Zorneding:Fest der Befreiung

Zornedings neuer Pfarrer, Olivier Ndjimbi-Tshiende, hat für diese Messfeier einen kleinen kongolesischen Chor aus Augsburg engagiert

Von Rita Baedeker

Zorneding: Messe in Sankt Martin mit Trommelbegleitung und Gesang. Foto: Peter Hinz-Rosin

Messe in Sankt Martin mit Trommelbegleitung und Gesang. Foto: Peter Hinz-Rosin

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Rhythmische Trommelschläge zur Begrüßung, mehrstimmiger Chorgesang beim Einzug der Schäflein, die am Sonntag in Scharen zur ersten Messe nach kongolesischem Ritus in die Sankt Martinskirche kommen. Zornedings neuer Pfarrer, Olivier Ndjimbi-Tshiende, hat für diese Messfeier einen kleinen kongolesischen Chor aus Augsburg engagiert. Die Frauen und Männer tragen bunt gemusterte Hemden in Lila, Grün und Orange, ein leuchtender Kontrast zum spätbarocken Zierrat. Auch manche Zornedinger geben sich afrikanisch, allen voran Gemeinderätin Barbara Weiß (Grüne), die mit Kaftan und Kopfputz die Rolle der Kommentatorin spielt, die erklärt, was neu ist, und animiert, so wie es die Liturgie vorschreibt.

Die Kirche ist bis auf den letzten Platz brechend voll. Zwar wird auch im Kongo mittlerweile die Messe nach römischem Ritus gefeiert, aber - man spürt es vom ersten Moment an - die Stimmung ist eine andere. Während sich hierzulande die Kirchenbesucher während des Gottesdienstes lediglich dann bewegen, wenn es ans Aufstehen oder Hinknien geht, wird hier viel geklatscht - zweimal kurz hintereinander, dann Handflächen öffnen, wieder klatschen - und getanzt; zumindest wiegt man sich sanft im Rhythmus der Trommeln und der wunderschönen Lieder, die auch mal perkussiv von einer Rassel oder einem Freudenschrei begleitet werden. Getanzt wird beim Einzug in die Kirche, beim Gloria um den Altar und bei der Prozession zum Auszug.

Freude ist das Zauberwort. Lachen, tanzen, sich öffnen, etwas geben und annehmen - die Messe feiert das Leben. Arme-Sünder-Mienen verschwinden. "Dies ist ein Fest der Befreiung", erklärt die Kommentatorin.

Glaube und Zuversicht finden hier nicht nur ihren Ausdruck in Anrufung, Credo und Gebet, sondern eben auch in Bewegung und rituellem Tanz. Dies ist der eine große Unterschied zur gewohnten Liturgie. Der zweite ist der direkte Dialog zwischen Priester und Gemeinde. Immer wieder fordert Weiß mit Handzeichen dazu auf, die frohe Botschaft zu wiederholen und damit das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. In der von Bürgerkrieg und Gewalt geschüttelten Demokratischen Republik Kongo, der Heimat des 64-jährigen Ndjimbi-Tshiende, gilt die Gemeinschaft mehr als der Einzelne. Ein afrikanisches Sprichwort lautet: "Ein Armreif allein klappert nicht." Dazu passt auch das Thema der Predigt, die Geschichte von Jesus, der Sünderin und dem Pharisäer Simon, eine Geschichte, die zeigt, dass es nicht reicht, korrekt zu handeln und Gutes zu tun, wenn dies ohne die Liebe geschieht.

Liebe und Nähe spielen auch in dieser Messe eine zentrale Rolle. "Seid uns nahe, seid uns alle nahe!", heißt es in den Fürbitten. Draußen singt jubilierend ein Vogel, wieder tanzen Pfarrer und Ministranten, die in ihren weißen Gewändern bei fast afrikanischen Temperaturen ins Schwitzen geraten, um den Altar, und die Besucher reichen einander die Hände zum Friedensgruß, klatschen und feiern die Eucharistie. Ihren - nicht nur - liturgischen Horizont haben sie an diesem Sonntag um einen ganzen Kontinent erweitert.

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