Ehe für alle:Sehnsucht nach dem Jawort

Ehe für alle: Inzwischen hat Hannah zwei Mütter: Stephanie (links) und Veronika Bremora. Das war nicht immer so.

Inzwischen hat Hannah zwei Mütter: Stephanie (links) und Veronika Bremora. Das war nicht immer so.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Ehe für alle ist beschlossen - und für viele schwule und lesbische Paare erfüllt sich ein Traum. Drei Beispiele aus München.

Von Lisa Settari

Der Bundestag hat die Ehe für alle beschlossen, die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. In der schwul-lesbischen Community jubelten viele schon vor der Entscheidung. Schließlich erfüllt sich für viele Paare ein Traum. Was bringt die Ehe für alle mit sich? Drei Beispiele aus München.

Von Anfang an zwei Eltern

13 Monate ist Hannah nun alt, sie und ihre Krabbelgruppen-Kollegen interessieren sich natürlich überhaupt nicht für das, was da in Berlin gerade passiert. Ganz anders ist das bei den Eltern, auch bei Hannahs Mama Veronika und ihrer Mami Stephanie aus Sendling. Die Whatsapp-Gruppe der Krabbelgruppen-Eltern lief kurz vor der Entscheidung über, jemand verkündete, der Sekt sei schon kaltgestellt, um die langersehnte Ehe für alle zu feiern. Die vereinfacht die Familienplanung von Veronika und Stephanie Bremora um einiges. Hannah soll nämlich ein Geschwisterchen bekommen, und so können sich die Bremoras den Umweg der Stiefkindadoption sparen.

Die ersten zehn Monate ihres Lebens hatte Hannah nur ein Elternteil. Stephanie Bremora hatte sie geboren und galt daher nach deutschem Recht als Mutter, obwohl die Eizelle von Veronika gespendet worden war. Der biologische Vater der Kleinen ist ein anonymer Samenspender aus Spanien, somit steht auf der Geburtsurkunde "Vater: unbekannt". Um ihre - genetisch gesehen - eigene Tochter adoptieren zu können, standen für Veronika Bremora Besuche beim Notar, Familiengericht und Jugendamt an, ein "Lebensbericht" und allerlei Unterlagen mussten eingereicht werden, es folgte der Hausbesuch einer Jugendamtsmitarbeiterin.

Die Bremoras betonen aber, dass ihr Fall vergleichsweise zügig bearbeitet und abgeschlossen worden sei. Die Gleichstellung homosexueller Paare könnte nun zur Folge haben, dass Kinder wie Hannah von Anfang an zwei Eltern haben - die Mutter, die das Kind geboren hat, und deren Ehefrau, solange der biologische Vater die Vaterschaft nicht anerkennt.

Ganz abgesehen davon freuen sich Veronika und Stephanie Bremora auch über ein Ende der Spezialkategorien und vor allem der kühlen beamtendeutschen Wortschöpfungen, wie sie sagen. Als sie sich 2015 verpartnerten, klang der im Standesamt verlesene Text merkwürdig. "Für uns war das natürlich immer eine Hochzeit, eine Ehe und so weiter", sagt Stephanie Bremora. Nun wollen sie eine Änderung ihres Familienstandes beantragen: von verpartnert zu verheiratet. Und eine Hoffnung geben die Katholikinnen noch nicht auf, die Hoffnung, dass irgendwann auch die Kirche ihren Standpunkt ändert.

Froh, aber nicht dankbar

Natürlich sagen Jürgen Enninger und Christian Mutzel übereinander "mein Mann" und nicht "mein eingetragener Lebenspartner", natürlich tragen sie Ringe. Seit 24 Jahren sind die beiden zusammen, seit 15 Jahren sind sie verpartnert und offiziell eben nicht verheiratet. "Wir leben wie richtige Spießer", scherzt Enninger. Und trotzdem sah er sich bislang um sein Recht auf Normalität gebracht.

Bald nachdem 2001 die eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare möglich wurde, haben sich Enninger und sein Partner entschieden, den rechtlichen Schutz für ihre Partnerschaft anzunehmen, der eben geboten wurde. "Das war für mich aber nie mehr als eine vorübergehende Notlösung", sagt Enninger. Er wünsche sich schlicht einen einzigen rechtlichen Rahmen für eine auf Liebe basierende Verbindung zweier Menschen. Die endgültige Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe sei schließlich weder eine Beschneidung der Rechte heterosexueller Ehepaare noch ein Kniefall vor der patriarchalischen Gesellschaft, wie es als Argument aus der linken Ecke zu hören sei.

Damit, dass die Ehe für alle nun wirklich kommt, erfüllt sich für Enninger, der das städtische Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft leitet, eine Sehnsucht. Aber dankbar sei er nicht, sagt er, Dankbarkeit sei nicht angebracht. Schließlich werde mit der Ehe für alle endlich ein Grundrecht erfüllt, es handle sich ja nicht um einen Gefallen oder ein Geschenk. Wäre sie vor zehn oder 20 Jahren möglich gewesen, hätten Enninger und Mutzel wahrscheinlich auch adoptiert. Mittlerweile, sagt Enninger, sei der Zug abgefahren. Er und sein Partner wüssten es zu schätzen, dass sie selbst junge Eltern hatten - und sie seien jetzt beide schon Ende 40.

Die Lebenspartnerschaft als "Ehe zweiter Klasse"

Endlich akzeptiert

"Ich merkte, dass die Zeit reif dafür wurde" - das antwortet Sabrina K. auf die Frage, ob sie die Entwicklung der vergangenen Tage überrascht habe. Dass es plötzlich so Schlag auf Schlag kommen würde, damit hatte sie jedoch nicht gerechnet. Auch Sabrina K. findet, dass man den Menschen, die auf eine Gleichstellung homosexueller Paare so lange hingearbeitet haben, dankbar sein müsse, nicht aber dem Staat, der endlich allen die gleichen Rechte zugestehe - unabhängig vom Geschlecht.

Persönlich hat Sabrina K. die eingetragene Lebenspartnerschaft als eine "Ehe zweiter Klasse" empfunden: "Ich habe mich nach meiner Verpartnerung vor einigen Jahren weiterhin diskriminiert gefühlt." Auf manchen Formularen gab es die korrekte Ankreuz-Option nicht, sondern nur "verheiratet" oder "ledig". Und als K. und ihre damalige Partnerin beschlossen, die Partnerschaft aufzuheben, glich das in puncto Aufwand und Kosten dann doch einer Scheidung.

Seither war die eingetragene Partnerschaft für Sabrina K. kein Thema mehr, wie sie sagt, im Gegensatz zur Ehe. Nach dem Motto: Entweder ganz oder gar nicht. Zurzeit lebt sie in einer festen Beziehung. Und schmiedet sie nun Hochzeitspläne? "Mal schauen", sagt sie und lächelt. Es gehe ihr ja auch nicht um die eigene Lebensplanung, sondern darum, dass gleichgeschlechtliche Paare frei entscheiden können, ob sie nun heiraten wollen oder nicht.

Insgesamt fühlt sich Sabrina K. wohl in München, sie ist in einem Chor, einem Orchester und einem Tanzverein für Homosexuelle aktiv. Die Rosa Liste im Stadtrat, Zentren wie das Sub an der Müllerstraße - all das spricht in ihren Augen für die Offenheit der Stadt. Aber sie habe auch hier skeptische Blicke, blöde bis homophobe Äußerungen erlebt, auch am Arbeitsplatz. Ein heikles Thema - auch deshalb will Sabrina K. ihren Namen nicht veröffentlicht sehen. Und sie glaubt: Die Ehe für alle werde allgemein zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz homosexueller Menschen führen.

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