Süddeutsche Zeitung

Ehemaliger Gewerbehof:Schwelgen in Visionen

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Die Geschwister Nicola und Markus Ballauf erläutern bei einer Infoveranstaltung vor rund 100 Anwohnern, welche Pläne sie für den ehemaligen Gewerbehof an der Zschokkestraße verfolgen

Von Andrea Schlaier, Laim

Es sollte ein Abend der Visionen werden. Dem Traum vom besseren Wohnen in einer zunehmend enger und gereizter werdenden Stadt. Und von einer Behausung für viele, in der Begegnung gefördert wird auf ausreichend - auch grünem - Raum. Ein Platz der Inspiration und Identifikation. Zum schwelgerischen Brainstorming vor Publikum hat jetzt ein Unternehmerduo an einen der unschillerndsten Orte Laims geladen: den abbruchreifen Gewerbehof an der Zschokkestraße 36. Die Geschwister Nicola und Markus Ballauf, Nachkommen alten Laimer Grundstücks- und Gasthausadels, deren Vorfahren hier einst ihre Felder bewirtschafteten, packten vor etwa 100 Anwohnern ihre Visionen aus.

Real werden sollen zumindest einige davon auf dem 10 000 Quadratmeter Gelände des Gewerbehofs aus den 1960er Jahren. Noch steckt das Projekt im frühen Baustadium. Die Geho-West, wie das Immobilienunternehmen der Ballauf-Geschwister heißt, lässt bei der Lokalbaukommission (LBK) gerade erst innerhalb des Vorbescheid-Verfahrens prüfen, welches Volumen hier überhaupt auf Grund gesetzt werden darf. 300 Appartements sollen es bis 2022 werden, für den Mittelstand, je zur Hälfte Miet- beziehungsweise Eigentumswohnungen, die Ballaufs sprechen von der "Laimer Mischung". Dazu kommt eine Tiefgarage mit 280 Plätzen. Sehen will die Familie ihr Vorhaben als Ergänzung zum künftigen Neubaugebiet auf der anderen Seite der Zschokkestraße, dem einstigen Tramdepotgelände mit mehr als 1000 genossenschaftlichen und geförderten Wohnungen.

Den ersten, längst genehmigten Vorbescheid haben die Ballaufs verworfen. Zum einen wohl auch, weil es wegen des Bauvolumens deutliche Kritik sowohl vom örtlichen Bezirksausschuss als auch den unmittelbaren Nachbarn gab. Zum andern, sagt Markus Ballauf, habe man festgestellt, dass in Sachen Wohnen "die Politik die Bedürfnislage nicht mehr abdecken kann". Deshalb wolle man nach mittlerweile 16-jähriger Planungszeit das gesamte Thema noch einmal vollkommen "neu denken. Unser Glück ist, dass wir mehr Zeit haben als andere". Deshalb seien für diesen Abend die direkten Nachbarn eingeladen: "Wir wollen mal schauen, was die Menschen, die hier leben und die hier leben wollen, wirklich für Bedürfnisse haben."

Eineinhalb Stunden müssen die an diesem Abend zunächst den Bauherren zuhören, die sich für dieses Projekt mit der Baywobau und Investa zusammengetan haben. Markus Ballauf referiert die eigene Suche nach einer urbanen Behausung für eine sich extrem wandelnde Gesellschaft und ihre Bedürfnisse nach alternativen Mobilitätsformen. Und er erzählt vom Versuch, gemeinsam mit Fachleuten der LBK neue Wege auszuloten. Dass beherztes Fantasieren zum Erfolg führen kann, haben er und seine Schwester auf dem Gelände unlängst mit ihrem künstlerischen Zwischennutzungsprojekt "Z Common Ground" gezeigt. Tausende Münchner strömten über Wochen ins Haus, das von den Kammerspielen bis zum lokalen Jugendklub unzählige Genres als Plattform nutzten.

Damit ist nun Schluss. "Jetzt wird's laut und schmutzig." Geho-Geschäftsführer Richard Rüdt sagt das an dem Abend und leitet über in den nüchternen Alltag. Noch im August soll mit der Entkernung begonnen werden, dann wird bis Dezember abgerissen. Anfang 2020 soll die Baugrube ausgehoben werden. Als Gebäudeklammer zieht sich nach aktuellen Plänen von Nordwesten künftig ein zusammenhängender Wohnkomplex bis in die südöstliche Ecke des Grundstücks. Zur Wilhelm-Riehl-Straße soll der Körper durch zwei losgelöste Solitärbauten aufbrechen und Durchlässigkeit zu den alteingesessenen Nachbarn herstellen. Nach Norden geht es sechs Geschosse nach oben, zur Zschokkestraße will man auf acht erhöhen. Eine Kita soll's hier genauso geben wie Grünflächen im Zentrum.

Ob Bäume fallen, Asbest im alten Haus verbaut und Weltkriegsbomben im Grund lagern, wollen schließlich die Anwohner ganz unvisionär wissen, als sie an der Reihe sind. Rüdt gibt "nach aktuellen Erkenntnissen" für alle Fälle Entwarnung. Und vermeldet die eigentliche Hürde für die Visionäre: "Jetzt müssen wir eine vernünftige Planung auf den Weg bringen, die genehmigungsfähig ist."

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Quelle:
SZ vom 13.07.2019
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