Zur Lektüre empfohlen:Abenteuerliche Unterhaltung

Gregor Wolf, Autor aus Vaterstetten

Gregor Wolf, 1977 geboren, hat Ägyptologie studiert, heute schreibt er fantastische Geschichten.

(Foto: oh)

Gregor Wolf aus Vaterstetten überzeugt mit einem Roman in der Tradition von Tolkien und Ende, der Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen anzusprechen vermag

Von Michaela Pelz, Vaterstetten

Schon mal das Gefühl gehabt, jetzt könnte nur noch ein wandelnder Baum helfen, der einen mit seinem langen Astarm packt und im Moment drohender Gefahr schwungvoll in eine sichere Baumkrone weit oberhalb des Geschehens befördert? Zugegeben, als Alltagsszenario eher ungewöhnlich, aber ein durchaus interessantes Gedankenexperiment, wenn man sich als eher untergroßer Mensch im Gewühl eines Volksfestes, Martinsumzugs oder Christkindlmarktes befindet - und vorher "Die abenteuerliche Reise des Leopold Morsch" gelesen hat.

In diesem Erstling des Vaterstetteners Gregor Wolf befreit nämlich der Titelheld, ein etwas kauziger Einsiedler, der die Natur liebt und Unrecht verabscheut, zusammen mit seinem Freund, dem sprechenden Baum Hainwart, sowie einem Ritter, von dem später noch die Rede sein wird, einen entführten Jungen und rettet ein ganzes Land vor dem Untergang. Und wiewohl der Schmöker sich eigentlich an Neun- bis Zwölfjährige richtet, ist die Handlung doch so faszinierend, dass sich auch Erwachsene dem Sog der Geschichte nicht entziehen können - zumindest, wenn sie ein Faible für die fantastische Erzählweise eines J.R.R. Tolkien oder Michael Ende haben.

Vor allem dessen "Jim Knopf" hat einen bleibenden Eindruck auf den Autor gemacht und in ihm schon sehr früh den Wunsch geweckt, selbst einen Helden auf große Fahrt zu schicken, der nicht nur Abenteuer erlebt und bisher unbekannte Details der eigenen Vergangenheit entdeckt, sondern "die Welt an einer Stelle zu etwas Besserem macht".

Geprägt wurde Wolf aber auch von einer cineastischen Figur, deren pure Namensnennung bereits Bilder von wilden Verfolgungsjagden heraufbeschwört: "Ja, tatsächlich hing die Wahl meines Studienfachs unter anderem mit Indiana Jones zusammen", lacht der Ägyptologe, der selbst allerdings weder Hut noch Peitsche besitzt und sich nach der Familiengründung für die Sesshaftigkeit im beschaulichen Münchner Umland entschieden hat. Deswegen ist er nach diversen Jobs an der Universität und bei Ausgrabungen heute im Hauptberuf in der medizinischen Weiterbildung und Forschungsvernetzung tätig, sowie eben als Kinder- und Jugendbuchschriftsteller.

Seine ersten Erfahrungen mit dem professionellen Schreiben sammelte Wolf während des Studiums. Beim Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten habe er den Respekt vor langen Texten verloren. "Damals entwickelte ich außerdem den Ehrgeiz, auch jene zu fesseln, die sich eigentlich nicht für das interessierten, was ich da zu Papier brachte."

Darüber muss sich der mehrfache Vater bei seinem literarischen Debüt keine Sorgen mehr machen. Denn spätestens, wenn Leopold Morsch mit knapper Not den bösen Räubern entkommt, will jeder Lesende unbedingt wissen, wie das alles weitergeht. Können die Freunde den kleinen Tisal in seine weit entfernte Heimat zurückbringen? Wer wird sich ihnen auf der beschwerlichen Reise in den Weg stellen, wer den Gefährten völlig unerwartet zu Hilfe kommen? Und welche Rolle spielen der furchterregende Drache, die unergründlichen Forscher, die streitbaren Skelette - ganz zu schweigen vom schlitzohrigen Kapitän Krumm und seinen pfiffigen Mäusen?

Was hier so vielversprechend klingt, ist es auch - nicht nur durch die Fülle der Begegnungen mit ganz unterschiedlichen Wesen und Situationen, sondern vor allem durch die facettenreiche Sprache, in der neben atemberaubender Spannung weder Witz noch Poesie zu kurz kommen.

Fragt man Gregor Wolf, was ihm im Zusammenhang mit seinem "Buch-Baby" besonders wichtig war, so gibt er zwei Dinge zu Protokoll. Einerseits das Ziel, vor dem 40. Geburtstag einen Roman vollendet zu haben. Das hat er erreicht, denn das Manuskript war schon 2017 fertig - nur dauerte es dann noch seine Zeit, bis erst ein Agent und dann von diesem ein Verlag gefunden war, so dass das Werk erst 2019 auf den Markt kam.

Andererseits wollte der Autor von Anfang an diese Botschaften vermitteln: "Zusammen kann man mehr erreichen als allein." Und: "Man braucht keine Gewalt, um ans Ziel zu kommen." Darum setzen seine Protagonisten eher auf Köpfchen als auf Kraft - und Dramatik entsteht ganz ohne blutrünstige Szenen. Dass sich aufgrund der Handlung, die beim Schreiben entstand ("Das Tal und der Morsch waren da - ich musste mir dann nur noch überlegen, was ich damit jetzt mache"), ein weiterer Schwerpunkt ergab, nämlich der des rücksichtsvollen Umgangs mit der Natur, war nicht beabsichtigt, zieht sich aber durch den kompletten Roman, und zwar ganz ohne belehrenden Zeigefinger.

Fragt man den Autor, welche seiner Figuren ihm denn ganz besonders nahe sei, nennt er überraschenderweise Ritter Griesbert vom Berg, dessen aufbrausende, unkontrollierte, ungestüme Art ihm nicht ganz fremd sei. "Manchmal würde ich mir durchaus so einen Griesbert wünschen, der loszieht und den anderen den Marsch bläst."

Die Chancen dafür stehen deutlich besser als die, von einem sprechenden Baum aus einer brenzligen Situation gerettet zu werden.

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