Süddeutsche Zeitung

Zorneding:"Christen zweiter Klasse"

Jutta Sirotek, Vorsitzende des katholischen Kreisbildungswerks, setzt sich für die Wiederheirat Geschiedener in der katholischen Kirche ein

interview Von Carolin Fries, Zorneding

Jutta Sirotek, 61, aus Zorneding und ihr Mann Gottfried, 62, sind seit 23 Jahren in zweiter Ehe verheiratet. Gottes Segen ist ihnen für diese Ehe auf offiziellem Weg bislang verwehrt geblieben, denn in der katholischen Kirche ist die Wiederheirat ausgeschlossen. Die Mediatorin und der Orchestermusiker sind beide in der Kirche engagiert, Jutta Sirotek ist erste Vorsitzende des katholischen Kreisbildungswerks im Landkreis. Sie setzt sich für eine Öffnung der Kirche ein und hat unlängst die Segnung von Ehejubilaren durch Kardinal Reinhard Marx in Freising besucht. Dieser nimmt in diesen Tagen an der Bischofssynode in Rom teil, wo noch bis 25. Oktober die Themen Ehe und Familie im Mittelpunkt stehen.

SZ: Was genau ist Ihr Anliegen?

Jutta Sirotek: Wir wollen uns nicht länger als Christen zweiter Klasse fühlen. Wenn schon Barmherzigkeit, Gnade und Nächstenliebe die Schlagwörter des Christentums sind, dann ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die Amtskirche gerade in diesem Punkt so unbarmherzig und gnadenlos ist. Mit welchem Recht werden wir ausgeschlossen?

Bekommen Sie diese Ausgrenzung denn zu spüren?

Als ich vor 23 Jahren wieder geheiratet habe, war das hier ein Hype, ich wurde geächtet und bin aus sämtlichen Organisationen rausgeflogen. Heute leben wir in Frieden in und mit der Pfarrgemeinde und den Hauptamtlichen. Bis letztes Jahr war ich im Pfarrgemeinderat engagiert, bin heute noch im Bildungsteam der Pfarrgemeinde. Wir finden Möglichkeiten, in Gottesdiensten zur Kommunion zu gehen.

Obwohl Sie eben das offiziell nicht dürften.

Aus unserer Erfahrung in verschiedenen Gemeinden sind Gläubige und Priester an der Basis oft weiter und toleranter als der übrige Klerus. Zum Glück tragen wir ja kein Zeichen auf der Stirn, "GW" für geschieden und wiederverheiratet. Allerdings gehen wir mit unserer Vita offen um und verstecken uns nicht.

Und dennoch wollen Sie lieber ein Recht anstatt eines tolerierten Unrechts.

Es geht gar nicht nur um uns, es geht ums Grundsätzliche. Viele kehren der Kirche deshalb den Rücken, dabei gibt der christliche Glaube doch die bestmögliche Antwort für Suchende. Hier finden sie einen nahen Gott, dürfen Du sagen und Vater.

Warum tut sich die Kirche so schwer damit, auch Wiederverheirateten ihren Segen zu spenden?

Es ist die Amtskirche, der Klerus als solcher, der sich ein Gebäude aufgebaut hat. Die Sakramente, die hinter diesen Mauern bewahrt werden, sind etwas besonders Wertvolles, und diese Wertschätzung respektiere und schätze ich auch.

Das von Eheleuten gestiftete sakramentale Eheband ist nach katholischer Lehre zu Lebzeiten unauflöslich.

Bis dass der Tod euch scheidet, genau. Doch welcher Tod gilt hier? Nur der biologische Tod oder auch der Tod der Beziehung? Was Gott zusammengeführt hat, soll der Mensch nicht trennen, heißt es. Und da stimme ich zu, dass die Liebe von Gott gegeben ist. Doch die Entscheidung, vor den Traualtar zu treten, die wird doch ganz rational von den einzelnen Personen getroffen. Keiner fragt nach Gottes Wille. Ich bin der vollen Überzeugung, wenn es überhaupt eine Gott gewollte Beziehung gibt, dann ist es die zu meinem jetzigen Mann.

Haben Sie ihre Wünsche gegenüber dem Erzbischof äußern können?

Nein, das hätte nicht in den Rahmen gepasst. Hätte es ein Forum gegeben zum Thema Ehe und Familie, wäre das anders gewesen. Jetzt ist er in Rom und ich finde es schade, dass jemand wie wir gar nicht gefragt wurden, wie es uns geht.

Was haben Sie empfunden, als Marx die Eheleute gesegnet hat?

Wir fühlten uns im ersten Moment völlig ausgeschlossen, im zweiten stehen wir da drüber. Wir fühlen uns gesegnet und haben sogar einen Priester gefunden, der uns kennt und gesegnet hat. Da haben wir dann gespürt, wie gut das tut. Deshalb wird es Zeit, die Segnung für wiederverheiratete Paare endlich einzuführen. Wer geschieden ist, sühnt genug.

Haben Sie Hoffnungen, was konkrete Ergebnisse der Synode in Rom angeht?

Ein anderer Umgang ist kirchenrechtlich möglich, so viel ist gewiss. Aber man darf sich nicht zu viel von Rom erwarten, die Weltkirche besteht ja nicht nur aus deutschen Christen. Jeder Kontinent hat andere drängende Themen. Und dennoch bleibt der Wunsch nach Segnung und Mahlgemeinschaft.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2015
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