Süddeutsche Zeitung

Einbahnstraßen werden wieder umgedreht:Schilder-Streit am Giesinger Berg

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In der Feldmüller-Siedlung ändert die Stadt zum zweiten Mal innerhalb von sechs Monaten die Verkehrsregeln. Warum die Debatte um Schleichwege und Sicherheit so erbittert geführt wird.

Von Julian Raff

Im Wohnquartier zwischen Tegernseer Landstraße und Giesinger Berg wird derzeit schnell zum Geisterfahrer, wer die aktuelle Beschilderung übersieht: Zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres ändert das städtische Mobilitätsreferat (MOR) die Einbahnrichtung für zwei Zubringerstraßen. Die Gietlstraße darf bis zur Unteren Grasstraße ab Ende April/Anfang Mai wieder nur aus der Tegernseer Landstraße heraus in westlicher Richtung befahren werden, wie dies bis Ende 2022 der Fall gewesen war. Die Aignerstraße wird als Verbindung zwischen Icho- und Gietlstraße wieder in die alte Nord-Süd-Richtung zurückgedreht, also Richtung Ichostraße.

Das behördliche Hin und Her in der Feldmüllersiedlung bleibt, verglichen mit dem Skandal um den Abriss des Uhrmacherhäusls, ein höchstens mittelschwerer Aufreger - umso mehr spaltet es aber die Anwohner, zumal sie es selbst mit Eingaben beim örtlichen Bezirksausschuss angestoßen hatten. Dort hatten sich immer wieder Anlieger über massiven Schleichverkehr durch ihre engen Straßen beklagt: Als Nord-Süd-Bypass zur oft verstopften, hier durch drei Ampeln geregelten Tegernseer Landstraße ("Tela") wurde die Route durch die Feldmüllersiedlung auf Google empfohlen und entsprechend genutzt.

Die Lokalpolitiker hatten daraufhin im Oktober 2021 die aktuelle Einbahnregelung gefordert - als Kompromiss, nachdem man sich nicht auf die von den Grünen geforderte Fahrradzone einigen konnte. Die Behörde kam dem Wunsch relativ zügig nach und änderte die Beschilderung im Spätherbst 2022 im Rahmen eines einjährigen Verkehrsversuchs. Den hat das Referat nun vorzeitig abgebrochen, nachdem eine Bürgerinitiative mehr als 600 Unterschriften gegen die Neuregelung gesammelt und eine Anwohnerin beim Verwaltungsgericht geklagt hatte. Einem Richterspruch kam die Behörde aufgrund der Proteste zuvor, auch wenn die Regelung der Verkehrsberuhigung im Viertel "zuträglich" gewesen sei, so eine Referatssprecherin.

Der eingereichten Klage gegen die Neuregelung könnte eine Gegenklage folgen

Die Gegner fühlen sich überrumpelt. Sie kritisieren den Zeitverlust bei der Einfahrt in ihr Viertel, aber auch auf dem Weg hinaus, da sich der Abbiegeverkehr in die Tela nun in die Gietlstraße zurückstaut. Hauptsächlich an der gassenartig engen, von Mini-Gehsteigen gesäumten Aignerstraße wohnen dagegen die Verteidiger der neuen Einbahnrichtung. In ihrem Namen weist Anwohner Martin Weber unter anderem darauf hin, dass der Weg zur Ichoschule nun sicherer geworden sei.

Noch mehr Schleichverkehr als zuvor befürchten Weber, seine Nachbarn und die Bezirksausschuss-Vorsitzende Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne), wenn erst einmal alle Wohnungen auf dem früheren Paulanergelände in der oberen Au voll bezogen sind. Die Bewohner würden dann bei Stau auf der Tela wohl gleich die ganze Strecke westlich umfahren. Die aus seiner Sicht "vertane Chance" auf rechtliche Prüfung will Weber, selbst Jurist, notfalls mit einer eigenen Klage herbei führen. Autofahrer werden also vielleicht auch künftig darauf achten müssen, was aktuell gilt.

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