Wohnungsnot:"Die Leute brauchen das Geld nicht"

In Zorneding stehen Immobilien leer, weil die Besitzer es nicht nötig haben, diese auf den Markt zu bringen. Das sorgt nun für Streit im Gemeinderat.

Von Andreas Junkmann, Zorneding

Wohl dem, der im Münchner Umland eine leer stehende Immobilie besitzt und diese jederzeit auf dem Mietmarkt anbieten könnte. Angesichts der fürstlichen Einnahmen jeden Monat würden sich wahrscheinlich viele Leute die Hände reiben - nicht so aber offenbar einige wohlhabende Bürger in Zorneding. Das zumindest berichtet Gemeinderat Helmut Obermaier aus eigener Erfahrung: "Die Leute sagen zu mir, wir haben es nicht nötig unsere Häuser zu vermieten." Ein Umstand, der den Grünen-Fraktionschef angesichts der akuten Wohnungsnot am Ort sprachlos macht. Obermaier und seine Parteikollegen wollten diesen Zustand nun durch Einführung einer Zweckentfremdungssatzung beenden - scheitern aber nach hitziger Debatte am Veto der übrigen Gemeinderäte.

Die Grünen verweisen in ihrem Antrag auf ein Schreiben der Bayerischen Staatsregierung, in dem die Kommunen dazu ermuntert werden, Wohnraum für Mieter zu sichern. Das könne man etwa über eine Zweckentfremdung regeln, wie es in größeren Städten und Gemeinden wie München oder Puchheim bereits gehandhabt wird. Dort ist es den Kommunen für Gebiete erlaubt, in denen nicht ausreichend Mietwohnungen zu angemessenen Preisen vorhanden sind, per Satzung zu bestimmen, "dass Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf", wie es im Antrag etwas kryptisch heißt. Anders gesagt: Die Gemeinde kann die Bürger drängen, länger leer stehende Immobilien auf den Markt zu bringen, oder sie leisten eine Ausgleichszahlung.

Etwas drastischer formulierte es Helmut Obermaier nun in der jüngsten Sitzung des Zornedinger Gemeinderates: "Wir können den Leuten dadurch ein bisschen Dampf machen und sagen: Das ist unsozial." Dem Grünen-Gemeinderat zufolge stünden am Ort Häuser und Wohnungen im Wert von rund zehn Millionen Euro leer, insgesamt etwa 50 Bürgerinnen und Bürger könnten dort sofort einziehen. Ein Dorn im Auge sind Obermaier auch Vermietungen über die Plattform Airbnb, denn dadurch stünden einige Wohnungen den Großteil des Jahres leer, während sie nur wenige Tage belegt seien. Auch solche Modelle sollten durch die Zweckentfremdungssatzung geregelt werden.

Den meisten Bürgern gehe es laut Obermaier aber gar nicht darum, aus ihrem Leerstand Profit zu schlagen. "Die Leute brauchen das Geld nicht und wollen keinen Ärger bei der Vermietung haben." Damit sollte nach Meinung des Grünen-Fraktionsvorsitzenden aber bald Schluss sein. Wer bemerke, dass eine Immobilie über längere Zeit leer stehe, solle das bei der Gemeinde melden, so die Idee der Grünen.

Verständlich, dass sich mit dieser Sichtweise nicht jeder anfreunden konnte - ganz im Gegenteil: "Das ist der Supergau", schimpfte Patrick Eichler über den Antrag der Ökopartei. Für den CSU-Gemeinderat, der hauptberuflich Geschäftsführer einer Immobilienagentur ist, stellte der Vorstoß einen "immensen Eingriff in die Privat-Eigentumsrechte" dar. Ganz zu schweigen von dem personellen Aufwand, den die Regelung mit sich bringen würde: "Man braucht keine Satzung, wenn man sie dann nicht kontrolliert." Ohnehin hielt Eichler den Grünen-Antrag für nichts weiter als Aktionismus, "Hauptsache man hat mal wieder die Aufmerksamkeit auf sich gezogen". Ja, die Wohnungsnot sei ein Problem in Zorneding, die Leerstandsquote jedoch sei absolut im üblichen Rahmen.

Diese Ansicht teilte der Großteil des Gremiums. Ferdinand Glasl (CSU) kritisierte vor allem die Forderung, Bürger sollen leer stehende Immobilien bei der Gemeinde melden. "Das ist ein Aufruf zum Denunziantentum", sagte er - und musste sich sogleich von Linken-Gemeinderätin Ramona Baumgartner vorwerfen lassen, so eine Haltung würden nur Leute vertreten, die es sich leisten könnten, zehn Häuser leer stehen zu lassen.

Baumgartner war neben Wilhelm Ficker (Freie Wähler) auch die einzige, die den Grünen zur Seite sprang. Statt die ohnehin freien Immobilien zu nutzen, müsse die Gemeinde mühsam neue Flächen versiegeln, um Wohnraum zu schaffen. Für Franz Lenz (FW) dagegen war der Antrag dazu geeignet, "in der Gesellschaft noch mehr Unfrieden zu stiften". Marian Nowosad (SPD) sah die Grünen-Idee nahe an der Grenze zur Enteignung, ähnlich argumentierten auch Siad-Matthias Abdin-Bey (FDP) und Ferdinand Glasl: "Jetzt geht's an die leeren Wohnungen, dann geht's an die leeren Zimmer", sagte Letzterer.

Antragsteller Helmut Obermaier versuchte schließlich noch, seine Gemeinderatskollegen bei der Ehre zu packen: "Wer hier dagegen stimmt, ist unsozial eingestellt." Doch es half alles nichts, lediglich die Grünen-Fraktion, Ramona Baumgartner und Wilhelm Ficker votierten dafür. Einigen konnte sich das Gremium dann aber mit knapper Mehrheit darauf, dass man sich zumindest einen Überblick verschaffen will, wie viele Immobilien in der Gemeinde tatsächlich leer stehen. Das hatte zuvor Linken-Gemeinderätin Baumgartner gefordert, um auf dieser Basis - wie es im entsprechenden Antrag hieß - geeignete Strategien für die Rückführung der ungenutzten Ressourcen in die Vermietung zu erarbeiten.

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