Süddeutsche Zeitung

Zorneding:Krisenfest

Der Zornedinger Bauausschuss tagt als eines der ersten Gremien nach der Verschärfung der Ausgangsregeln

Von Andreas Junkmann, Zorneding

Der Vorplatz am Zornedinger Rathaus ist gespenstisch leer, außer vereinzeltem Vogelgezwitscher ist kein Laut zu hören. Auch im Inneren des Gebäudes scheint das Leben auf den ersten Blick still zu stehen. Zumindest weist ein Zettel an der versperrten Eingangstür darauf hin, dass die Behörde aufgrund der fortschreitenden Brisanz der Corona-Pandemie vorerst für den Publikumsverkehr geschlossen ist. Im Hintergrund allerdings läuft das lokalpolitische Geschehen weiter. Denn an diesem Donnerstagabend kommt der Zornedinger Bauausschuss zu einer Sitzung zusammen - und ist damit eines der ersten Gremien im Landkreis Ebersberg, das nach den verschärften Ausgangsregelungen seine Arbeit fortsetzt.

Dass dennoch an diesem Tag vieles anders ist, zeigt sich bereits am Eingang zum Sitzungssaal. Nicht nur, dass die Gemeinderatsmitglieder in den größeren der beiden Tagungsräume ausweichen, es steht auf einem kleinen Tisch neben der Tür auch ein Fläschchen mit Desinfektionsmittel. Dessen Verwendung wird von der Rathausverwaltung wärmstens empfohlen. Erst kürzlich komplett desinfiziert worden sind auch alle Stühle, wie die Putzfrau der Gemeinde vor Beginn der Sitzung erklärt. Bis die neun Ausschussmitglieder aber darauf Platz nehmen können, ist noch eine kleine Hürde zu meistern: Nach sechs Jahren im Gemeinderat sollten eigentlich alle wissen, wo ihr Sitz ist, dennoch gestaltet sich die Platzwahl an diesem Abend schwierig. "Immer einen dazwischen frei lassen", sagt Bürgermeister Piet Mayr (CSU). Dann wird durchgezählt. Schließlich sind alle Teilnehmer über den kompletten Raum verteilt und der Rathauschef ist zufrieden: "Damit sollten wir jetzt virenfrei tagen können."

Komplett ohne Corona kommt man aber auch in den zwei zu behandelnden Tagesordnungspunkten - beides Baugenehmigungen - nicht aus. Zumindest hat das Virus den positiven Nebeneffekt, dass Gemeinderat Helmut Obermaier (Grüne) sich jüngst selbst ein Bild der Lage von einem der Vorhaben machen konnte: "Ich bin da gestern mal rüberspaziert. Das bietet sich ja zur Zeit an." Mit "da rüber" meint er den Ortsteil Wolfesing - und was er dort gesehen hat, gefiel ihm nicht so wirklich.

In dem Antrag, der schon häufiger Thema im Gremium war, geht es um die Errichtung eines landwirtschaftlichen Betriebsleiter- und Austragswohnhauses auf einer vorhandenen Hofstelle. Da sich das Vorhaben, genauso wie die andere zu behandelnde Baugenehmigung, im Außenbereich befindet, berufen sich die jeweiligen Bauherren auf den Paragraf 35 des Baugesetzbuches. Dieser lässt dann Veränderungen an einem Anwesen zu, wenn sie einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen. In beiden Fällen haben die Gemeinderäte allerdings so ihre Zweifel. "Da sind nur Turnierpferde untergebracht. Eigentlich sollte das ein Gewerbe sein und kein landwirtschaftlicher Betrieb", sagt Obermaier zum ersten Vorhaben. Auch beim anderen Projekt befürchtet ein Großteil des Gremiums eher eine gewerbliche als eine landwirtschaftliche Nutzung der geplanten Maschinenhalle.

Für Franz Lenz (Freie Wähler) handelt es sich deshalb um "einen Missbrauch des privilegierten Bauens im Außenbereich". Dieser Meinung schließt sich auch sein Fraktionskollege Wilhelm Ficker an, der befürchtet, dass ein leichtfertiger Umgang mit privilegierten Vorhaben irgendwann auf die Bauern zurückfallen könnte, für die der Paragraf ja eigentlich geschaffen worden sei.

Das sieht man im Landratsamt offenbar anders, dort hat man bereits signalisiert, beide Vorhaben genehmigen zu wollen. Dem gegenüber steht nun die Entscheidung des Zornedinger Bauausschusses, der sich beide Male - jeweils gegen die Stimmen der CSU-Fraktion - gegen die Projekte ausspricht. Das führt nun zu einer kniffligen Gemengelage, denn laut Bürgermeister Mayr ist die am Donnerstag getroffene Entscheidung des Gremiums rechtswidrig. "Wenn das Landratsamt sagt, es ist in Ordnung, dann ist es eigentlich so, dass der Ober den Unter sticht." Nun aber hat der Unter zurückgestochen.

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SZ vom 28.03.2020
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