„Schraz“ (mit langem „aaaaaa“) – manche Wörter sorgen allein schon durch ihren Klang für eine Stimmung, die geheimnisumwittert ist, unheimlich und verheißungsvoll zugleich. Bei „Schrazelschatz“ (im zweiten Teil mit kurzem „a“) wiederum schwingt zudem noch ganz viel Spannung mit. Genau diese liefert auch der gleichnamige Krimi für Kinder ab acht Jahren.
Denn dort schickt Susanne Ospelkaus in einem kleinen idyllischen Dorf nicht nur die Brüder Anton und Bene nebst Freundin Leni auf die Suche nach einem Dieb, sondern das Ganze hat auch mit den „Schrazln“ zu tun, die manche als Zwerge, andere als Kobolde oder sogar eine Art Heinzelmännchen kennen.
Grund genug, die Autorin beim Besuch an ihrem Wohnort Pöring zu fragen, welche Inhalte denn von tatsächlichen Gegebenheiten inspiriert wurden. Da findet sich durchaus einiges. Schon beim Schauplatz habe sie nicht in die Weite schweifen müssen. „Auch unsere Grundschule ist einzügig und der Friedhof in Gehweite. Sogar der Internet-Empfang ist dort besonders gut“, fügt sie lachend hinzu.
Und wie steht es mit einem „Schrazelloch“, jenen vor mehr als 1000 Jahren entstandenen Gangsystemen unter der Erde? Da musste sich die 48-Jährige mit einer intensiven Recherche auf Papier und per Internet begnügen, weil ein Besuch in Aying leider nicht zustande gekommen sei.

Erdstall in Aying:Zutritt in die Unterwelt
Die beim Bau des Ayinger Pfarrheims entdeckten unterirdischen Gänge aus dem Mittelalter werden nun doch öffentlich zugänglich gemacht. Eine aufwendige Stahlkonstruktion stellt sicher, dass der Erdstall nicht einstürzt.
Auf die grundsätzliche Idee mit den Erdställen hatte sie eine Kollegin aus Haag gebracht. Diese gehört zur Autorengruppe, mit der sich Ospelkaus regelmäßig austauscht. Gleich nachdem Ospelkaus begonnen hatte, sich näher mit der Materie zu beschäftigen, habe sie die Vielschichtigkeit dieser unterirdischen Welt fasziniert.
Umso mehr, da sich die wissenschaftliche Welt immer noch nicht einig sei über den Zweck der Röhren und Kammern. Die einen hielten es für Verstecke, die anderen für sakrale Bauten. Die Autorin denkt, es müsse in jedem Fall ein „guter Ort“ für die Menschen gewesen sein, sonst hätten sie kaum so viel Zeit dafür aufgewendet, ihn zu gestalten. „Das ist ja nicht nur ein Loch!“ Es gäbe Spitzbögen, Muster in den Wänden und in den größeren Räumen sei der Kalkstein zuweilen so behauen worden, dass man dort wie auf einer Bank sitzen könne.

Solche und mehr Informationen erhalten die kleinen Leserinnen und Leser ganz nebenbei. Den Grusel bei der Exploration der Löcher oder einem, ebenfalls eine Rolle spielenden, „Nebelgeist“ sieht Ospelkaus, selbst zweifache Mutter, keineswegs als Problem. „Wenn der Atem schneller geht und das Herz besonders kräftig schlägt, lässt einen das doch auch fühlen, wie lebendig man ist!“
An Unternehmungslust und Neugier fehlt es den drei Protagonisten des Krimis auf jeden Fall nicht. Während der Schlauberger-Bruder Anton schon mit dem Bus in die Stadt ins Gymnasium muss, besuchen die anderen beiden die vierte Klasse und stromern am liebsten im Wald herum. Darum kennen sie auch die von den Dörflern schnell als vermeintlich Schuldige abgestempelte Walburga. Die spricht lieber mit Tieren und Pflanzen als mit Menschen – vielleicht einmal abgesehen vom Köhler, der sein fast vergessenes Handwerk ebenfalls in dieser Gegend betreibt.

SZ-Serie: Wer wohnt denn da?:"Es hat ausg'schaut zum Wegreißen"
Am Forsthaus Diana fühlt es sich immer so an, als stünde die Welt seit langem still. Vor dem Verfall bewahrt hat es Martin Perfler, der hier sein halbes Leben wohnt. Über einen Mann, der nie viel Geld hatte - aber wegen seiner Kohle vertrieben wurde.
Interessanterweise gibt es für letztere Figur tatsächlich ein reales Vorbild aus der Region. Ospelkaus hat einen der Perfler-Köhler sogar persönlich kennengelernt, als sie nach Pöring zog. „Ein Mann wie eine Eiche, imposant und sehr ruhig. Wenn der Sohn aus dem Wald kam, über und über mit Ruß bedeckt, war da überall der Geruch nach Holzkohle.“
Doch warum hat sich Ospelkaus eigentlich dem Krimi zugewandt? In früheren Werken, wie dem autobiografischen „Meine Reise durch das Trauerland“, setzte sie sich mit dem Verlust ihres ersten Mannes auseinander, durch den sie mit Anfang 30 zur Witwe wurde. Dasselbe Thema greift auch ihr Bilderbuch „Auf Wiedersehen, Elias“ auf, während „Die Gewandnadel“ eine Mischung aus historischem Familienroman und Liebesgeschichte ist.

Literatur aus Zorneding:Wenn die Liebe Schleier lüftet
"Die Gewandnadel" von Susanne Ospelkaus ist anrührend und packend zugleich: Der Roman spannt einen Bogen vom Wirken einer Rotkreuzschwester an der Afrikafront bis zu ihrer Gegenwart im Pflegeheim. Releaseparty ist am Samstag, 22. Oktober.
„Ich finde ein Genre sehr reizvoll, bei dem man mit Gemeinheit spielen, aber am Ende das Gute und Ehrliche gewinnen lassen kann“, erläutert die Autorin mit einem kleinen, verschmitzten Lächeln. Außerdem genieße sie es, Neues zu tun. Schaut man sich ihre diversen Aktivitäten an, passiert das eigentlich permanent und scheint überdies in den „Schrazelschatz“ einzufließen.
So wird dort ganz nebenbei der innerfamiliäre Umgang thematisiert, wie ihn die gelernte Ergotherapeutin, die diesen Beruf immer noch zeitweise ausübt, zuweilen beobachtet – ob im Wartebereich der Praxis oder auf dem Spielplatz. „Emotionale Nähe ist ein großes Thema. Jeder will gesehen werden. Und doch erlebe ich Mütter, die mit dem Handy dasitzen, statt ihrem Kind etwas vorzulesen oder es für seine Kletterkünste zu bewundern.“ Was im Übrigen nicht notwendigerweise an die ökonomische Situation gekoppelt sei – das gibt es auch bei gut situierten Familien. Wie der aus dem Buch.
Den Umgang mit Schuld wiederum hat sie im Rahmen der Recherche für „Wo Zukunft wachsen kann“ kennengelernt. Dort habe sie bei jugendlichen Straftätern aufrichtige Reue und der Wunsch, ihren jeweiligen Fehler wieder gutzumachen erlebt, was sie schwer beeindruckte. Doch weit gefehlt, würde man nun annehmen, es handle sich bei „Der Schrazelschatz“ um schwer verdauliche Kost. Stattdessen werden packende Spannungselemente verbunden mit einem Hauch Gänsehaut, einer Prise Action und vor allem einer wichtigen Botschaft: Selbst genau hinzuschauen und hinzuhören ist besser, als blind dem zu glauben, der am lautesten schreit. Wenn man sich dann noch zusätzlich Verbündete sucht, auch zwischen verschiedenen Generationen, tut das allen gut.

Immer wieder spürt man im Kontakt mit der Autorin ihren Spaß am Spiel mit den Worten: „Wenn es im Wald raschelt und rauscht, spielt meine Fantasie verrückt!“ Echte Informationen zum Thema „Schrazellöcher“ hingegen will sie demnächst auf ihrer Instagram-Seite posten.
Bleibt noch eine große Frage, nämlich die zur Doppeldeutigkeit von „Schrazn“ oder „Schratzn“, was ja im Bairischen auch eine Umschreibung für „lästige Kinder“ ist. Das sei ihr, so Ospelkaus – geboren und aufgewachsen in Frankfurt an der Oder – tatsächlich nicht bewusst gewesen. Denkt man aber genauer nach, ist die Bedeutung gar nicht so verkehrt. Allerdings in einem guten Sinn. Denn Anton, Bene und Leni sind außerordentlich lästig in ihrer Hartnäckigkeit. Sie lassen einfach nicht locker, bis sie das Rätsel gelöst und die Wahrheit ans Licht gebracht haben. Was nichts anderes ist als das perfekte Ende für einen guten Kinderkrimi.
Susanne Ospelkaus, Fionn Westermeier (Illustrationen): „Der Schrazelschatz“, Brunnen Verlag, Paperback, 128 Seiten, 13 Euro, Buchparty für Kinder ab 8 Jahren: Freitag, 4. April, 15 Uhr, Pöringer Unverpacktladen, Anzinger Straße 3, Zorneding.