Süddeutsche Zeitung

Erneuerbare Energien:Absage für Wasserstoff-Zentrum in Zorneding

Der Landkreis Ebersberg hätte eine bundesweite Führungsrolle in der Erforschung von Wasserstoffenergie einnehmen können. Ein Gremium verhindert dies.

Von Andreas Junkmann, Zorneding

Die räumlichen Dimensionen sind nicht weniger gewaltig als das Ziel, das damit hätte erreicht werden sollen: ein Kompetenzzentrum zur Erforschung der Wasserstofftechnologie mitsamt eines mehrere hundert Hektar großen Industrieparks. Geplant, um einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende im Münchner Osten, ja sogar in ganz Deutschland zu leisten. Dieses Mega-Projekt hätte womöglich inmitten des Landkreises Ebersberg, konkret im Süden der Gemeinde Zorneding, entstehen können. Doch seit Donnerstagabend sind entsprechende Pläne vom Tisch, denn der örtliche Gemeinderat erteilte dem Forschungscampus nach einer hitzigen und teils emotional geführten Debatte eine Absage.

Zusammen mit den Landkreisen München und Landshut hat sich die Ebersberger Region in einem vom Bund geförderten Modellprojekt auf die Fahne geschrieben, Wasserstoff als Energieträger salonfähig zu machen. Als eine von deutschlandweit drei "HyLand - Wasserstoffregionen" wollen die Kreise demonstrieren, wie die Technologie regional von der Produktion bis zum konkreten Einsatz im Verkehr nutzbar gemacht werden kann. Um diesen Prozess voranzutreiben, bedarf es einiges an Forschung. Ein Kompetenzzentrum soll diese Aufgabe übernehmen und zusammen mit Gewerbebetrieben die Wasserstofftechnologie in der Praxis erproben.

Wie am Donnerstagabend bekannt geworden ist, hätte einer der möglichen Standorte für den Campus in der Gemeinde Zorneding gelegen. Diese Nachricht dürfte auch den ein oder anderen Bürger überrascht haben, der im Vorfeld einen genaueren Blick auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung geworfen hatte. Die Zuschauertribüne in der Grundschulturnhalle war jedenfalls gut besetzt, als das Thema zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zur Sprache kam. Wie in der Sitzung von Bürgermeister Piet Mayr (CSU) zu erfahren war, beschäftigte sich die Gemeinde aber schon seit Juli dieses Jahres hinter verschlossenen Türen mit dem Mega-Projekt.

Dessen Ausmaße skizzierte der Rathauschef in einem kurzen Vortrag: Auf einer Fläche von rund 3,5 Hektar sollten die Gebäude für das Forschungszentrum entstehen, weitere 3,5 Hektar wären für eine Photovoltaikanlage nötig. Um diesen Kern herum hätte sich in den kommenden Jahren ein Industriepark mit Betrieben entwickeln sollen, die mit der Wasserstofftechnologie arbeiten. Betreiber des Zentrums, dessen Fertigstellung für 2025 geplant ist, wäre die Firma Hynergy aus Grasbrunn in Kooperation mit dem Tüv-Süd und der Technischen Universität München gewesen. Dafür hätte es eine Förderung von Bund und Freistaat in Höhe von rund 200 Millionen Euro gegeben.

Der Konjunktiv deutet es aber bereits an, dass all das nicht umgesetzt wird. Zumindest nicht im Landkreis Ebersberg, denn anders als Zorneding hatte die Gemeinde Eching bei Landshut vergangene Woche ihre Bewerbung als möglicher Standort beschlossen. Dabei konnte man im Verlauf der Diskussion am Donnerstagabend den Eindruck gewinnen, die Gemeinderäte würden sich gar nicht so sehr an dem Projekt an sich stören als an der Herangehensweise. Denn nachdem Bürgermeister Mayr noch für den Forschungscampus als "zukunftsweisend für unsere Gemeinde" geworben hatte, folgten mehrere scharfe Gegenreden.

Einer der Hauptkritikpunkte von Helmut Obermaier (Grüne) etwa war, dass das ganze Verfahren bislang ohne jegliche Beteiligung der Zornedinger Bürger abgelaufen ist. Selbst sie als Gemeinderäte hätte sich "überrumpelt gefühlt", als das Thema plötzlich im Rahmen einer Sitzung aufgetaucht sei. Außerdem bemängelte der Fraktionssprecher, dass überhaupt nicht klar sei, wo das Zentrum hätte gebaut werden sollen und welche Vorteile die Gemeinde davon hätte.

Diesem rund zehnminütigen Vortrag, den Bürgermeister Mayr lediglich mit dem Wort "nett" quittierte, folgten weitere Gegenreden von Bianka Poschenrieder (SPD), Ramona Baumgartner (Linke) und Wilhelm Ficker (FW), die allesamt Nachteile für die Gemeinde, etwa durch die zunehmende Verkehrsbelastung oder den steigenden Druck auf den Wohnungsmarkt befürchteten. "Wir wollen kein zweites Parsdorf", sagte Poschenrieder.

Zustimmung hingegen kam von Stefanie Berndlmeier (CSU), die das Projekt als eine Chance bezeichnete, die nie wieder komme, und von Peter Pernsteiner (FDP). Als sich jedoch abzeichnete, dass sich eine Mehrheit des Gremiums gegen die Bewerbung für das Zentrum aussprechen würde, platzte Bürgermeister Mayr der Kragen. "Was euch fehlt, ist die Vision für Zorneding", schimpfte der Rathauschef.

Das wiederum wollten die Gemeinderäte nicht auf sich sitzen lassen: "Du musst lernen zu akzeptieren, wenn andere anderer Meinung sind. Wir haben auch Visionen", sagte etwa Franz Lenz (FW). Schließlich einigte sich das Gremium immerhin darauf, eine namentliche Abstimmung - also ohne die eigentlich übliche Bindung an die Fraktionszugehörigkeit - durchzuführen. Diese endete mit acht zu 13 Stimmen gegen das Projekt. Mit dieser Absage aus Zorneding dürften die Chancen deutlich gestiegen sein, dass der Forschungscampus nach Landshut kommt.

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