Ein Jahr nach dem Isarmord:Spuren ins Nichts

Blumen zum Gedenken an den Ermordeten, der an der Isar einem Messerstecher zum Opfer fiel in München, 2013

Nach dem Mord erinnern Blumen und Karten am Tatort an das Opfer.

(Foto: Robert Haas)

Vor genau einem Jahr ist ein Mann an der Isar erstochen worden. Seither hat die Polizei 600 Hinweise und 14.000 Personen überprüft - ohne den Mörder zu finden. Den Ermittlern bleibt nicht mehr viel Zeit.

Von Florian Fuchs

Die Behörden haben inzwischen reagiert. Auf Bitten der Polizei hat das Baureferat an der Erhardtstraße zwischen Ludwigsbrücke und Reichenbachbrücke elf neue Leuchten installieren lassen, die besonders breit strahlen. Der vormals düstere Fuß- und Radweg an der Isarstraße, an dem vor genau einem Jahr ein 31-Jähriger erstochen wurde, ist jetzt gut ausgeleuchtet. Das Verbrechen selbst dagegen bleibt rätselhaft.

Am sogenannten Isarmord ermitteln bis heute täglich acht Beamte, auf den Täter aber gibt es keinen vielversprechenden Hinweis. Selten haben die Ermittler des Präsidiums so viel investiert, um einen Fall aufzuklären. Immer noch haben die Fahnder etwa 2000 Personen und eine Vielzahl von Spuren, die sie überprüfen müssen. Wenn aber diese Arbeit in zwei bis drei Monaten ohne Ergebnisse beendet ist, wird die Ermittlungsgruppe aufgelöst. Der Mord geht dann zu den Akten der Altfälle.

Mehr als 600 Hinweise, Speicheltest für 4700 Personen

Nach einem Jahr Fahndung hat die Polizei 14 000 Personen überprüft. "Wir hatten noch nie einen Fall mit einer solchen Zahl", sagt der Leitende Kriminaldirektor Frank Hellwig, zu dessen Kriminalfachdezernat auch die Mordkommission gehört. Bis Dezember arbeitete die "Soko Cornelius" mit 30 Leuten, um die Tat aufzuklären.

Als die Hinweise zu dieser Zeit spärlicher wurden und eine Vielzahl von Spuren abgearbeitet war, ohne ein konkretes Ergebnis zu liefern, löste die Kriminalpolizei die Soko auf und gründete eine Ermittlungsgruppe mit acht Mitarbeitern. Die Fahnder sind mehr als 600 Hinweisen nachgegangen, sie haben mehr als 4700 Personen, die sich zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts aufgehalten haben und zum Beispiel kein Alibi hatten, einem Speicheltest unterzogen.

Bislang war alle Mühe ohne Ergebnis, dennoch sagt Hellwig: "Wir sind immer noch hungrig, es ist kein Frust zu spüren bei der Mordkommission." Es habe selten einen Fall gegeben, der auch die Ermittler emotional so berühre. Offenbar gab es keine Vorbeziehung zwischen Täter und Opfer, ein Motiv ist nicht erkennbar. "Dieses Ansatzlose, mit diesem Vernichtungswillen, das ist äußerst ungewöhnlich", betont Hellwig.

Die Polizei steht weiterhin in engem Kontakt mit der Verlobten des Opfers, um sie über den Stand der Ermittlungen zu informieren. Die 28-Jährige war damals mit ihrem Partner gegen 22 Uhr die Erhardtstraße entlang geradelt, das Paar befand sich gerade auf dem Heimweg. Auf Höhe des Europäischen Patentamts spuckte der Täter die 28-Jährige unvermittelt an, als sie an ihm vorbeiradelte. Die Frau schloss zu ihrem Verlobten auf, der vorausgefahren war, und erzählte ihm von dem Vorfall. Der 31-Jährige machte kehrt und stellte den Unbekannten zur Rede. Die 28-Jährige beobachtete aus 50 Metern Entfernung, wie sich zunächst ein Wortgefecht entwickelte, dann eine Rangelei - und wie ihr Verlobter plötzlich zusammensackte. Der Mann hatte dem 31-Jährigen mit einem Messer ins Herz gestochen und war dann zur Corneliusbrücke geflüchtet.

"Wir sind uns sicher, dass wir diesen Fall noch lösen werden"

Der Täter muss sich bei der Attacke selbst geschnitten haben, die Polizei fand eine Blutspur. Hunde verfolgten die Spur, jedoch ohne Ergebnis. Wenigstens gelang es den Ermittlern, aus dem Blut die DNA des Mannes zu gewinnen. Doch offenbar war er noch nie straffällig geworden, keine Datenbank im Inland oder im Ausland lieferte einen Treffer.

Die Polizei schaltete Profiler ein und hoffte auf Hinweise aus der Bevölkerung. Sie befragte Taxifahrer und Ärzte, ob sie einen Fahrgast oder Patienten mit Schnittverletzung hatten. Sie versuchte es vergeblich mit der TV-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst". Selbst eine Täterbeschreibung war kompliziert zu erstellen: Die Verlobte stand in 50 Metern Entfernung, als die Tat geschah, und damals war es noch düster auf diesem Abschnitt der Erhardtstraße. Die 28-Jährige konnte nicht erkennen, ob der Mann dunkle oder helle Haare hatte.

"Wir sind uns sicher, dass wir diesen Fall noch lösen werden", sagt Hellwig. Die Vielzahl der Spuren, Hinweise und Personen, die es zu überprüfen gilt, macht ihm Hoffnung. 2000 noch zu befragende Personen, so viele gibt es in den meisten anderen Mordfällen insgesamt nicht. Wenn der Täter irgendwo auffällig und seine DNA in das System der Polizei eingespeist wird, meldet der Computer automatisch einen Treffer. Allerdings, räumt die Polizei ein, kann es sein, dass der Täter gar nicht aus München kommt. Vielleicht lebt er in einem Land, in dem die deutsche Polizei die DNA-Spuren nicht abgleichen kann.

Der Isarmord wird ein Jahr nach der Tat wohl bald zu den Altfällen gehören. "Aber auch diese Fälle werden regelmäßig hervorgeholt und neu begutachtet", sagt Hellwig. Die Ermittler gleichen dann noch einmal die Fahndungsergebnisse ab und überprüfen sie auf Details, die vielleicht übersehen wurden. Und sie hoffen auf neue Ermittlungsmethoden, die ihnen helfen, den Täter doch noch zu überführen.

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