Edeka:Im Hauptbahnhof kann man jetzt bis spätabends einkaufen

Edeka: Was darf man wann wo einkaufen? Die Frage ist kompliziert.

Was darf man wann wo einkaufen? Die Frage ist kompliziert.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Im Hauptbahnhof-Zwischengeschoss gibt es einen neuen Edeka. Auf 580Quadratmeter kann man wochentags bis 23 Uhr einkaufen.
  • Verteidiger des Ladenschlusses befürchten, dass bei einer Aufweichung kleine Läden verdrängt werden.
  • Der Edeka nutzt eine der Ausnahmeregelungen - ähnlich wie der dm am Ostbahnhof und ein paar wenige Kioske.

Von Laura Kaufmann und Christoph Koopmann

Zu lange im Büro über dem Projekt gebrütet, der Kühlschrank zu Hause ist leer, aber natürlich ist es schon wieder nach 20 Uhr. Aber wo der Westfale oder der Berliner schnell zum Supermarkt oder Spätkauf um die Ecke gehen würde, muss der Bayer entweder zum nächsten Bahnhof reisen oder sich mit seinem knurrenden Magen abfinden. Selbst wenn sich noch so viele IT-Unternehmen wie Microsoft Zentralen in München einrichten, die auf maximal flexible Arbeitszeiten ausgerichtet sind: Richtig einkaufen kann ihr Angestellter nach 20 Uhr nicht.

Auf diese Marktlücke setzt seit Donnerstag ein neuer Supermarkt im Hauptbahnhof- Zwischengeschoss: Künftig kann man in dem 580 Quadratmeter großen Edeka wochentags von sieben bis 23 Uhr einkaufen, am Wochenende von acht bis 23 Uhr. "Wir haben hier so gut wie alles, was man braucht", sagt Inhaberin Christina Ernst. Ein Satz, der den Verteidigern des Ladenschlusses gewiss sauer aufstößt.

Etwa Hubert Thiermeyer, in der Landesleitung der Gewerkschaft Verdi zuständig für den Fachbereich Handel: "Eine Aufweichung des Ladenschlusses verdrängt die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die es sich im Gegensatz zu den Großkonzernen nicht leisten können, ihre Geschäfte so lange offen zu halten", sagt er. Der Onlinehandel mache bei den Lebensmitteln deutschlandweit bisher erst 1,2 Prozent des Umsatzes aus. Das sei noch keine echte Bedrohung also, auch wenn Amazon Prime inzwischen im Münchner Stadtgebiet innerhalb von einer Stunde Kaffee, Kinderriegel und Kokosöl vor die Haustür stellt.

Das Ladenschlussgesetz ist den Gewerkschaften heilig, aber auch der Politik, den Kirchen sowieso. Verkaufsstellen dürfen hierzulande werktags von 6 bis 20 Uhr geöffnet sein, Bäckereien auch schon ab 5.30 Uhr. Nicht davor, nicht danach, und erst recht nicht am Sonntag hat ein Laden seine Türen zu öffnen. Es sei denn, er kann eine der vielen Ausnahmeregelungen anwenden, die das Gesetz zulässt.

Und von einer solchen profitiert nun auch Christina Ernst mit ihrem neuen Edeka im Hauptbahnhof. Denn wer seine Waren anbietet, um Reisende mit dem Nötigsten zu versorgen, darf rund um die Uhr öffnen. Das nutzten im Bahnhof schon einige kleinere Lebensmittelläden: ein "Rewe To Go" etwa, oder der "biokultur"-Laden, der bis 21 Uhr Bio-Lebensmittel anbietet.

Der Edeka könnte schneller als erwartet mit den Behörden in Konflikt kommen

Am Ostbahnhof versorgt ein DM Drogeriemarkt am Orleansplatz montags bis sonntags von 6.30 Uhr bis 23 Uhr Reisende - und natürlich auch Anwohner, denn niemand muss einen gültigen Fahrschein vorzeigen, um einzukaufen. Diese Regel gilt auch am Flughafen. Zwei Edeka-Filialen haben dort von 5.30 Uhr bis einmal 22 Uhr und einmal bis Mitternacht geöffnet.

Der neue Edeka im Hauptbahnhof hat im Grunde das Konzept des "Rewe to go" übernommen, der nur 50 Meter weiter liegt. Hier wie dort gibt es frische Backwaren, abgepacktes Sushi oder Wraps in Frischhaltefolie. Nur erweitert der Edeka dieses Essen-auf-die-Hand-Konzept um die Komponente des klassischen Wocheneinkaufs. Links vom Eingang liegt ein breites Sortiment an Obst und Gemüse aus, daneben kann man sich an einer langen Theke mit frischen Salaten bedienen. Im Zwischengeschoss des Ladens gibt es Hygieneartikel, Konserven, Wurst, Käse, sogar ein kleines Getränke-Kühlhaus. Nur gibt es von den meisten Dingen im Sortiment nicht unendlich viele Varianten. "Wer am Sonntag Bohnen kochen will, der bekommt sie hier. Nur gibt es bei uns halt nicht zehn Sorten Bohnen, sondern eine", sagt Ernst. Zunächst wolle man testen, wie gut der Markt bei den Kunden ankommt, ehe das Angebot erweitert werde.

Im neuen Markt wird noch viel ausprobiert. Auch die Öffnungszeiten sind zunächst nur vorläufig festgelegt. "Das Team muss sich erst einspielen, ehe wir über noch längere Öffnungszeiten nachdenken", sagt Ernst. Von November an sollen 40 Mitarbeiter beschäftigt werden, die sich während der 15 oder 16 Stunden schichtweise abwechseln.

Doch auch Christina Ernst und ihr Edeka könnten schneller als erwartet mit den Behörden in Konflikt kommen. Denn laut Ladenschlussgesetz darf auch der Supermarkt im Bahnhof nach 20 Uhr, wenn per Gesetz der reguläre Lebensmittelverkauf enden muss, nur noch "Reisebedarf" verkaufen. Darunter fällt viel: Zeitschriften, Softgetränke, belegte Brötchen, auch Lebens- und Genussmittel in kleineren Mengen. Es ist durchaus ein recht ansehnlicher Reisebedarf, den auch Münchner Tankstellen dazu nutzen, um sich zu teuren kleinen Not-Supermärkten abseits der Öffnungszeiten auszubauen.

Es gibt eine andere Ausnahme - die nutzt etwa der Reichenbachkiosk

Doch das hat eben nach 20 Uhr und sonntags Grenzen. "Eine Tiefkühlpizza oder eine Packung Hackfleisch dürfen dann nicht mehr verkauft werden", sagt Johannes Mayer, Sprecher des Münchner Kreisverwaltungsreferats (KVR). Frische Zutaten zum Kochen gehören eben nicht unbedingt zu dem, was man während einer Zugreise braucht. Und somit fallen sie auch nicht unter die Ausnahmeregelungen des Ladenschlussgesetzes. "Wir sind verpflichtet, zu überwachen, ob diese gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden", sagt Mayer. Bei Verstößen drohe der Markt-Inhaberin Christina Ernst jedes Mal ein Bußgeld.

Mit einer anderen Ausnahme im Gesetz behilft sich deshalb die vielleicht berühmteste späte Einkaufsgelegenheit der Stadt, der Kiosk an der Reichenbachbrücke. Läden, die eine Zulassung als sogenannte "erlaubnisfreie Gaststätte" haben, dürfen auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten zubereitete Speisen, verschlossenes Flaschenbier, alkoholfreie Getränke, Tabak und Süßwaren über die Straße verkaufen. Sie dürfen aber nur Bier als Flaschenbier verkaufen und es dem Kunden noch nicht einmal aus Gefälligkeit öffnen - dafür bräuchten sie eine sehr viel teurere Ausschankkonzession. Wein oder Schnaps nach 20 Uhr zu verkaufen ist nicht möglich, ausschließlich Flaschenbier. Und nur deshalb, weil Bier in Bayern gesetzlich als Grundnahrungsmittel gilt.

Neben dem Kiosk an der Reichenbachbrücke gilt auch der vergleichsweise neue Kiosk an der Münchner Freiheit als "erlaubnisfreie Gaststätte". Beide haben, abgesehen von einer Putzstunde, rund um die Uhr geöffnet. Unauffällig, aber stetig breiten sich kleine Geschäfte in der Stadt aus, die die gleiche Ausnahme des Gesetzes nutzen und vielleicht noch am ehesten an das erinnern, was man in Berlin einen "Späti" nennt. Läden, die Prepaidkarten verkaufen und gebrauchte Handys und eine Stunde Internet und die vielleicht auch eine Eistruhe im Laden stehen haben, Zigaretten hinter der Theke und einen Kühlschrank voller Bier. All das verkaufen sie auch nach 20 Uhr, und auch am Sonntag. In der Tegernseer Landstraße zum Beispiel gibt es einen solchen Laden, mehrere auf der Schwanthaler Höhe, in der Augustenstraße und rund um den Hauptbahnhof. Die Zulassung als "erlaubnisfreie Gaststätte" ist im Übrigen gar nicht so schwer zu bekommen als Geschäftsinhaber - es wollen sie eben nur wenige haben in München.

Die Gesetzeslage ist also durchaus unübersichtlich. Und so will auch Markt-Betreiberin Christina Ernst jetzt erst einmal mit der Edeka-Zentrale klären, was sie wann im Hauptbahnhof verkaufen darf und was nicht. Aus einem Wocheneinkauf dort am späten Abend oder am Sonntag wird also vorerst nichts.

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