"In diesen Garagen ist nur die Unterstellung von Kraftfahrzeugen mit Benzin- und Dieselkraftstoff zulässig." So steht es auf dem kleinen gelben Blechschild, das an der Decke dieser Zornedinger Tiefgarage verschraubt ist. Geht es jedoch nach Michael Lenz, sollen dort bald eine ganze Menge Autos ohne herkömmlichen Verbrennungsmotor geparkt werden. Der 69-Jährige kämpft seit rund drei Jahren für eine Elektro-Infrastruktur in der Tiefgarage seiner Wohneigentumsgemeinschaft. Lange sah es so aus, als sei das Projekt zum Scheitern verurteilt, nun aber sollen bald die ersten Fahrzeuge mit Strom versorgt werden.
Insgesamt 93 Stellplätze bietet die unterirdische Garage am Zornedinger Herzogplatz - 93 Mal die Möglichkeit also, ein Auto emissionsfrei zu betreiben. Ende August dieses Jahres sollen die ersten Fahrzeuge an die Wallboxen angestöpselt werden. Dann ist Michael Lenz am Ziel, für das er zuvor hart kämpfen musste. "Ich bin von Tür zu Tür gegangen und hab' geklingelt", erinnert sich der ehemalige Elektrotechnik-Ingenieur, der sich beruflich unter anderem mit der Chip-Entwicklung für E-Autos beschäftigt hat. In Zorneding biss er sich zunächst jedoch die Zähne aus. Die Bedenken mancher Eigentümer seien groß gewesen, erinnert sich Lenz. Vor allem der Brandschutz in der Tiefgarage habe vielen Leuten Sorgen bereitet - Ängste, die Lenz in zahlreichen Gesprächen zu mildern versuchte.
Zunächst aber ohne Erfolg, denn bei der ersten Eigentümerversammlung scheiterte das Projekt an einem damals noch geltenden Passus im Wohneigentumsgesetz (WEG). Wer in einer Miet- oder Eigentumswohnung lebt und eine Ladesäule installieren möchte, brauchte laut altem Gesetzestext noch die Zustimmung der Vermieter oder der Eigentümergemeinschaft - und zwar von ausnahmslos allen Beteiligten. Michael Lenz aber wollte nicht aufgeben - und hat dabei von mehreren Seiten teils unerwartete Hilfe bekommen.
Da wäre zunächst die Gemeinde Zorneding, die im vergangenen Jahr beschlossen hat, jeden potenziellen Elektro-Ladeplatz mit 100 Euro zu fördern - bei Grundkosten von rund 500 Euro pro Stellplatz ist das ein durchaus schlagkräftiges Argument, wie Lenz feststellen konnte. "Ich habe den Leuten gesagt, seht das als Wertsteigerung. Das ist gut investiertes Geld", so der 69-Jährige. Tatsächlich ist Lenz' Projekt so konzipiert, dass nicht jeder sofort die komplette Ladeanlage kaufen muss, zunächst gehe es nur um die grundsätzliche Aufrüstung der Tiefgarage, erklärt der Zornedinger. Wer sich dann später ein E-Auto anschafft, kann seinen Stellplatz für rund 2000 Euro zusätzlich mit dem vorhandenen Leitungsnetz verbinden und sein Fahrzeug laden. "Das ist auch eine Investition in die Immobilie", so Lenz.
Das aktuelle Weltgeschehen spielt Michael Lenz in die Karten
Aber auch das aktuelle Weltgeschehen kam dem Tüftler entgegen, oder wie Lenz sagt: "Der Putin hilft uns jetzt." Der 69-Jährige spielt darauf an, dass der Krieg in der Ukraine bei vielen Menschen ein Umdenken bewirkt habe, was fossile Rohstoffe angehe. Für Lenz selbst, der auch sein Haus CO2-neutral umrüstet, steht deshalb schon lange fest: "Mein Ziel ist, dass Putin keinen Cent mehr von mir bekommt."
Nun ist da allerdings immer noch die Sache mit dem WEG - doch auch hier hatte der Zornedinger gewissermaßen Glück. Während er durch Corona sein Projekt zwischenzeitlich auf Eis legen musste, weil keine Eigentümerversammlungen mehr möglich waren, setzte die Politik die bereits seit längerem angekündigte Änderung des Gesetzestextes um. Nun heißt es dort, dass eine gemeinsame Kostenübernahme dann in Kraft trete, wenn zwei Drittel der abgegebenen Stimmen der Eigentümergemeinschaft und mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile für den Antrag auf eine private Ladeinfrastruktur stimmten. Vereinzelte Absagen konnten nun das Projekt also nicht mehr stoppen.
Mit der Unterstützung des Energieforums Zorneding und der örtlichen Klimaschutzmanagerin Elisabeth Buchmann schaffte es Lenz schließlich, die nötige Mehrheit seiner Nachbarn von seiner Idee zu überzeugen. Diese sieht eine sogenannte LIS100-Ladeanlage in der Tiefgarage vor, bei der durch einen zentralen Versorgungsstrang alle Parkplätze angeschlossen werden können. Das "Powermanagement" verteilt den Strom schließlich an die einzelnen Wallboxen. Sorge, dass nun am Herzogplatz das Netz zusammenbricht, muss allerdings niemand haben, wie Lenz erklärt: "Ziel ist es nicht, dass die Autos komplett voll geladen werden, sondern dass es für den nächsten Tag reicht." Dafür sorgen die elf Kilowatt starken Anschlüsse, die nach und nach aktiviert werden - es werden also nicht alle Fahrzeuge in der Garage gleichzeitig betankt, sondern die Stromzufuhr wird per Zeitschalter geregelt. Braucht man aber doch mal schnell Saft, gebe es immer noch die Möglichkeit, sich per Chip "in der Warteschlange vorzudrängeln", wie Lenz sagt.
Von seinem Konzept jedenfalls ist der 69-Jährige überzeugt, auch im Hinblick auf den Automarkt der Zukunft. Er sei als Berater viel in China unterwegs gewesen, erzählt der Zornedinger. Von dort aus werde der Markt in nächster Zeit mit günstigen E-Autos geradezu überschwemmt werden. Deutschen Autobauern hingegen prognostiziert der ehemalige Elektrotechnik-Ingenieur eine eher düstere Zukunft. Zu sehr würden die großen Marken noch auf ihre Premiummodelle mit Verbrennungsmotor setzen, mit denen man natürlich mehr Geld verdiene, als mit einem E-Auto. "Man verkauft den Leuten ein Unikum, das man ja gar nicht braucht", sagt Lenz, der die Zukunft der Mobilität stattdessen bei kleineren Elektrofahrzeugen sieht.
Solche könnten künftig dann auch in der Zornedinger Tiefgarage unter dem Herzogplatz stehen. Sieben der 93 Stellplätze werden gleich von Beginn an voll ausgerüstet, der Rest hat nun zumindest die Möglichkeit dazu. Für Michael Lenz ist das ein wichtiger erster Schritt, mit dem er sich jedoch nicht zufrieden geben will. Um seine Erfahrungen und sein Wissen auch mit anderen Wohneigentumsgemeinschaften zu teilen, bietet der 69-Jährige kostenlose Beratungen für die Installation einer Ladeinfrastruktur an und übernimmt bei Bedarf sogar die Kostenberechnung. Rund 20 Tiefgaragen habe er bereits auf seiner Liste, bei denen er Potenzial sehe - und das Interesse der Eigentümer sei durchaus vorhanden.
Die eigene Garage in Zorneding soll künftig auch als Anschauungsobjekt dienen. Spätestens dann dürfte das kleine Blechschild, das alle Gefährte ohne Verbrennungsmotor ausschließt, endgültig abgehängt werden. Dieses Relikt aus den 80er Jahren bezieht sich übrigens nicht auf Elektroautos, sondern auf solche, die mit Flüssiggas betrieben werden. Dass hier unter der Erde mal Fahrzeuge per Steckdose betankt würden, hätte man damals wohl ohnehin noch für Science Fiction gehalten.