Einsatz gegen Griller eskaliert:"Brutale Gewalt von Polizisten"

Ein Einsatz des USK gegen einen Griller in München eskaliert: Die Polizisten malträtieren den Mann vor laufender Kamera - doch vor Gericht wird nur er verurteilt.

A. Krug

Die Bilder sind schockierend. Sie zeigen mehrere Polizisten, die auf einem halbnackten Mann knien. Sie pressen seinen Körper auf einen Kiesweg, Kopf und Hals liegen auf einer Bordsteinkante. Der Mann stöhnt vor Schmerzen, er windet sich und sucht der Umklammerung zu entgehen. Bei jeder Bewegung ruft der Beamte, der dies alles auf Video aufnimmt: "Da, schon wieder eine Widerstandshandlung" - und filmt weiter.

Einsatz gegen Griller eskaliert: Mit einer Videokamera filmte die Polizei ihren Einsatz am Feringasee.

Mit einer Videokamera filmte die Polizei ihren Einsatz am Feringasee.

(Foto: Foto: oh)

Schließlich wird der Mann auf die Knie gezerrt, die Hände hinter dem Rücken gefesselt muss er in die Kamera blicken. Es ist ein entwürdigendes Schauspiel. Der Mann ist nicht etwa ein Schwerverbrecher. Er hat lediglich da gegrillt, wo es nicht erlaubt ist. Und er hat nicht sofort seinen Ausweis hergezeigt.

Jan A., 46, ist gebürtiger Pole, lebt aber schon rund zwei Jahrzehnte in München und hat einen deutschen Pass. Er arbeitet als selbständiger Handwerker, mit der Justiz hatte er noch nie in seinem Leben zu tun. Jetzt sitzt er auf der Anklagebank im Amtsgericht, nervös und angespannt. Am 10. April dieses Jahres grillt er mit der Familie am Feringasee.

Es ist Karfreitag, ein Tag mit "Superwetter", wie sich Polizist Florian B. erinnert. "An solchen Tagen haben wir 15.000 Leute da", sagt er. Die Polizei will kontrollieren, ob niemand in den ausgeschilderten Verbotszonen grillt - ein hoffnungsloses Unterfangen. Florian B. macht per Megaphon Durchsagen, doch nur wenige Griller reagieren. Daraufhin fordert er Hilfe an. Ein Zug mit etwa 25 Mann vom Unterstützungskommando (USK) rückt an, eine Spezialeinheit der Bayerischen Polizei, die im Ruf steht, nicht gerade zimperlich zu sein.

Gegen 16 Uhr kontrollieren sie Jan A. und filmen dies. "Typisch deutsch", ist von einer genervten Besucherin zu vernehmen. Jan A. ist etwas angetrunken, 0,8 Promille werden später ermittelt. Er verwahrt sich gegen die Filmerei, seine Frau hält ihre Hand vor die Kamera. In seinem Land könne er sich benehmen wie er wolle, hier nicht, ist zu hören. Es soll die Stimme eines Beamten sein. "Fuck you" sagt Jan A. daraufhin.

Die Polizisten fordern seinen Ausweis, Jan A. sagt, den habe er im Auto. Zwei Beamten gehen mit ihm auf einem Kiesweg in Richtung Parkplatz. Auf dem Weg dahin soll Jan A. erklärt haben, er habe seinen Ausweis in der Hosentasche, wolle ihn aber nicht herzeigen. "Wir haben ihm unmittelbaren Zwang angedroht", behauptet ein Beamter. Und ordnungsgemäß belehrt habe er ihn auch. Als er ihm in die Gesäßtasche langen wollte, habe Jan A. seine Hand weggeschlagen und ihn weggeschubst.

Eine solche Szene ist auf dem Video nicht zu sehen, es fehlen exakt sechs Sekunden. In der nächsten Sequenz ist ein Gerangel zu sehen, bei dem Jan A. zu Boden gebracht wird. Mehrere Beamte knien schließlich auf dem 46-jährigen Familienvater. Eine empörte Passantin kommt hinzu, ruft: "Bitte lassen sie den Mann los. Ich bin Münchner Bürgerin." Die Polizisten verscheuchen sie: "Sie stören eine Amtshandlung." Die Personalien der Frau wurden nicht aufgenommen. "Das war doch nur eine G'schaftlhuberin", kanzelt ein Polizist die bis heute unbekannte Zeugin im Prozess ab.

Ein USK-Beamter erleidet bei der Aktion eine Daumen-Stauchung. Die Anklage gegen Jan A. lautet daher nicht nur auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung, sondern auch auf vorsätzliche Körperverletzung. Die Verteidiger Julia Weinmann und Andreas Fuchs sind entsetzt. Solch "brutale Gewalt von Polizisten" habe sie noch nie gesehen, sagt Weinmann.

Warum man den Hals des Wehrlosen noch extra auf eine Bordsteinkante presse? Wo die sechs Sekunden Filmmaterial seien? Wie ein auf dem Kiesboden fixierter und vor Schmerzen stöhnender Mann überhaupt noch Anweisungen erfüllen könne? "Ich möchte da nicht liegen", sagt sie.

Drei Zeugen, alles Polizisten

Amtsrichter Andreas Schätzl fährt ihr in die Parade. "Sie sind unsachlich", sagt er. "Zugegebenermaßen" handele es sich um eine "harte Behandlung" durch die Polizisten, doch das interessiere ihn nicht. "Es geht hier nur um den Angeklagten. Und da sehe ich eine Widerstandshandlung, eine Körperverletzung und eine Beleidigung." Im Übrigen habe er sich seine Meinung schon gebildet. Die Anwälte sind entsetzt. Kurz erwägen sie, einen Befangenheitsantrag zu stellen, lassen es dann aber: "Nutzt eh nichts."

Einsatz gegen Griller eskaliert: Die Bilder zeigen USK-Beamte, die einen Mann zu Boden bringen und dort fixieren.

Die Bilder zeigen USK-Beamte, die einen Mann zu Boden bringen und dort fixieren.

(Foto: Foto: oh)

Richter Schätzl hört sich drei Zeugen an, alles Polizisten. Ihre Aussagen sind deckungsgleich. Ihm reicht das. Anwalt Fuchs reicht das nicht. "Was wir hier sehen, ist ein äußerst brutaler Polizeieinsatz", sagt er. "Und warum? Weil eine Familie am erst schönen Tag im Jahr grillen möchte und der Mann nicht gleich seinen Ausweis herzeigt." Die Beamten hätten "jede Verhältnismäßigkeit" überschritten und offenbar "noch nie etwas von Deeskalation" gehört.

Die Staatsanwältin spricht von einem "lang andauernden Widerstand gegen die Staatsgewalt" und fordert 100 Tagessätze. Amtsrichter Schätzl braucht nur drei Minuten für seine Entscheidung. Er verurteilt Jan A. wegen Widerstandes, Beleidigung und Körperverletzung zu 90 Tagessätzen zu je 45 Euro Geldstrafe. Für ihn ist die Ursache eindeutig. "Null Respekt gegenüber Justiz und Polizei, damit hat alles angefangen", sagt er. Und: "Das Verteidigungsverhalten wird nicht zu Lasten des Angeklagten berechnet."

Die Anwälte kündigen umgehend an, Berufung einzulegen. Sie haben gegen fünf Polizisten Anzeige erstattet. Doch die Staatsanwaltschaft hat alle Verfahren eingestellt. Ein Nachweis "strafbaren Verhaltens" sei nicht "mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar", heißt es. Die Vorgehensweise der Polizisten sei "gerade noch verhältnismäßig". Weinmann und Fuchs wollen gegen die Einstellung Beschwerde einlegen. Gegen Richter Schätzl haben sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt.

Jan A. hat die ganze Zeit in seinem Prozess geschwiegen. Er hat Atteste vorgelegt über Schürfwunden, Prellungen und Stauchungen. Es sind nur äußere Verletzungen, die inneren sitzen viel tiefer.

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