Zorneding:Verloren im Zahlenfriedhof

Zornedings Gemeinderäte scheitern an der Frage, wie die Bucher Straße benutzerfreundlicher werden kann

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

Es gleicht einer unendlichen Geschichte à la Michael Ende: An der Bucher Straße in Zorneding gibt es zwar keinen Glücksdrachen und keine kindliche Kaiserin, dafür aber gefährliche Lückensprünge, Kieslaster, Radfahrer ohne zugehörigen Radweg. Und Jochen Werner. Wenn die Lastwagen auf der Rennstrecke gen Norden lospesen, klirren bei ihm im Schrank die Gläser.

Werner, Anwohner und personifizierter Arbeitskreis Verkehr, stellt sich seit Jahren die Frage: Wie kann man dem vielen Berufsverkehr, Lieferverkehr, den Umfahrten der Süd-Umfahrung Einhalt gebieten, bevor etwas Schlimmes passiert? Er verschickt Vorschläge an die Gemeinderäte. Doch es passiert: nichts. "Zorneding lebt doch hinterm Mond", sagt er frustriert.

Doch nun soll Zorneding hinter diesem Mond hervorkommen. Denn jetzt liegen Zahlen auf dem Tisch. In einer Woche wurden in der Bucher Straße insgesamt 23 315 Bewegungen gezählt. Knapp 90 Prozent waren Personenautos , vier Prozent Vans, weitere vier Prozent Fahrräder oder Mofas, zwei Prozent Lkw. Zu rasant waren 15 Prozent unterwegs. Einordnende Vergleichszahlen, Analysen: Fehlanzeige. Und nun?

Eben diese Frage stellen sich die Zornedinger Gemeinderäte in ihrer letzten Sitzung des alten Jahres. Und reagieren in seliger Vorweihnachts-Stimmung reichlich ratlos auf den Zahlen-Wust. Zuerst moniert Sylvia Boher (CSU) . "So kann man damit wenig anfangen. So bringts eigentlich gar nichts", sagt die Christsoziale. Antragsteller Wilhelm Ficker (FW) kontert, er sehe die Zählung als "Vorabinformation". Doch auch die Sozialdemokraten zeigen sich verloren im Zahlendschungel. Oder dem "Zahlenfriedhof", wie ihn Werner Hintze tauft. "Da sollte man was rausfischen."

Ein logischer Ansatz, würde der Chef-Angler der Verwaltung nicht selber in Arbeit ertrinken. Der Bauamtsleiter arbeitet nämlich seit vier Monaten alleine, wie Bürgermeister Piet Mayr (CSU) erklärt. Eine Ausrede, die Boher nicht so recht gelten lassen will: "Ein Linienprofil ist doch kein Thema." Woraufhin ihr Fraktionskollege Ferdinand Glasl seine "liebe Fraktionskollegin" von links anfunkelt und gleich die ganze Chose infrage stellt ("Wir wissen doch auch ohne Zahlen, dass die Bucher Straße ein Brennpunkt ist"). Der schlussendliche Konsens: Der gebeutelte Bauamts-Leiter soll die nackten Zahlen rumschicken.

Noch transparenter wäre es vielleicht gewesen, man hätte Falk Skeide zu Wort kommen lassen. Der Zornedinger Verkehrsgutachter saß nämlich brav auf der Zuschauertribüne, wissend, dass jedwede Maßnahmen auf belastbaren Verkehrszählungen basieren müssen. Er plant, die Zahlen auszuwerten und mögliche Konsequenzen aus den Regelwerken des Verkehrsministeriums abzuleiten. (Ehrenamtlich, versteht sich.) Bevor irgendwelche Verkehrsschilder aufgestellt oder Radwege verlängert werden, empfiehlt er im Übrigen eine intelligente Erhebung für das ganze Gemeindegebiet: "Auf der Bucher Straße kommen viele Themen zusammen."

So bleibt zu hoffen, dass beim leiderprobten Jochen Werner irgendwann nicht mehr die Gläser im Schrank klirren, seine Stresshormone zur Ruhe kommen. Zur Zeit schaut es da nicht gut aus: "Die Lethargie des Gemeinderats macht mich verrückt!" Aber vielleicht kommt ja doch ein Glücksdrache in der Bucher Straße vorbei und bereitet der unendlichen Geschichte ein Ende.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: