Hertzkammer:Auf nach Atlantis

Lesezeit: 2 Min.

Unter seinem Alias Efdemin ist Philipp Sollmann Resident-DJ des Berghain. (Foto: Yasmina Haddad)

Der famose DJ, Produzent und Klangkünstler Philipp Sollmann alias Efdemin legt im Blitz Club auf.

Von Martin Pfnür

Große Zufriedenheit liegt in der sanften englischsprachigen Stimme, als sie einem zu meditativem perkussiven Geklacker und filigranen Hackbrettklängen von allerlei staunenswerten musikalischen Errungenschaften berichtet. Sie erzählt von großen und kleinen, natürlichen und künstlichen Klängen, von nie gehörten Instrumenten und Harmonien, von seltsamen Echoeffekten und der Möglichkeit zur Aufnahme und Wiedergabe von Stimmen - alles zusammengetragen und entwickelt in sogenannten Sound Houses.

Knappe 400 Jahre alt ist der vor Innovationsstolz nur so vibrierende Inhalt dieses Berichts. Er entstammt der 1627 unvollendet und posthum veröffentlichten Utopie "The New Atlantis" des englischen Philosophen und Staatsmanns Francis Bacon, der darin seiner Vorstellung einer idealtypischen, von Entdeckergeist und Gemeinsinn geprägten Gesellschaft Gestalt gibt. Die sanfte Stimme wiederum ist auf einem Album gleichen Namens zu finden, das der in Berlin ansässige Phillip Sollmann alias Efdemin 2019 als Hommage auf Bacons später verwirklichte Visionen veröffentlichte.

"The Sound House" heißt der besagte finale Track, der eine Art programmatische Klammer der Platte bildet. Liegt der Clou dieses enorm vielschichtigen Albums doch insbesondere darin, dass Sollmann hier erstmals seine beiden kreativen Leidenschaften ineinander verschränkt. Zum einen jene für ebenso deepe wie elegante Produktionen auf der Kante zwischen House und Techno, für die er unter seinem Alias Efdemin und als Resident-DJ des Berghain steht. Zum anderen aber auch jene für die Avantgarde, für Soundinstallationen in Form mechanisierter Klangerzeuger oder wunderbar wilde mikrotonale Performances wie die "Monophonie", die er als Komponist unter seinem Klarnamen mit dem Ensemble Musikfabrik auf die Bühne brachte.

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Als wäre jede Nummer in einem eigenen Sound House entstanden, führt er den Hörer auf "The New Atlantis" entsprechend durch acht Klangräume unterschiedlichster Beschaffenheit. Mal in Form eines Ambient-Bänkelsangs, der die erlösenden Vorzüge des Todes umkreist ("Oh, Lovely Appearance of Death"), mal in Form einer bezirzend dahinkreiselnden Techno-Tenderness ("Good Winds"). Mal in Form einer hintergrundverdröhnten Starkstrom-Suspense, die bis zum Schluss ihrer Auflösung harrt ("A Land Unknown") und mitunter auch mal in Form eines verstrahlten Flöten-Schamanismus, den man so wohl nur als ehemaliger Waldorfschüler hinbekommt ("Temple"). Im Blitz Club wird Sollmann nun allein als Efdemin hinter den Decks stehen, für Hackbrett und Flöte ist da kein Platz. Zu verschmerzen ist das jedoch allemal, wenn man bedenkt, dass die Tür in sein Neues Atlantis jederzeit offensteht.

Efdemin, Samstag, 17. September, Blitz Club, Museumsinsel 1, Einlass ab 23 Uhr

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