Zorneding:Die Schnittstelle der deutschen Abwehr

Fußballer-Friseur

Die Schnittstelle der deutschen Abwehr: Friseur Derek Sealy.

(Foto: Matthias Reinelt)

Derek Sealy arbeitet hauptberuflich bei einem Zornedinger Autoteile-Händler, in seiner Freizeit frisiert er mit Vorliebe prominente Kicker. DFB-Verteidiger Jérôme Boateng hat den 45-Jährigen sogar zur EM einfliegen lassen

Von Matthias Reinelt, Zorneding

Sie hängen sich haufenweise Poster an ihre Wände, kaufen Hunderte von Sammelbildern, um ihre Stars im Panini-Album betrachten zu können und jubeln ihnen vor dem Fernseher zu. Einmal Händeschütteln mit Bastian Schweinsteiger oder Fachsimpeln mit Jérôme Boateng - für viele Fans ein absoluter Wunschtraum. Die meisten werden ewig davon träumen, die Berühmtheiten einmal selbst zu treffen. Derek Sealy kennt sie ganz persönlich - und hat einigen von ihnen erst kürzlich eine neue Frisur verpasst.

Der 45-Jährige, der hauptberuflich beim Autoteile-Händler Motomobil im oberbayerischen Zorneding arbeitet, ist der Mann, der die deutschen Nationalspieler auch auf dem Kopf gut aussehen lässt. Vor zwei Wochen, so erzählt Sealy, der in Trinidad und Tobago geboren und aufgewachsen ist, war er zu Besuch beim deutschen Team in Frankreich, um Jérôme Boateng noch vor dem ersten Gruppenspiel den optischen Feinschliff zu verpassen.

Über Boateng sei alles überhaupt erst zustande gekommen. "Über Freunde von Freunden" habe man sich bereits vor einigen Jahren kennen gelernt, erzählt Sealy. Vor dem Turnier habe der Nationalspieler keine Zeit mehr finden können, sich die Haare schneiden zu lassen. "Er hat sich dann einfach gemeldet und mich gefragt, ob ich nicht rüberkommen will", sagt der 45-Jährige. Auf Einladung von Boateng flog er ins französische Évian-les-Bains. "Eine unglaubliche Erfahrung, einfach gigantisch!", sagt Sealy, er freut sich immer noch.

Daheim in der Karibik bracht der eigene Friseur ihm das Haareschneiden bei

Seine Leidenschaft für das Haareschneiden hat er bereits im Alter von 14 Jahren entdeckt. Schließlich bat er seinen Friseur in seiner karibischen Heimat, ihm das Handwerk beizubringen. "Schließlich habe ich ihm dann immer die Haare geschnitten", sagt Sealy. Alles was er gelernt hat, habe er seinem früheren Friseur zu verdanken. Seit er 16 ist, sorgt er bei Freunden und Familie für ordentliche Frisuren.

Die zwei kleinen Inseln Trinidad und Tobago wurden ihm schnell zu klein, erzählt er. Seit jeher habe er den Traum gehabt, nach Europa zu gehen. Das erste Mal, als er sein Heimatland Richtung Europa verließ, war Frankfurt das Ziel. Einige Jahre lebte er danach in London, bevor dann der Umzug nach München erfolgte. Dort, so erzählt Sealy, lernte er Boateng kennen und schnitt ihm bald die Haare. David Alaba und Douglas Costa vom FC Bayern gehören ebenfalls zu seinen Kunden.

Bei seinem Besuch vor zwei Wochen erlebte er die Nationalspieler als "sehr, sehr coole Jungs". "Ziemlich relaxed" seien sie gewesen. Vom Druck, der auf den Schultern der Nationalspieler lastet, sei kaum etwas zu spüren gewesen. Neben Boateng sollen auch Thomas Müller, Mario Gomez, Leroy Sané und Bastian Schweinsteiger auf Sealys Friseurstuhl Platz genommen haben. Letzteren beschreibt er als einen "klasse Typen, sehr stilvoll".

Dazu passt auch seine aktuelle Frisur, wie Derek Sealy findet. Einen grauen Ansatz hat der Nationalspieler mit der Rückennummer Sieben schon seit Jahren. Seit einiger Zeit zeigt sich Schweinsteiger mit beinahe silbernen Haaren. Es wird gerätselt, ob sich der ehemalige Bayernprofi seine Haare sogar färbt. "Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich denke, da ist alles natürlich", sagt Sealy.

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Für den Frisuren-Style, mit dem Bastian Schweinsteiger und Jérôme Boateng ihren sportlichen Auftritt modisch ergänzen, ist Derek Sealy verantwortlich.

(Foto: dpa)

Dem Mann aus Trinidad und Tobago geht es nicht um Geld oder Ruhm, über viele Jahre ist die Haarschneiderei ein Hobby geworden, das ihm in erster Linie viel Spaß bereite. Dass er dadurch nun selber zu einer gewissen Berühmtheit gelangt ist, überrascht den 45-Jährigen selbst am meisten.

Voller Leidenschaft erzählt er von seinen Erlebnissen beim DFB-Team und wie gern er seinen Job macht. "Für mich ist es diese Zufriedenheit, die es ausmacht, wenn ich nach getaner Arbeit in die glücklichen Gesichter schaue." Sealy ist jemand, dem man gerne zuhört, seine Passion an seinem Hobby ist ihm anzumerken. "Für mich ist Haare schneiden auch eine Art Kunst."

Eine seiner Überzeugungen: Die Frisur muss zur Persönlichkeit, zum Charakter eines Menschen passen. Über Jérôme Boateng weiß er zu berichten: "Er legt Wert auf sein Äußeres, ist aber auch ein konservativer Typ." Deshalb würde der sich auch keine Muster ins Haar rasieren lassen, wie es zum Beispiel der französische Fußballer Paul Pogba immer wieder macht. Manchmal müsse er Kunden von einer ausgefallenen Frisur abraten. Denen sagt er: "Das kann ich dir machen. Aber morgen wachst du auf und bist vielleicht unglücklich darüber."

Dass er einen Prominenten wie Boateng als Freund hat, ist für Sealy mittlerweile ziemlich normal. Der ganze Hype um seine Person lässt ihn dann allerdings doch ein wenig nachdenklich werden. Durchaus im geschäftstüchtigen Sinn. "Vielleicht gebe ich meinen normalen Job auf und bin ab jetzt nur noch Friseur", scherzt Sealy und zeigt noch einmal sein ansteckendes Lächeln.

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