Jubiläum:Kellerkinder, die es geschafft haben

Jubiläum: Heimspiel: Linner & Trescher treten mit ihrer Impro-Comedy-Show beim Einstein-Jubiläum auf.

Heimspiel: Linner & Trescher treten mit ihrer Impro-Comedy-Show beim Einstein-Jubiläum auf.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Das Einstein Kulturzentrum feiert sein zehnjähriges Bestehen.

Von Oliver Hochkeppel, München

Angesichts der langen Reihe verlorener Spielstätten und der aktuellen Dauerbaustellen vom Gasteig bis zum Konzerthaus übersieht man gerne, dass es in München auch Musterbeispiele gelungener Kulturraum-Lösungen gibt. Das zehnjährige Bestehen des Einstein Kulturzentrums, das nun vom 13. bis 16. Oktober mit einem Festprogramm gefeiert wird, ist so eins. Denn lange war das riesige Kellergewölbe der ehemaligen Unionsbrauerei, das die Landeshauptstadt in den Neunzigerjahren geerbt hatte, ein echtes Problemkind.

Mehr als sieben Millionen Mark steckte man damals in die Renovierung, über die Hälfte des Betrags kam vom Bund, unter der Voraussetzung einer "soziokulturellen Nutzung". Und damit gingen die Probleme los. Von den ersten Mietern prosperierte einzig der Jazzclub Unterfahrt, nebenan lief lange fast alles schief. Weil sich, wie sich schnell herausstellte, die vier an einem Gang aufgefädelten Hallen schalltechnisch und von den Besucherströmen her nicht gleichzeitig bespielen lassen, weil die Betriebskosten viel höher lagen, und die Schwellenangst des Publikums viel größer war als gedacht. Zehn lange Jahre währte die Odyssee der Stadt, einen funktionierenden Betrieb zu installieren. Ein Konzept nach dem anderen scheiterte, alle möglichen städtischen Kulturgrößen wurden zwischenzeitlich zum Retter ausgerufen, von einer Initiative des lokalen Bezirksausschusses über den Hallenbetreiber Wolfgang Nöth bis zum Trachtenverein Isargau.

Viele feste Partnerschaften bilden die Basis des Zentrums

Bis schließlich der Unterfahrt-Vorstand die Faxen dicke hatte. Um die "Rahmenbedingungen für den eigenen Club zu sichern", wie man kundtat, gründete man eine eigenständige gemeinnützige Unternehmergemeinschaft, die das Areal übernahm. Nach einer durchaus schwierigen Anlaufzeit kam mit der erfahrenen Kulturmanagerin Vivian Peruth als Geschäftsführerin Zug in die Sache. Neben Konstanten wie dem KiM-Kino des Haidhausen-Museumsleiters Hermann Wilhelm oder den Improvisations-Konzerten des Vereins "Offene Ohren" gewann man weitere regelmäßige Nutzer von Impro- und Fremdsprachentheater über Literatur bis zu Ausstellern und Veranstaltern. "Da sind viele feste Partnerschaften entstanden, die die Basis des Zentrums bilden," wie Peruth sagt.

Davon zeugt auch das Festprogramm. Zur Eröffnung durch Kulturreferent Anton Biebl zeigt Hermann Wilhelm seine Ausstellung "Sputnik explodiert: Bilderwelten einer Haidhauser Kindheit in den 1950er und 60er Jahren" (bis 19. November) und lädt zu einem musikalischen Kneipenspaziergang durch das alte Haidhausen, bei dem zu Originalschallplatten getanzt werden kann. Danach darf das grandiose Duo FrauContraBass mit der Slixs-Mezzosopranistin Katharina Debus und dem Tango Transit-Bassisten Hanns Höhn ran. Weitere musikalische Höhepunkte liefern die hochtalentierte Pianistin, Komponistin und "Einstein"-Mitarbeiterin Shuteen Erdenebaatar, die hier ihr preisgekröntes Duo Lightville mit Nils Kugelmann einmal nicht am Bass, sondern an der raren Kontraalt-Klarinette präsentiert. Natürlich sind auch die "Offenen Ohren" dabei, und wie: Xpact mit dem Saxofonisten Stefan Keune, dem Gitarristen Erhard Hirt, dem Bassisten Hans Schneider und dem Perkussionisten und Elektroniker Paul Lytton, einst eine der wegweisenden Freejazz-Bands der frühen Achtzigerjahre, präsentiert sich nach fast 40 Jahren erstmals wiedervereint.

Neben einer musikalischen Brieflieder-Lesung mit Johannes Öllinger und Alois Prinz stehen die seit vielen Jahren hier beheimatete Impro-Show Linner & Trescher vom isar148 Theater (mit "Noch ein Jubiläum" zu ihrem 20-Jährigen), das Ensemble südsehen mit dem Stück "Traumfrau verzweifelt gesucht" sowie eine Lesung für Kinder aus Benedict Mirows "Die Chroniken von Mistle End 1" für die Theater- und Literatur-Komponente des Einsteins. Den krönenden Abschluss besorgt Chris Gall, einer der besten und vielseitigsten deutschen Jazzpianisten. Regelmäßig hat er im Einstein neue Projekte ausprobiert, nun kommt er mit seinem großartigen Trio mit Henning Sieverts am Bass und seinem Bruder Peter am Schlagzeug. Für alle Veranstaltungen gibt es auf der Homepage Freikarten, will doch Peruth für die kommenden, nicht nur fürs Einstein absehbar schwierigen Zeiten neues Publikum anlocken.

10 Jahre Einstein Kultur, Do., 13., bis So., 16. Okt., Einstein, Einsteinstr. 42, Tel. 416 17 37 95

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