die Tür geht, auf, eine Frau erkundigt sich: "Haben Sie Steckkrawatten?" Das sind solche, die man gebunden auf- und zustecken kann. Maier verzieht das Gesicht. Sie verkauft alles, sogar die schlimmsten Modesünden der Achtzigerjahre, aber Steckkrawatten? "Habe ich nicht, tut mir leid."

Wäre die Krawatte eine Lebensform, sie wäre vom Aussterben bedroht

Was sie hat, sind Krawatten zwischen 60 und 150 Euro, die günstigen aus einer deutschen Familienmanufaktur, die teuersten aus Seide aus Italien, mit Krawattenhalter, einer Art Stoff-Öse, mit der die Krawatte an einem Hemdknopf fixiert werden kann und somit nie in der Suppe hängt, falls der Herr sich zum Salzstreuer vorbeugt zum Beispiel. Wenn überhaupt noch welche getragen werden. In der Maxburgstraße gehen zur Zeit etwa 200 Krawatten über die Theke pro Jahr.

Wäre die Krawatte eine Lebensform, sie wäre vom Aussterben bedroht. Zunächst verkaufte Maier in den Achtzigerjahren mindestens 500 Stück pro Jahr, die ganz dünnen waren in Mode, acht Zentimeter breit, manche hatten zur Hochzeit der Mode sogar nur fünf Zentimeter Breite. "Als ich anfing, trug man erst zwölf Zentimeter Breite, dann kurze Zeit fünf ZentimeterBreite und dann seit Ende der Achtziger wieder die Breite von heute." In den Neunzigerjahren erlebte Maier einen Boom, "plötzlich wurden auf den Krawatten alle möglichen Muster getragen: Blumen, Gegenstände und so weiter". Damals seien die Leute zum Teil angestanden vor Weihnachten. Doch seitdem es als einfallslos gelte, Socken oder Krawatten zu schenken, ist das Anstehen vorbei.

Nach der Boom-Zeit Anfang der Neunzigerjahre kam 1995 die "von Armani eingeleitete" gedeckte Phase. "Auf einmal trugen alle nur noch Schwarz." Danach pendelte es sich ein. Einfarbiges, gestreiftes, gemustertes. Klassiker etablierten sich wie etwa gestreifte Krawatten oder mit Paisley-Muster. Und immer weniger. "Mittlerweile kommen die jungen Leute wieder, wenn sie heiraten, den ganzen Sommer über." Die googeln Krawatten und München und kommen auf Maier. Obwohl die fröhliche Frau mit Technik rein gar nichts am Hut hat, ist sie dank des Internets noch einigermaßen ausgelastet. Kein Fernseher, kein Handy, kein Mann, keine Kinder, kein Auto, kein Internet. Maier lebt für Krawatten, Kunden und Bücher. Und sie möchte den Laden so lange führen, wie sie kann.

Nicht mal mehr Banker tragen heute Krawatte

Wenn die Hochzeiten im Herbst abnehmen, kommen die stillen Tage bei Krawatten Hoff, dann schafft Maier einige Bücher in ihrer Arbeitszeit. "Schauen Sie sich doch mal um heute, wer trägt noch Krawatte?" Während der Schlips früher Pflicht-Utensil des Berufstätigen war, habe heute "nicht einmal ein Banker mehr eine an". Unternehmensberater, Geschäftsleute? Geht auch ohne. "Dabei sieht ein Mann mit Krawatte einfach angezogener aus."

Oder auch eine Fliege. Junge Leute würden die immer häufiger kaufen, und dann zeigt Maier den Herren auch, wie man sie bindet. Zwischen 60 und 80 Euro kostet so ein Utensil, die Einstecktücher, die auch gefragt sind, liegen zwischen 30 und 60. Maier zeigt auch hier dem Kunden die drei gängigsten Falttechniken für Tücher.

Maier liest also derzeit viel. Eines ihrer Lieblingsbücher, vielleicht ja auch auf ihrer Rekordkrawatte zu sehen, ist Adalbert Stifters "Der Nachsommer". Ein Heile-Welt-Roman, und bei dem Gedanken an das Buch scheint Maier in ihrer ganzen zierlichen Gestalt zu strahlen. "Sehen Sie raus, die Rosenrabatte, hier drin der kleine Laden mitten in der Stadt, ganz ruhig. Die Hauptfigur in dem Buch liebt die heile Welt - und ich auch."

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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