Einbürgerungstest in München:"Die kennen sich besser aus als wir"

Beim Einbürgerungstest in München zeigt sich: Probleme mit den Fragen haben nur die wenigsten. War die ganze Aufregung umsonst?

Lisa Sonnabend

Nur zehn Minuten hat Schaner Balibey gebraucht, um seinem großen Ziel näher zu kommen - Deutscher zu werden. Er streift sich seinen grauen Wintermantel über, setzt seinen Filzhut auf und verlässt mit einem Grinsen den Prüfungsraum im Münchner Gasteig. Er hat gerade den Einbürgerungstest gemacht. "Es war viel zu leicht", sagt der 61-Jährige vor der Tür. "Ich habe wenigstens ein paar knifflige Fragen erwartet - aber nichts dergleichen."

Einbürgerungstest in München: Unterstützung von Mann und Tochter: Nazifa hat mehr als eine halbe Stunde für die Fragen gebraucht.

Unterstützung von Mann und Tochter: Nazifa hat mehr als eine halbe Stunde für die Fragen gebraucht.

(Foto: Foto: sonn)

Balibey kommt aus der Türkei. Seit 40 Jahren lebt er in München und arbeitet bei BMW. Nun will er die deutsche Staatsbürgerschaft - vor allem aus einem Grund: "Wenn ich mit meiner Frau verreisen will, brauche ich mit meinem türkischen Pass fast überall ein Visum." Der Einbürgerungstest, über den im vergangenen Sommer so heftig diskutiert wurde, ist für ihn nur eine leichte Hürde auf dem Weg zum deutschen Pass. "Ich habe die Fragen im Internet durchgearbeitet", sagt Balibey. "Die Vorbereitung hat mich nur 90 Minuten gekostet."

450 Personen aus mehr als 40 Nationen haben an diesem Freitag im Gasteig am Einbürgerungstest teilgenommen. Nur hier kann man in München den Test machen. Bestanden haben auch dieses Mal sicherlich fast alle.

Bei 98 Prozent liegt die Erfolgsquote laut dem Deutschen Volkshochschul-Verband derzeit in Deutschland. In sechs Wochen bekommen die Prüflinge das Ergebnis per Post mitgeteilt. Sollte jemand doch durchfallen, kann der Test beliebig oft wiederholt werden. Neben dem Einbürgerungstest müssen Ausländer auch einen Sprachtest bestehen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Im Stundentakt treffen sich jeweils 30 Teilnehmer in einem kleinen Saal im Erdgeschoss des Gasteigs. Einige kramen nervös in der Tasche, andere lehnen sich entspannt zurück. Eine Mitarbeiterin der Volkshochschule gibt die Fragebögen aus.

Rote, grüne und schwarze Pässe liegen auf den Tischen. Die Prüfungsaufseherin bittet, die Mobiltelefone auszuschalten, und erklärt die Formalien: Zu jeder Frage gibt es vier Antwortmöglichkeiten, nur eine ist richtig. Von den 33 Fragen müssen mindestens 17 richtig beantwortet werden. Die Fragen hat sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgedacht. Abschreiben bringt nichts, die Fragebogen sind individuell.

Im November beim ersten Test im Gasteig war ein 81-jähriger Bosnier dabei, erzählt VHS-Sprecherin Susanne Lößl. Im Raum sitzt diesmal ein Ehepaar aus der Schweiz, das die doppelte Staatsbürgerschaft will, aber es sind auch viele Afrikaner, Iraker oder Afghanen anwesend - für die das Bestehen weit größere Bedeutung hat.

Dann geht es los. Die Fragen drehen sich um die deutsche Geschichte, Verfassung und Kultur, drei davon um Bayern. Die Prüflinge müssen wissen, wie viele Bundesländer es gibt, welche Staatsform in Deutschland herrscht oder was mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist - Prügelstrafe, Folter, Todesstrafe, Geldstrafe?

Die Volkshochschule bietet mehrtägige Vorbereitungskurse für die Tests an, in denen die Fragen durchgegangen werden - das Wissen über Deutschland soll so vertieft werden. Doch den Vorbereitungskurs in München hat fast keiner belegt. Die meisten Prüflinge lernen im Internet für den Test, wo alle 310 möglichen Fragen aufgelistet sind. Ob die Teilnehmer die Fragen nur auswendig lernen und danach wieder vergessen - oder ob sie sich dadurch wirklich mit dem Thema auseinandersetzen?

VHS-Sprecherin Lößl sagt: "Die kennen sich besser aus als wir." Yao Mawuena aus Togo meint, wenn man regelmäßig Zeitung liest, sei es gar nicht nötig, für den Test viel zu lernen. Die Antworten kenne man auch so. Auch Farima, die seit elf Jahren in München lebt und die vielen Parks hier liebt, haben die Fragen keine Schwierigkeiten bereitet.

Nazifa aus Afghanistan dagegen sitzt nach einer halben Stunde immer noch im Prüfungsraum. Nur noch zwei andere Teilnehmer grübeln über die Fragen. Vor der Tür geht Nazifas Mann unruhig mit der kleinen Tochter Frohar auf dem Arm auf und ab. Endlich kommt Nazifa heraus, ihr Mann umarmt sie, die Tochter lächelt.

In gebrochenem Deutsch erzählt Nazifa, dass sie seit vier Jahren in München lebt. Es gefällt ihr hier, die Leute seien sehr nett. Nur die Sprache, die sei sehr schwierig. In zehn Minuten hätte sie den Test nicht geschafft, allein die Fragen zu lesen und zu verstehen, dauere viel länger. Nicht, wie viel man sich mit dem Land auseinandersetzt, entscheidet scheinbar darüber, ob man den Einbürgerungstest besteht - sondern wie gut man Deutsch kann.

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