Edelbrände aus dem Garten:Schnapsbrennen als Hobby

Edelbrände aus dem Garten: Siegfried Tschauder aus Moosach baut gerade aus seinem Gartenschuppen die kleine Schnapsbrenneranlage auf.

Siegfried Tschauder aus Moosach baut gerade aus seinem Gartenschuppen die kleine Schnapsbrenneranlage auf.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sigi Tschauder brennt Schnaps im Gartenhaus, Andreas Franzl in seinem Wohnzimmer. Beiden geht es bei ihrem Hobby nicht um Masse, sondern um Klasse.

Von Christina Hertel

Sigi Tschauders Schatz steht in seinem Gartenhaus. Er überwintert dort bis zum nächsten Herbst. Dann schiebt Tschauder die weißen Gartenstühle zur Seite und hievt ihn heraus. Zwei große Kessel aus Kupfer mit ein paar kleinen Beulen und ein langes Rohr - seine zusammensteckbare Destillieranlage aus Kroatien. Er hat sie gekauft, als das Land noch Jugoslawien hieß, um die 30 Jahre ist das her. Sigi Tschauder ist pensionierter Biologie- und Chemielehrer mit Schnauzer und weißem Haar. In seiner Freizeit brennt er Schnaps. Mit diesem Hobby ist er ziemlich erfolgreich. In seinem Flur hängen Goldmedaillen, und auf dem Esszimmertisch liegt ein dicker Ordner voll mit Urkunden. Jedes Jahr räumt er mit seinen Bränden bei Wettbewerben Preise ab.

Seit ein paar Jahren liegt Schnaps aus München im Trend. In der Stadt und der Region konkurrieren inzwischen sechs Gin-Destillerien miteinander. Sie experimentieren mit außergewöhnlichen Zutaten - selbst Hopfen und Kastanien haben sie schon in den Kessel gekippt -, kleben stylische Etiketten auf die Flaschen und schenken den Schnaps in noch stylischeren Münchner Bars aus. Einige von ihnen werden auf der Messe "Finest Spirits", die Ende Januar stattfindet, vertreten sein.

Tschauder ist nicht dabei. Er kann mit den großen Münchner Gin- und Wodka-Herstellern nicht konkurrieren - von der Masse her. Er brennt gerade mal 120 bis 150 Liter Schnaps im Jahr, das sind um die 200 Flaschen. Mehr würde er alleine nicht schaffen, sagt er. Und auch nicht wollen. Denn ihm geht es um etwas ganz anderes: Tschauder will der Beste sein.

Marmelade und Obst wurden zu langweilig

Sigi Tschauders Schnaps kann man nicht bei gedimmten Licht und lauter Musik in einer hippen Kneipe im Glockenbachviertel probieren. Man muss an den Rand der Stadt fahren, nach Moosach, wo viele ältere Menschen und Familien leben. Tschauder gehört dort ein Einfamilienhaus mit Garten, darin stehen mehr als 45 Obstbäume - Apfel, Zwetschge, Birne, Aprikose. Es ist eine Insel, umbaut von Häusern, die im Laufe der Zeit immer weiter wuchsen, weil immer mehr Menschen ins Viertel zogen. Ein echter Garten besteht für Sigi Tschauder nicht nur aus Terrasse und schönen Blumen. Ein Garten muss für ihn voll mit Obst und Gemüse sein. Und mit alldem muss Tschauder auch etwas anstellen. Doch Marmelade und Saft wurden eines Tages zu langweilig.

So ähnlich ging es auch Andreas Franzl. Er lebt in Dorfen im Landkreis Erding. Franzl ist Landwirt und wusste irgendwann nicht mehr, was er mit dem ganzen Obst auf den Wiesen anstellen sollte. Seit 25 Jahren brennt er all die Zwetschgen, Äpfel und Birnen zu Schnaps. Seine Destillieranlage steht, anders als bei Tschauder, nicht im Gartenhaus, sondern im Wohnzimmer. Dort hält er auch Verkostungen und Seminare ab, oder Einsteigerkurse, bei denen Teilnehmer die Grundlagen des Schnapsbrennens lernen können. Daran nehmen entweder ältere gut betuchte Herren teil, Landwirte, die irgendwo im Keller eine alte Destillieranlage vom Großvater finden, oder junge, hippe BWL-Studenten, die ein Geschäft wittern.

Edelbrände aus dem Garten: Andreas Franzl wusste nicht wohin mit seinem Überschuss an Obst - Also fing er mit dem Schnapsbrennen an.

Andreas Franzl wusste nicht wohin mit seinem Überschuss an Obst - Also fing er mit dem Schnapsbrennen an.

(Foto: Renate Schmidt)

Aber das große Geld kann Franzl mit seinem Schnaps nicht machen, dafür brennt er mit etwa 300 Litern im Jahr zu wenig. "Ich habe mir gleich von Anfang an gesagt, wenn ich keine Masse haben kann, möchte ich Klasse machen", sagt Franzl. Und so geht es Sigi Tschauder auch.

"Das sind keine Aldi-Preise"

Dessen Schnäpse kann man zwar im Internet kaufen, die Seite sieht auch ziemlich professionell aus - auf den Fotos riechen und nippen Tschauder, seine Tochter und seine Frau am Schnapsglas, man sieht weiße Blüten und rote Äpfel. Für ein kleines Fläschchen Apfelbrand, 0,2 Liter groß, verlangt er mindestens 13 Euro. "Ich weiß, das sind keine Aldi-Preise", sagt Tschauder, "aber das ist es wert." Um das Geschäftliche und um die Vermarktung kümmert sich Tschauders Tochter - sie hat Marketing und BWL studiert. Doch Tschauder geht es nicht um's Geld. Er will, dass seine Kunden seine Arbeit wertschätzen. Einmal, erzählt er, hätten ihn ein paar Männer für eine Verkostung besucht. Tschauder tischte seine edelsten Tropfen auf. "Und dann haben sie sich beschwert: Ja mei, ist des teuer. Ich habe ihnen drei Euro auf den Tisch gelegt und gesagt, dass sie im nächsten Supermarkt einen Schnaps kaufen sollen."

Schnapsbrennen ist Tschauders Hobby und doch ist es mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Um an genügend Obst zu kommen, pflegt er fünf Gärten in der Nachbarschaft. Als Lohn darf er sich so viel Obst mitnehmen, wie er möchte. Er spritze die Bäume nicht und er kaufe kein Obst zu, sagt er. Jeder Apfel und jede Birne gehen durch seine Hand. Im Frühjahr schneidet er die Bäume, im Herbst entkernt er die Früchte. Wäscht sie, zerkleinert sie und gibt sie in Plastiktonnen. Dort gärt das Obst mehrere Wochen lang. Und schließlich brennt er den Schnaps auf seiner kleinen jugoslawischen Destillieranlage.

Der eine Kessel mit der Maische wird erhitzt, und durch verschiedene Prozesse entsteht dann Schnaps. Der Stoff fließt durch das Rohr in den zweiten Kessel. Dabei sei die große Kunst, den richtigen Moment abzupassen - denn das, was zuerst rauskommt, ist schädlich. Und das, was am Ende herausfließt, ungenießbar. "Die Nase und die Zunge müssen funktionieren", sagt Tschauder. "Man muss sich beschränken. Nicht zu viel wollen." Im Zweifel kippe er lieber ein paar Tropfen zu viel weg als mit seinem Produkt nicht hundertprozentig zufrieden zu sein.

Sein Erdinger Kollege Andreas Franzl hat ein größeres Ziel, als das eigene Produkt immer perfekter zu machen. Er möchte, dass Obstbrände eines Tages, so ähnlich wie das bei Gin bereits passiert ist, ein besseres Image bekommen. Dass die Menschen verstehen, wie viel Arbeit dahinter steckt. Und dass die Brenner selbstbewusster zu ihrem Schnaps stehen. "Wenn man Winzer fragt, wie ihr Wein schmeckt, können sie jede Geschmacksnuance benennen." Honig, Vanille, Wacholder. "Ein Schnapsbrenner sagt bloß: Ein Himbeerschnaps schmeckt halt nach Himbeere." Um besser mitreden zu können, hat Franzl eine Ausbildung gemacht - zum "Master of World Spirits". Bei Wettbewerben muss er manchmal bis zu 60 Schnapssorten bewerten. Am Ende verlasse er den Saal stets nüchtern, sagt er. Wie das funktioniert? "Ein Wein-Sommelier trinkt ja auch nicht das ganze Glas aus."

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