Süddeutsche Zeitung

Einsatz im Innern:Bundeswehr wurde bei Amoklauf vorsorglich nach Einsatzmöglichkeiten gefragt

  • Die Bundeswehr bleibt dabei: Es habe keine offizielle Anfrage der Polizei oder der Landesregierung gegeben.
  • Ein Verbindungsoffizier, der den Münchner Krisenstab beraten sollte, sei vielmehr gefragt worden, ob und wie die Truppe helfen könne.
  • Die Grünen beklagen widersprüchliche Auskünfte aus dem Bundesverteidigungsministerium.

Von Christoph Hickmann und Susi Wimmer

Die Alarmbereitschaft der Bundeswehr am Abend des Amoklaufs von München ging auf eine Bitte aus dem städtischen Krisenstab zurück. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wurde am Freitagabend vor zwei Wochen an einen in der Sitzung des Krisenstabs anwesenden Vertreter der Bundeswehr die Frage herangetragen, ob die Bundeswehr etwas beitragen könne. Zu diesem Zeitpunkt war noch unklar, ob es sich um eine Terrorlage handelte und ob möglicherweise noch mehrere Täter in der Stadt unterwegs waren. Bislang hatte die Bundeswehr angegeben, dass es keine offizielle Anfrage vonseiten der Polizei oder der Landesregierung gegeben hatte.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte auf Anfrage, dass es sich dabei nicht um einen Widerspruch handle. Es habe keinerlei formale Anfrage an die Bundeswehr gegeben. Stattdessen sei es ein übliches Verfahren, dass Vertreter der Bundeswehr-Kreisverbindungskommandos den zivilen Behörden in Krisensituationen beratend zur Seite stünden. Dies sei ein bewährter Teil der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Am betreffenden Abend sei der Bundeswehr-Vertreter informell gefragt worden, ob und was die Truppe eventuell beitragen könnte.

Nach SZ-Informationen handelte es sich bei dem Vertreter um den Chef des Kreisverbindungskommandos, einen Oberstleutnant der Reserve. Bei der Frage, was die Bundeswehr leisten könnte, ging es demnach etwa darum, ob die Feldjäger, also die Militärpolizei der Truppe, dabei helfen könnten, den Verkehr zu regeln oder Absperrungen vorzunehmen. Außerdem ging es um Sanitätskräfte.

Der Oberstleutnant nahm daraufhin Verbindung zum bayerischen Landeskommando der Bundeswehr auf. Nacheinander eingebunden wurden dann das für Einsätze im Inland zuständige Kommando Territoriale Aufgaben sowie die übergeordnete Streitkräftebasis. Da es sich beispielsweise bei der Regelung des Verkehrs um eine hoheitliche Aufgabe gehandelt hätte, musste die Entscheidung über die Bereitschaft aber im Ministerium fallen. Nachdem Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ihm Prokura erteilt hatte, ließ Generalinspekteur Volker Wieker Soldaten des Feldjägerregiments 3 sowie Angehörige einer Sanitätseinheit in Bereitschaft versetzen.

Das Landeskommando stand ab 20.30 Uhr in Bereitschaft - bis zum frühen Morgen

Wie aus einem Schreiben des Verteidigungsministeriums an den Bundestag hervorgeht, stand der Kommandeur des Landeskommandos Bayern am betreffenden Freitagabend von etwa 20.30 Uhr an mit der bayerischen Staatskanzlei und dem bayerischen Innenministerium in Verbindung. Nach SZ-Informationen begann die Bereitschaft gegen halb zehn am Abend und wurde erst aufgehoben, als sich herausgestellt hatte, dass es sich um einen einzelnen Amokläufer gehandelt hatte.

Ministerin von der Leyen machte die Bereitschaft der Feldjäger am Tag danach öffentlich und löste damit eine neue Diskussion über Einsätze der Bundeswehr im Innern aus. Doch selbst im Fall eines Terroranschlags wären die rechtlichen Hürden für einen Einsatz der Truppe im Innern hoch. Die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger kritisierte, die Bundesregierung verstricke sich in Widersprüche darüber, "wie die Entscheidungen und die Kette an diesem Freitag genau abgelaufen sind". Dies lasse "nichts Gutes ahnen, wenn es um die geplanten Übungen zwischen Bundeswehr und Polizei geht".

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Quelle:
SZ vom 06.08.2016/sim
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