Zuchtbullen in Grub:Lust auf Elton

In der Besamungsstation wird viermal in der Woche der Stoff gewonnen, der leistungsfähigen Rindernachwuchs verspricht.

Von Anna Müller

Heute ist Spitzen-Zuchtbulle Zauber an der Reihe. Er wird in die so genannte Sprunghalle geführt, und schon der Anblick des Hinterteils seines Artgenossen Elton animiert ihn zum Aufspringen. Immer wieder stemmt sich der große Bulle auf die Hinterbeine, die Vorderhufe schlagen hart auf Eltons Rücken, der die Prozedur angebunden über sich ergehen lassen muss. Zwischen den Hinterläufen des über eine Tonne schweren Tieres tänzelt Lucas Fritzer umher. Er muss den richtigen Moment abpassen. Beim nächsten Aufbäumen des Bullen stemmt er sich gegen dessen Seite.

Zuchtbullen in Grub: Kraftstrotzende Bullen warten auf ihren Einsatz in der Sprunghalle.

Kraftstrotzende Bullen warten auf ihren Einsatz in der Sprunghalle.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Jetzt ist es so weit: Der Penis des Tieres wächst in Sekundenschnelle, und Fritzer stülpt eine vorgewärmte künstliche Vagina darüber. Zauber schnaubt. Innerhalb weniger Sekunden ist alles vorbei, und der Bulle hat noch nicht einmal gemerkt, dass er gerade gar keine Kuh besprungen, sondern seinen Samen gespendet hat. Viermal die Woche ist in der Besamungsstation der Bayern-Genetik in Grub Absamung. Dann werden etwa 20 der insgesamt 80 Zuchtbullen in die Sprunghalle gebracht, um deren Sperma zu gewinnen.

Zweimal die Woche müssen die Bullen ran. In der Sprunghalle sollen sie mehrere Male auf ihre Artgenossen springen, "um sie heiß zu machen", sagt Agraringenieurin Andrea Praml. Die künstliche Vagina ist eigentlich eine etwa 30 Zentimeter lange Röhre aus Plastik, an deren Ende ein Reagenzglas gesteckt wird. Durch warmes Wasser wird sie angewärmt, innen ist Gleitgel aufgetragen, wie Fritzer erklärt. Die falsche Vagina auf den Penis der Stiere zu stülpen, sei keine Schwierigkeit für ihn. "Bei den meisten Leuten ist ihre Angst vor dem Stier das größte Problem", sagt er. "Dabei muss man eigentlich nur aufpassen, dass einem keiner auf die Füße springt."

Echte Kühe oder Kuh-Attrappen werden dafür nicht gebraucht, denn die Bullen springen auf alles, was von hinten aussieht wie eine Kuh. Und da müssen eben die anderen Bullen als so genannte Standbullen herhalten. "Wenn sie noch jung sind, wird ausprobiert, welche Bullen sich dafür eignen", erklärt Andrea Praml. "Einige sind sehr ruhig und können dann eben als Standbullen eingesetzt werden."

Praml geht liebevoll mit den Tieren um, streichelt sie und schmust mit jedem. "Jeder Stier hat seine eigenen Charakterzüge", sagt sie. Fast könnte man meinen, sie spreche von einem harmlosen Kätzchen. "Das hier ist mein Lieblingsbulle", sagt sie und holt einen Striegel hervor, mit dem sie den Stier namens Roundup abbürstet. "Ja, du bist schon ein Braver", flüstert sie ihm zu. Der Bulle genießt es sichtlich und blökt ungehalten, als sie damit aufhört.

Auf der anderen Seite wissen die Mitarbeiter der Bayern-Genetik aber auch um die Gefahr, die von den großen Tieren ausgeht. Sie werden an ihren Nasenringen im Zaum gehalten. Der ein oder andere Bullenpfleger fliegt aber auch regelrecht in die Sprunghalle, wenn der gerade geführte Stier Gas gibt und bockt. "Das sind unberechenbare, gefährliche Tiere", sagt auch einer der insgesamt vier Pfleger, der gerade mit einem der Bullen in den Stall geht.

Nur etwa zehn Prozent der jährlich gekauften Bullen seien auch genetisch gut für die Weiterzucht geeignet, erklärt Fritzer. Wenn er nicht gerade dafür zuständig ist, die Absamung vorzunehmen, ist er im Außendienst für Bayern-Genetik tätig und kauft die Bullen ein. "Mit dem bloßen Auge lässt sich das Zuchtpotenzial nicht feststellen", erläutert er. "Es gibt aber an die 50 verschiedene Bewertungseinheiten, anhand derer wir feststellen können, wie gut ein Bulle ist."

Der im Einkauf teuerste Bulle im Stall hat 112 000 Euro gekostet. In der Regel liegen die Preise aber bei etwa 14 000 Euro. So genannte Prüfbullen, die erst in der Zucht getestet werden müssen, kosten etwa 3000 Euro. Zwar liegen die Preise für Bullensperma nicht so hoch wie beispielsweise bei Rennpferden, trotzdem bringen die Bullen ihren Einkaufspreis wieder herein. "Eine Portion Sperma kostet bei einem Prüfbullen um die sechs Euro, bei den Spitzenbullen bis zu elf Euro", so Fritzer. Pro Absamung produziert ein Bulle etwa 300 solcher Portionen, das heißt, 300 Kühe können damit befruchtet werden.

Die Besamungsstation wurde 1953 unter dem Namen Bullenprüfstation Südbayern gegründet. Dadurch wollte man die Verbreitung von Deckseuchen eindämmen, die sich damals durch die Züchtung schnell vermehren konnten. Mittlerweile ist die Wissenschaft so weit vorangeschritten, dass durch eine Blutabnahme das Genom der Bullen festgestellt werden kann.

Dann zeigt sich auch bereits, welche Merkmale von ihm vererbt werden. "Früher musste man eben abwarten, bis die ersten Töchter eines Bullen Milch geben konnten. Daran konnte man dann erkennen, wie gut ein Bulle zur Zucht geeignet ist", erklärt Fritzer. "Das dauerte in der Regel drei bis vier Jahre." Trotz der neuen medizinischen Möglichkeiten gebe es allerdings keine Sicherheit: "Eine Garantie gibt es nie, und schon gar nicht in der Natur", sagt Fritzer. "Meistens entscheidet man beim Kauf dann doch aus dem Bauch heraus, man muss einfach ein gutes Gefühl dabei haben."

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