Münchner Eishockey:Dem Triumph folgten stets Totalschäden - bis die Millionen aus Österreich sprudelten

Fußball vs Eishockey Gerd Müller BR Deutschland FC Bayern München und Jiri Holik CSSR werben; Für Thema des Tages "Eishockey in München" (5. Februar 2019)

"Bomber" Gerd Müller machte 1975 Werbung für die Eishockey-WM.

(Foto: Fred Joch/imago)
  • Der EHC Red Bull München steht am Dienstag im Finale der Champions League.
  • In den vergangenen Jahren folgten beim Münchner Eishockey den Erfolgen Ernüchterung - die Tradition finanzieller Kapriolen ist lang.
  • Nun hat Red Bull viel Geld in den Standort gepumpt. Seitdem ist Stabilität im Münchner Eishockey eingezogen.

Von Johannes Schnitzler

Es war nicht der spektakulärste Transfer in der Geschichte des FC Bayern und ganz sicher nicht der lukrativste. 135 000 Mark gab es damals in die Vereinskasse, und für diese nach heutigen Maßstäben geradezu lächerliche Summe bekam der Vertragspartner eine ganze Mannschaft. 1969 verkloppten die Münchner ihre komplette Eishockey-Abteilung an den Bundesliga-Konkurrenten Augsburger EV. Schlittschuhe, Schoner und Schläger gab es gratis dazu.

Das Geschäft dürfte ganz im Sinn eines gewissen Ulrich Hoeneß gewesen sein, der damals zwar noch nicht als Manager am Weltklub FC Bayern arbeitete, sondern als begabter Fußballer und Torschützenkönig der TSG Ulm 1846 an seiner eigenen Prominenz. Von Hoeneß ist aber überliefert, dass er mit dem Puckgeschubse nicht viel anfangen kann. Den Beschluss, die Abteilung aufzulösen, hatten der damalige Präsident Wilhelm Neudecker und der Technische Direktor Robert Schwan getroffen, der sich danach auf seine Mission konzentrierte, den FC Bayern auf den deutschen Fußballthron zu hieven und aus dem Giesinger Bub Franz Beckenbauer einen Kaiser zu modellieren. Die Begründung für den Verkauf der ungeliebten Eishackler: "nicht ligafähig".

In der bibeldicken Chronik des FC Bayern blieb die Eishockey-Bundesliga ein schmales Kapitel. Erst im Januar 1966 hatte sich der Münchener Eislauf-Verein von 1883 (MEV) der neugegründeten Abteilung angeschlossen; noch im selben Jahr gelang dem FC Bayern unter dem späteren Garmischer und Rosenheimer Meistertrainer Jano Starsi der Aufstieg in die höchste Spielklasse. 1967 gewannen sie den DEV-Pokal, 1968 kauften sie dem ESV Herrsching dessen Mannschaft ab, samt Nachwuchs, für 15 000 Mark. Profis wie Nationalspieler Leonhard Waitl aus Füssen oder der Garmischer Georg Kink flitzten für den FCB übers Eis der nagelneuen Olympia-Eishalle, neben dem Fernsehturm der erste Vorbote der Olympischen Spiele 1972. Die Saison 1968/69 aber endete mit einem sechsstelligen Minus. Und Schwan zog einen roten Schlussstrich. Mit den 135 000 Mark aus Augsburg hatte er zumindest das Schuldenloch gestopft.

v li Michael WOLF M JJason JAFFRAY M Yannic SEIDENBERG M mit Pokal Trophaee Cup Siegerehrung; Eishockey

Meister-Münchner: Der EHC Red Bull ist mit drei Titeln (2016-2018) der erfolgreichste Klub der Stadt.

(Foto: Sven Simon/imago)

Eishockey hat in der Fußballstadt München eine lange Tradition. Im Jahr 1900 nahm der Männer-Turnverein von 1879 (MTV) als Erster die Sportart unter seinem Dach auf. Das erste Spiel nach den heute noch gültigen Grundregeln fand 1909 statt: Der MEV besiegte den Innsbrucker EV 15:6. Auch beim TSV Jahn, dem Münchner SC, dem SC Monachia, dem Bayerischen Sportklub München, bei Wacker und dem Rollerclub, später beim ESC und beim HC 98 ging man der Leibesübung mit Puck und Schläger nach. Gespielt wurde auf Natureis, auf dem Kleinhesseloher See, im Prinzregentenstadion oder auf dem "Schachterleis", der ersten überdachten Kunsteisfläche an der Galeriestraße. Drei Mal, 1975, 1983 und 1993, war die Stadt Austragungsort einer WM, von 2009 bis 2014 war der Olympiapark außerdem Schauplatz für den Deutschland Cup.

Eine ebenso lange Tradition haben allerdings finanzielle Kapriolen im Münchner Eishockey. Die erste Zäsur kam nach dem Ersten Weltkrieg. 1922 holte sich der MTV mit dem Sieg gegen Serienmeister Berliner SC völlig überraschend die deutsche Meisterschaft. Ein Jahr später liefen die Spieler aber zum neu gegründeten SC Riessersee über. 1924 löste der MTV seine Abteilung auf. Auch vom MEV wechselten viele Spieler nach Garmisch. Dennoch hielt sich der MEV in der nationalen Spitze - bis sich die Abteilung 1966 dem FC Bayern anschloss.

Der nach seinem Geburtsjahr benannte EHC 70 wurde für viele ehemalige Bayern-Spieler, die in Augsburg nicht gebraucht wurden und anderswo keinen Platz fanden, zum Auffangbecken. 1976 fusionierte der Klub mit den verbliebenen Mitgliedern des MEV - und stieg 1980 in die Bundesliga auf. Allerdings konnte er sich dort nicht halten. 1982 ging der EHC 70 pleite.

Rekordmeister unter dem Radar

Sie sind vermutlich der am wenigsten bekannte Rekordmeister der Region: die Frauen des ESC Planegg. Sieben Mal haben die "Penguins" aus dem Würmtal seit dem Bundesliga-Aufstieg 1994 den Titel gewonnen, von 2011 bis 2015 fünf Mal in Serie, zuletzt im Jahr 2017. Dazu kommen sechs zweite Plätze, vier deutsche Pokalsiege, zwei Erfolge im europäischen Supercup sowie der Titel in der Elite Women's Hockey League 2010. Dabei muss die Mannschaft mangels Eisfläche in Planegg zum Training und zu Spielen nach Grafing und Bad Tölz ausweichen. In Memmingen (Meister 2016 und 2018) und Ingolstadt sind dem ESC zuletzt starke Konkurrenten erwachsen. Im Frauen-Eishockey ist das Leistungsgefälle groß, entscheiden oft Studienplätze oder berufliche Veränderungen über Vereinswechsel und Titelchancen. Für Planegg spielen Schülerinnen und Studentinnen, Nationalspielerinnen, die zum Teil in einer gemeinsamen WG leben, als Verstärkung heuern auch schon mal die Lebensgefährtinnen von DEL-Profis aus Nordamerika an. Geld ist mit Frauen-Eishockey nicht zu verdienen. Planegg spielt durchschnittlich vor 40 Zuschauern, quasi unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung. Kein Bundesligist kommt auf eine dreistellige Besucherzahl. "Es geht nur mit Idealismus", hat Klaus Wüst einmal gesagt, der dem ESC Planegg seit seiner Gründung 1991 vorsteht. Dafür hat er 2009 das Ehrenzeichen des Ministerpräsidenten erhalten. sjo

Der vormalige Präsident Horst Franke und andere hoben danach den EC Hedos aus der Taufe. Dass "Hedos" eigentlich für den Sponsor, eine Bekleidungsfirma, stand, war Spielern, Fans und Funktionären schnuppe. Sie bezogen sich auf das griechische hedoné ("Lust, Freude, Genuss") und frönten dem orgiastischen Eishockeyerlebnis. Mit großer Lust und verschwenderischer Hingabe pflügte Hedos aus der Landesliga nach oben. Das Geld floss wie gewürzter Honigwein.

Mit einer Mischung aus bayerischen Ikonen wie dem Allgäuer Dieter Hegen, dem Niederbayern Gerd Truntschka und dem in Rosenheim sozialisierten Deutschkanadier Karl Friesen plus Stars wie Gordon Sherven, Dale Derkatch und Wally Schreiber - nur die Besten und Teuersten waren gut genug - gewann Hedos 1994 unter dem Schweden Hardy Nilsson die Meisterschaft. In den Playoffs blieb das Team unbesiegt, die Finalserie gegen den damaligen Serienmeister Düsseldorf entschied Hedos wie im Rausch mit 3:0 für sich. Die Profis feierten, als gäbe es kein Morgen, in den Entmüdungsbecken schwappte mehr Schampus als Wasser.

Vielleicht ahnten sie, dass es tatsächlich kein Morgen geben würde. Ein halbes Jahr später sollte sie der Kater treffen wie ein Schlagschuss ins Gesicht.

Die Millionen sprudeln aus Österreich

In die Saison 1994/95 - die erste in der "Deutschen Eishockey Liga" - ging der Titelverteidiger mit einem neuen Namen: Aus Hedos wurden die Maddogs. Der Titelverteidiger eröffnete das GmbH-Zeitalter mit einem 6:1-Sieg in Augsburg. Doch im Dezember waren die tollen Hunde pleite. Zurück blieb ein 16 Millionen Mark großer Haufen an Verbindlichkeiten.

Nicht besser erging es den Barons: 1999 von US-Milliardär Philip Anschutz mit der Lizenz der Landshut Cannibals ausgestattet, die sich finanziell selbst skelettiert hatten, wurden die Barons auf Anhieb Meister. Aber das Publikum entwickelte für die Plastikbarone nicht die erwartete Leidenschaft - 2002 siedelte Anschutz das Team nach Hamburg um.

Erst mit dem Einstieg von Red Bull zog Stabilität im Münchner Eishockey ein. 2012 sicherte sich der Getränkeriese für eine vergleichsweise bescheidende Million die Namensrechte an dem nach zwei DEL-Jahren schwer schlingernden EHC München; 2013 kaufte er dem Milliardär Michael Philipps die letzten Gesellschaftsanteile ab - und der EHC Red Bull München nahm seinen Lauf. Seit 2016 hat das Team von Don Jackson, dem mit acht Titeln erfolgreichsten Trainer der DEL-Geschichte, dreimal in Serie die Meisterschaft gewonnen. Neben Mannheim, das von SAP alimentiert wird, hat der EHC das größte Budget, rund 14 Millionen Euro sollen es diese Saison sein. Zum Vergleich: Schwesterklub Red Bull Salzburg muss mit der Hälfte auskommen. "Aber man muss auch etwas Vernünftiges mit dem Geld machen", sagt EHC-Kapitän Michael Wolf.

Dass die Millionen aus Österreich sprudeln, ist den Fans überwiegend egal. Sie singen "Eis-Hockey-Club München, E-H-Ceeeh!" und touren mit dem Team in der Champions League durch Europa. Das Finale an diesem Dienstag in Göteborg gegen den zweimaligen Champion Frölunda ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die aus Münchner Sicht längst nicht am Ende ist. 2021 soll die neue Halle im Olympiapark stehen, mit einer Arena für bis zu 12 000 Zuschauer und drei zusätzlichen Spielflächen für Training und Breitensport. Veranschlagt sind dafür 100 Millionen Euro, die Kosten trägt Red Bull. Eishockey soll sich in München langfristig etablieren, an der deutschen Spitze und im internationalen Wettbewerb.

Als sogenannter Ankermieter neben der Stadt München werden übrigens die Basketballer des FC Bayern in das neue Domizil einziehen. Bayern-Präsident Uli Hoeneß, bekennender Basketball-Fan, wird sich wohl oder übel mit Eishockey arrangieren müssen.

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