Süddeutsche Zeitung

Ehrenamt:Ganz viele Steinchen fürs Mosaik

Auf der Freiwilligenmesse will die Förderstelle für Bürgerschaftliches Engagement zeigen, wie vielfältig Ehrenamtliche sich einbringen können. Ein Schwerpunkt liegt auf der Flüchtlingshilfe

Von Sven Loerzer

Angefangen hat alles damit, dass Safiétou Faye in ihrem Heimatland Senegal in Westafrika nicht zur Schule gehen durfte. "Ich war nicht gemeldet", erzählt die 35-Jährige. Etwa 20 Prozent der Kinder dort würden nicht eingeschult. Und von den anderen schließt etwa die Hälfte die Grundschule nicht ab, meist, weil die Eltern wollen, dass die Mädchen und Jungen ihnen bei der Arbeit helfen. "Viele Kinder und Jugendliche sehen keine Zukunft in ihrem Land", sagt Faye, die vor zehn Jahren in die Bundesrepublik kam, in geschliffenem Deutsch. Erst war sie als Au-Pair da, dann hat sie studiert, Sprachwissenschaft, Medien und Kommunikation: "Ich habe Fuß gefasst, jetzt ist es an der Zeit, etwas für mein Land zu tun."

Vor gut einem Jahr gründete sie den Verein "Sunu Dome" (Unser Kind), um Kindern in Senegal den Weg zur Bildung und zu einer besseren Zukunft zu ebnen. "Wir bauen gerade ein Kinder- und Jugendzentrum, in dem wir Vorschulkinder darauf vorbereiten wollen, dass in der Schule französisch gesprochen wird", was eben nicht die Sprache im Elternhaus ist. Der Verein sucht dringend "helfende Hände", um künftig noch weitere Angebote finanzieren zu können, wie etwa Nachhilfe. Safiétou Faye wird deshalb mit einem Stand bei der Münchner Freiwilligenmesse an diesem Sonntag im Gasteig vertreten sein, um Ehrenamtliche zu werben.

"Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft - freiwilliges Engagement vor Ort und weltweit", unter diesem Motto steht die Veranstaltung, mit der die Förderstelle für Bürgerschaftliches Engagement (Föbe) zum zehnten Mal Anregungen bieten will, eine "sinnhafte Tätigkeit" zu finden. Um ein "Mosaikstein für soziale Gerechtigkeit" zu sein, wie es Föbe-Leiterin Gerlinde Wouters ausdrückt.

Was der Einzelne leisten kann, wenn er sich mit anderen zusammentut, das zeigte sich in München, als die vielen Züge mit Flüchtlingen ankamen. "München hat eine starke Zivilgesellschaft, die nicht nur wachsam ist, wenn rechte Strömungen auftauchen, sondern auch anpackt, wenn Hilfe nötig ist", sagt Wouters. "Wir sind stolz auf die Flüchtlingshelfer in München, die sich am Hauptbahnhof engagiert haben und jetzt auch mit einem Stand auf der Messe vertreten sind." Sie könnten zeigen, wie es gelingt, etwa 4500 Freiwillige über Facebook-Gruppen im Internet zu organisieren, um die Flüchtlinge am Bahnhof zu versorgen. Künftig dürfte aber eine andere Aufgabe im Vordergrund stehen: "Wir brauchen ganz viele Helfer für die Integration", sagte Wouters.

Auch wenn in diesem Jahr Organisationen, die sich um Flüchtlinge kümmern oder sich darum bemühen, in den Herkunftsländern Ursachen wie Armut und Ungerechtigkeit abzubauen, einen Schwerpunkt der Messe bilden, versucht Föbe, einen Querschnitt durch die Szene mit mehr als 500 Organisationen zu geben. Unter den 80 Ausstellern sind Initiativen, die sich um Kinder und Jugendliche kümmern, um Senioren ebenso wie um Umweltthemen. Wouters hofft, diesmal den Besucherrekord von knapp 6000 im Vorjahr sogar noch zu übertreffen. Viel mehr ist aber auch nicht drin, da mussten zeitweise schon die Türen geschlossen werden. Mehr Platz wird es erst im nächsten Jahr geben, wenn sich die Messe bis zur Philharmonie ausdehnen kann. Auch wenn rund 40 Organisationen diesmal nicht zum Zug kamen, will Föbe in etwa bei der Ausstellerzahl bleiben, um die Besucher nicht zu überfordern.

Für die Entwicklungsorganisation Oxfam hat sich die Teilnahme vor einem Jahr gelohnt: Für die vier Münchner Oxfam Shops, die gespendete, gut erhaltene Gebrauchtwaren verkaufen, brachte die Messe 30 neue Mitarbeiter. Sie arbeiten ehrenamtlich. "Die Shops erwirtschaften Geld, um es in Entwicklungsprojekte in 100 Ländern zu stecken", sagt Heide Schönwetter, 70, die sich früher um das Personalwesen eines größeren Konzerns gekümmert hat und jetzt ehrenamtlich für Oxfam arbeitet. Mit dieser Aufgabe fühlt sich auch der Immobilienwirt Mauri Fischbein, 59, am richtigen Platz: Es komme darauf an, "etwas Gutes zu tun, um die Welt ein bisschen besser zu machen und etwas von dem Glück zurückzugeben, hier geboren zu sein".

Die zehnte Münchner Freiwilligenmesse wird Bürgermeisterin Christine Strobl am Sonntag, 24. Januar, um zehn Uhr im Gastig, Rosenheimer Straße 5, eröffnen. Die Schauspielerin Michaela May berichtet über ihren Einsatz als Botschafterin für die Welthungerhilfe. Wer nicht weiß, in welchem Bereich er sich engagieren soll, kann sich auch von den Freiwilligenagenturen beraten lassen. Die Messe dauert bis 17 Uhr, der Eintritt ist frei.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2016
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