Zorneding:Ein wenig zu perfekt

Martinsstadl goes Broadway

Die beiden Geiger Daniel Giglberger und Irina Simon-Renes, Klarinettist Michel Lethiec sowie Alfredo Zamarra (Viola), Zoran Marković (Kontrabass) und Jakob Spahn (Violoncello) begeistern das Publikum im Martinstadl.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sechs hervorragende Musiker präsentieren beim Kammermusikzyklus im Zornedinger Martinstadl Melodien vom Broadway

Von Peter Kees, Zorneding

Das musikalische Amerika verbindet man gerne mit Namen wie Leonard Bernstein und Georg Gershwin. Ersterer ist vor allem als Weltklassedirigent bekannt, zweiterer als Komponist zwischen Jazz und Klassik. Eine besondere Rolle spielen auch die Theater am Broadway in New York. In diesem Schmelztiegel der musikalisch-theatralen Unterhaltungsindustrie Amerikas wurden viele Erfolgsgeschichten geschrieben. Außerdem entstand dort - neben London - die Gattung des Musicals, das amerikanische Genre schlechthin. Sowohl Gershwins "Porgy and Bess" als auch Bernsteins "West Side Story" kamen - nach einer üblichen Vorpremiere andernorts - am Broadway heraus. Während Gershwin sein Werk als Oper begriff, so gilt Bernsteins "West Side Story" als klassisches Musical.

Am Sonntag nun machte der Broadway einen Ausflug nach Zorneding: Im Martinstadl traten beim Kammermusikzyklus des Kulturvereins Zorneding-Baldham sechs Musiker auf, die Broadway-Melodien zum Besten gaben, allen voran der Klarinettist Michel Lethiec. Und freilich, man spielte aus der "West Side Story" und "Porgy and Bess". Zu Beginn stand allerdings ein Duo für Klarinette und Kontrabass auf dem Programm, eine Komposition des US-Amerikaners Morton Gould. Auch er hatte sich am Broadway einen Namen gemacht.

Die siebensätzige Suite "Benny's Gig" schrieb Gould 1962 für keinen Geringeren als den Klarinettisten Benny Goodmann (nur den letzten Satz erst später). Kleine Miniaturen sind die einzelnen Sätzchen, bestimmt von Jazz, Swing, aber auch von klassischen Ansätzen. Auffallend ist die ungewöhnliche Besetzung: weder ein Schlagzeug noch ein Tasteninstrument wird hinzugezogen, obwohl eine Jazz-Combo üblicherweise erst ab drei Musikern beginnt. Doch Michel Lethiec zauberte auf seinem Instrument mit wunderbar erzählerischem Ton. Da klang die Klarinette witzig, singend, mitunter schrill oder gar schreiend. Sein Duopartner Zoran Marković tat das Übrige und erwies sich als kongenialer Partner am Kontrabass. Und so war das Eis im Martinstadl schnell gebrochen.

Danach traten neben den beiden erwähnten Musikern noch weitere vier auf: Daniel Giglberger und Irina Simon-Renes (Violinen), Alfredo Zamarra (Viola) und Jakob Spahn (Violoncello). Gemeinsam spielte man Suiten aus den beiden Klassikern, der "West Side Story" und "Porgy and Bess". Diese Extrakte sind nicht unbekannt: Sowohl Bernstein als auch Gershwin haben Orchestersuiten ihrer Bühnenwerke herausgegeben, die immer wieder in den Konzertsälen zu hören sind. In Zorneding klang das jedoch anders, und das lag an der Besetzung: Kein großer Orchestersound war zu hören, sondern Kammermusik. Schnell fühlte man sich an ein Salonorchester erinnert, an ungarische Zigeunerkapellen (zumindest bei "Porgy and Bess") oder an jiddische Klezmer-Bands. Manchmal hatten diese Arrangements sogar avantgardistische Züge.

Um es ganz deutlich zu sagen: Die sechs Musiker haben hervorragend gespielt - zu hören waren wunderbare Klänge in den Streichern, ein auffallend satter Ton nicht nur in der Bratsche - vielleicht nur ein wenig zu perfekt. Denn so wunderbar alle musizierten, an manchen Stellen vermisste man etwas Schmelz, vor allem in der Klarinette. Gerade ein Satz wie "Maria" aus der "West Side Story" hätte gern mehr Sehnsucht, mehr Intimität, schlicht weichere Tongebung und eine etwas zurückgenommene Dynamik vertragen.

Doch diese kritischen Bemerkungen sind schlicht Anmerkungen zu auf höchstem Niveau spielenden Musikern - grundsätzlich war es ein großartiges Konzert. Wie wunderbar war doch beispielsweise jenes grandiose Klarinettensolo im vierten Satz der "Porgy and Bess"-Suite: Lethiec ließ sein Instrument hier in den aufregendsten Klangfarben erstrahlen. Nur wirklich Broadway war es am Ende nicht, was da in Zorneding zu hören war. Denn Broadwaymusik verlangt große Klangapparate und keine kammermusikalische Besetzung, schließlich lebt die Illusion vom großen Kino - das übrigens hatte schon Richard Wagner verstanden.

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