Zum Schutz des Südens:Protest im Mantel der Kunst

Die Ausstellung "Lebens-Art" in Kirchseeon ist so breit gefächert, wie ihr Motto erwarten lässt

Von Franziska Langhammer, Kirchseeon

Was einst als PR-Strategie begann, hat sich zum konstanten Bestandteil der Kunstausstellungen im Landkreis gemausert: Ursprünglich wollte der Verein "Schutz des Kirchseeoner Südens" vor sieben Jahren mit einer Schau seinem Protest gegen die Südumfahrung der B304 in Kirchseeon Ausdruck verleihen. "Wir wollten ins Gerede kommen", formuliert Gerold Hauer das schmunzelnd. Und so organisierte der Verein, dem zahlreiche Künstler aus der Region angehören, eine erste Kunstausstellung. Damals war es schwierig, einen passenden Ort zu finden; versteckte sich im Mantel der Kunst doch auch eine politische Botschaft. Schließlich entpuppte sich Lydia Wörlein vom AWO-Seniorenzentrum Kirchseeon als großzügige Raumgeberin - und ist es bis heute geblieben. Einmal jährlich hängen nun einen Monat lang im Erdgeschoss des Zentrums verteilt Bilder, Fotografien, Collagen von Künstlern aus Kirchseeon und Umgebung. "Ich empfinde das als große Bereicherung, sowohl für die Bewohner, als auch die Besucher", sagt Einrichtungsleiterin Wörlein, "Kunst ist ja immer auch mit Austausch verbunden."

'Lebens-Art' AWO SenZentrum Kirchseeon

Von Colin Duncan stammt dieser "boatyard push".

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Unter dem Motto "Lebens-Art" sind dieses Jahr etwa achtzig Werke verschiedenster Stilrichtungen zu sehen. Viele der Künstler sind seit Beginn der Ausstellungsserie dabei, aber es kämen auch immer wieder neue dazu, erzählt Hauer. So hatte etwa ein Fotograf seine Schwester im Seniorenzentrum besucht - und sich ermuntert gefühlt, für die nächste Bilderschau selbst zur Kamera zu greifen.

Die Werke der aktuellen Ausstellung sind so facettenreich, wie es das Thema erwarten lässt, es geht beileibe nicht nur um den Naturschutz oder nur um Kirchseeon. Politisch wird etwa Susan Mintz-Weber mit ihrem Werk "Neulich im Biergarten"; eine Acryl-Malerei, die eine vollverschleierte Frau mit Kinderwagen vor einem urbayerischen Biergarten zeigt. Hinter ihr der typische Rauhaardackel, der sich als einziger Beteiligter auf diesem Bild über die Situation zu wundern scheint. Die Frau in Schwarz schaut den Betrachter direkt an, ihr Blick ist rätselhaft offen, beinah angriffslustig.

'Lebens-Art' AWO SenZentrum Kirchseeon

Ein breites Spektrum zeigt die Ausstellung "Lebens-Art" im AWO-Seniorenzentrum Kirchseeon. Susanne Mintz-Weber zum Beispiel malt gerne "organisch".

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ebenso offensiv wirkt die Malerei gleich nebenan: Gerold Hauer hat hier vor giftig-grünem Hintergrund eine Prozession von gesichtslosen Ministranten verewigt, die zahllose Kreuze und Fahnen hochhalten. Das Werk heißt "#we too 2018" und soll, so Hauer, auf die Missbrauchsdebatte in der Kirche und die endlose Schar von Betroffenen hinweisen.

Einen genauen Blick sind auch die Kaligraphien von Heike Wildmoser wert. Mögen die darin verarbeiteten Texte auch manchmal an Kalendersprüche erinnern, so ist ihre kunstvolle Darbietung jedoch stilsicher und fern jeglicher Sentimentalität gestaltet. In feinen Strichen werden hier Texturen vorgeführt und untermalt, kein Schnörkel ist zu viel, jeder Buchstabe zeugt von Kreativität und Schaffensfreude. Helmut Scholz wiederum zeigt Fotografien und Pigmentdrucke, darunter etwa einen entspannten Freizeitjunkie, der es sich vor der atemberaubenden Kulisse des Simssees in der Hängematte gut gehen lässt. Zu sehen sind außerdem Werke unter anderem von Martina Brenner, Colin und Evi Duncan, Christina Scharfen, Natalie und Vivien Katholing oder Susanne Oswald.

Leben und leben lassen - so lässt sich vielleicht angesichts der Fülle an Kunstwerken die Ausstellung "Lebens-Art" am besten beschreiben. Denn wer diese bayerische Weisheit befolgt, fährt bekanntlich am besten.

Die Ausstellung "Lebens-Art" - Malerei und Fotografien von Künstlern aus dem Landkreis Ebersberg" ist bis 29. Juli im Seniorenzentrum der AWO in Kirchseeon zu sehen. Die Adresse lautet Am Dachsberg 1 bis 3; Besichtigungen sind täglich von 9 bis 18 Uhr möglich, der Eintritt ist frei.

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