Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien:Wenn die Armut sichtbar wird

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Auf der Suche nach einem besseren Leben kommen immer mehr Roma nach München. Die meisten haben es jedoch schwer, Arbeit und Unterkunft zu finden. Jetzt starten mehrere Sozialverbände ein Hilfsprojekt in der Heimat der Flüchtlinge.

Sven Loerzer

Viele von ihnen sind obdachlos, leben in Abbruchhäusern, schlafen in Parks oder campieren in Wäldern, um tagsüber auf dem "Straßenstrich für Tagelöhner" in der Goethestraße auf einen Job zu warten. Rund 10.000 Rumänen und Bulgaren haben sich in München in den letzten beiden Jahren niedergelassen, um den schwierigen Lebensbedingungen in ihrer Heimat zu entkommen.

Rund 10.000 Rumänen und Bulgaren haben sich in München in den letzten beiden Jahren niedergelassen, um den schwierigen Lebensbedingungen in ihrer Heimat zu entkommen. (Foto: dpa)

Etwa 1000 bis 2000 zählen zur Volksgruppe der Roma. "Sie haben die meisten Schwierigkeiten, hier Fuß zu fassen", sagt Wilhelm Dräxler, Fachreferent für Migration bei der Caritas. Denn viele von ihnen haben nicht nur Sprachprobleme, sondern verfügen über keinerlei Ausbildung. Nur die wenigsten haben Anspruch auf Sozialleistungen.

Da sie nicht krankenversichert seien, hätten sie nur "Anspruch auf Krankenhilfe im Notfall", sagt Claudia Hämmerling, Leiterin der Malteser Migranten Medizin (MMM), die Menschen hilft, die sich keine medizinische Versorgung leisten können. Da der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Rumänen und Bulgaren noch bis 2014 beschränkt ist, würden sich viele als "Scheinselbständige" verdingen, die meist nur zwischen 400 und 600 Euro im Monat verdienen.

"Davon können sie sich keine Krankenkasse leisten", sagt Claudia Hämmerling. Immer häufiger müssen sich die Malteser nun um Roma kümmern, vermehrt seien schwangere Frauen unter ihnen. Im Rahmen der Notfallbehandlung könnten sie erst ins Krankenhaus eingewiesen werden, wenn die Wehen eingesetzt hätten. Der Zugang zur medizinischen Versorgung in Bulgarien sei schwierig, berichteten Roma. "Viele kommen aber auch nach Deutschland, weil sie glauben, ein hier geborenes Kind bekäme die deutsche Staatsbürgerschaft und damit Zugang zum deutschen Sozialsystem."

Die meisten Roma stammen nach Erfahrungen der Caritas aus den bulgarischen Städten Omurtag und Pazardzhik. Obwohl ihre Lebensumstände in München äußerst prekär seien, gebe es kaum Bereitschaft zur Rückkehr in ihr Heimatland, erklärt Dräxler. Die Caritas bemüht sich zwar im Rahmen ihres Projektes "Bildung statt Betteln" um die Armutsmigranten. Die Beratungsstelle kümmert sich darum, dass Kinder zur Schule gehen und versucht, arbeitsrechtliche Probleme zu lösen.

Hilfsangebote, um den Migrationsdruck abzuschwächen

Zusammen mit dem Katholischen Männerfürsorgeverein (KMFV) und der MMM hat die Caritas jetzt aber auch eine Projektgruppe gegründet, die Anfang September eine Recherchereise in die beiden bulgarischen Orte unternimmt. "Wir wollen ausloten, wie wir Hilfe vor Ort leisten können", sagt KMFV-Vorstand Viktor Münster, "wir können nicht die Menschen einfach vor die Tür setzen."

Es gehe darum, die örtlichen "Rahmenbedingungen für die Minderheiten der Roma detaillierter kennenzulernen, um kleinräumige Hilfsangebote zu entwickeln, die den Migrationsdruck abschwächen", ergänzt Dräxler. "Die Menschen brauchen vor Ort eine Arbeit und ein Einkommen." Dafür sieht er nicht nur die EU in der Verantwortung, sondern neben Stadt und Freistaat auch die Wirtschaft. Denn auf längere Sicht würde sich das Image einer Stadt wie München verändern, wenn Armut so sichtbar wird, wie in der perspektivlosen Lebenssituation der Roma. Zudem werde sich die Migration noch beschleunigen, wenn 2014 die letzten Beschränkungen bei der Freizügigkeit für Arbeitnehmer fallen.

Die Wohnungslosenhilfe habe davon schon im letzten Winter einen ersten Eindruck bekommen, erklärte Münster. "Unter Aufbietung aller Kapazitäten haben wir es gerade noch geschafft, in der Frostperiode alle Menschen unterzubringen." Es habe sogar "Stuhlschläfer" und Matratzenlager gegeben. Da keiner wisse, wieviele Menschen im Herbst kämen, tue die Stadt gut daran, weitere Plätze zu schaffen.

"Die eigentlich erschreckende Not ist aber nicht nur die Anzahl, sondern die Hoffnungslosigkeit der Menschen." Denn da die meisten keinerlei Leistungsansprüche hätten, könne man ihnen nur "Erfrierungsschutz und ein Rückfahrticket" bieten. Münster ist das zu wenig: "Auf die Lebenslage dieser hier um Hilfe suchenden Menschen hat die Wohnungslosenhilfe bisher keine wirkliche Anwort."

Der KMFV will deshalb zusammen mit MMM und der Caritas verlässliche Partner in Bulgarien suchen und die Situation der Roma dort erkunden, um darauf basierend Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

© SZ vom 11.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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