Zornedinger Ensemble:Dreierlei feine Kirchenmusik

Lesezeit: 3 min

Klangvolles Geburtstagsständchen: Matthias Gerstner und seine starken Stimmen vom Kammerchor "Con Voce". (Foto: Veranstalter)

Festkonzert zum Chorjubiläum von "Con Voce" ist geprägt von weiblichen Haupt- und Nebenstimmen

Von Ulrich Pfaffenberger, Grasbrunn

Die Möschenfelder Wallfahrtskirche als Ort des Jubiläumskonzerts für den Chor Con Voce - eine ebenso absehbare wie kluge Wahl von Matthias Gerstner. Sankt Ottilie ist so etwas wie der musikalische Salon für den Kirchenmusiker aus Zorneding. Als Solist, mit kleineren und größeren Ensembles begibt er sich gern dorthin, nicht nur wegen des schmucken Inneren, sondern vor allem wegen der ohrschmeichelnden Akustik. Gerade der vor 15 Jahren gegründete Frauenchor darf sich dort wohl fühlen und nach Herzenslust entfalten: Dieser Kirchenraum nimmt den höchsten Tönen die Schärfe und bettet die tiefen Töne sanft.

Für den Jubiläumsabend hatte sich Gerstner ein "Dreierlei von feiner Kirchenmusik" als Programm ausgesucht. Zu Beginn die "Messe pour deux voix égales" der Französin Cécile Chaminade, ein Werk, dem man seine bald hundert Jahre nicht anhört, das im Gegenteil eine geradezu jugendliche Frische ausstrahlt. Als Dreh- und Angelpunkt in der Mitte des Konzerts dann Bach, wie könnte es anders sein bei Gerstner, der sich für die Solokantate "Jauchzet Gott in allen Landen" entschieden hatte, ein fulminant jubelndes Stück, dem Anlass mehr als angemessen und passgenau auf das begleitende Barockensemble Vaterstetten abgestimmt. Den Schluss machte Johann Michael Haydns "Missa Sancti Nicolai Tolentini", zugleich das längste Werk des Konzerts, in dem der zu Unrecht oft im Schatten Joseph Haydns stehende jüngere Bruder seinem Salzburger Bischof - und den Gläubigen auch - ein Glanzstück katholischer Festtagsmusik beschert hat.

Alle drei Werke verfügen über kleine Begleitgeschichten, die im Kontext einen überraschenden Beiklang erzeugen: Chaminade hatte einst der Vater, ein Finanzmensch, das Musizieren untersagt, später war sie dann die erste Musikerin, die Ritterin der Ehrenlegion wurde. Bach hatte seine Kantate zwar mit Finesse auf einen Sopran hingeschrieben, doch durften vor 300 Jahren keine Frauen in der Kirche singen; die Fachwelt vermutet eine spätpubertierende Knabenstimme als Alternative. Haydn schließlich gilt als überzeugter Förderer von Männerchören. Alle drei Botschaften zusammen als Hintergrundmelodie für das Jubiläum eines Frauenchores: ein Gerstner-Special der Spitzenklasse.

Entsprechend gut aufgelegt und präsent zeigte sich der Chor, der spüren ließ, wie groß der Wunsch war, nach eineinhalb weitgehend auftrittslosen Jahren wieder zusammen zu singen. Bei dem Niveau, das die Sängerinnen von Haus aus mitbringen, und bei der Präzision des Einstudierens, die Gerstner auszeichnet, wundert es nicht, dass sie nahtlos an ihre frühere Geschichte anknüpften. Auf den Punkt intoniert, die Akzente ohne Übertreibung gesetzt, das Miteinander gelebt: Das Zuhören berührte Herz und Sinne - und lieferte dem Hörsinn reinen Genuss. Zumal sie aus den fünf Sätzen von Chaminades Messe allen Weihrauch herausgefiltert und die kunstvollen Passagen von Schnörkeln befreit intonierten. Das "Qui tollis" erklang voller Tatkraft und Zuversicht, das "O Salutaris" kunstvoll-lyrisch; beide Male glaubwürdige Verkündigung.

Bei Bach und Haydn dann bekamen die beiden Solistinnen des Abends ausgiebig Gelegenheit, ihr Können zu zeigen - aus der Mitte des Chorbilds heraus, gleichsam als "primae inter pares", obwohl sie dem Ensemble nicht angehören. Die räumlich engen Verhältnisse vor dem Altar in Sankt Ottilie zwingen Solisten dazu, jeweils von der Seite in die Szene einzutreten und immer ein bisschen neben der Mittelachse zu stehen. Keine Not auf jeden Fall bei diesem Konzert, sondern eine Tugend, die die Stimmen von Monika Lichtenegger als Sopran und von Melanie Sandrine Arnhold, die als Mezzosopran die Altpartien sang, sehr ansprechend in den Chorklang integrierte. Glänzend und fröhlich lieferte Lichtenegger ihren Part, demonstrativ vor allem in der titelgebenden Bach-Arie. Wagemutig, aber nicht waghalsig die Höhen kitzelnd und offenkundig mit genügend Selbstbewusstsein versehen, um sich nicht in den Vordergrund zu singen. Gleiches auch bei Arnhold, deren warm glänzende Farben und sehr lebendige Dynamik eine wohlausgewogene Balance im Klangbild schufen - und eine reizvolle Abwechslung zwischen den verschiedenen Sätzen mit dazu. Beispielhaft ihr Haydn-Benedictus.

So unaufgeregt wie gekonnt begleiteten Streicher, Bläser und Organistin des Barockensembles den Frauenchor, mit dem sie schon lange Zeit vertraut sind. Das macht sich zum Beispiel in jenen Passagen bemerkbar, die Achtsamkeit und Rücksicht aufeinander verlangen, soll nicht im Lautstärkengefälle der Zusammenhalt ins Rutschen kommen. Solche Begleiter sind die tragenden Säulen eines Chorkonzerts, eine Quelle regenerativer Energie zudem. Was gegen Ende des Konzerts im tiefgekühlten Gotteshaus dankbar angenommen wurde, als die äußeren Umstände etwas an den Kräften zehrten. Der großzügige, herzliche Applaus in der vollbesetzten Kirche brachte die Kerzen auf dem Jubiläumskuchen dann noch richtig zum Leuchten.

© SZ vom 20.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: