Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge auf WG-Suche:Asylheim - und dann?

Keine andere Bevölkerungsschicht tut sich bei der Wohnungssuche so schwer wie Flüchtlinge. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Eine Spurensuche in der Region.

Von Korbinian Eisenberger, Zorneding

Simon Abtu sitzt in diesen Wochen viele Stunden am Schreibtisch. Der Eritreer hat seinen Laptop aufgeklappt, Immoscout, WG Gesucht, Facebook. Der Container ist eine gute Bleibe, sagt Abtu, deutlich besser als eine Massenunterkunft wie die Plieninger Traglufthalle. Doch der Container wird irgendwann abgebaut. Spätestens dann muss Simon Abtu woanders hinziehen, er und alle anderen, die hier in Zorneding in der Gemeinschaftsunterkunft am S-Bahnhof wohnen.

Abtu bereitet sich gerade auf sein Leben nach dem Asylheim vor. Der 20-Jährige zählt zu denen, die bleiben dürfen, sein Asylantrag wurde anerkannt. Wie viele andere in seiner Situation sucht er deshalb seit Monaten nach einer Bleibe. "Wir haben unsere Suche großflächig angelegt", sagt Ingrid Sendrowski vom Zornedinger Asylhelferkreis. In den vergangenen zehn Monaten sind jedoch nur die wenigsten fündig geworden. "Die meisten haben keine einzige Einladung zu Besichtigungen bekommen", sagt Sendrowski.

In der Zornedinger Containerunterkunft wohnen 25 Flüchtlinge, bis auf zwei haben alle - so wie Abtu - einen positiven Bescheid bekommen. Sie alle könnten in eine eigene Wohnung ziehen. Genau damit tun sich Flüchtlinge aber schwer, gerade im Landkreis Ebersberg. Von den insgesamt 1021 Flüchtlingen sind 355 sogenannte Fehlbeleger, also Menschen, die nach einem positiven Asylbescheid weiter in Asylunterkünften wohnen, weil sie keine Wohnung finden. In Ebersberg ist damit mehr als jeder dritte Flüchtling auf Wohnungssuche - damit hat der Landkreis die höchste Quote in der Region.

Besonders schwer haben es da Männer wie Zaid Kidani. Der 29-Jährige wohnt auch in der Zornedinger Unterkunft, auch er ist wie die meisten hier aus Eritrea, er möchte aber mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern zusammen ziehen. Das Komplizierte daran: Frau und Kinder sind in einer Unterkunft im Landkreis Eichstätt untergebracht. "Ein Riesenproblem", sagt Bettina Kehl, sie betreut Kidani bei Amtsgängen. Anders als Kidani selbst erhielt seine Frau beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lediglich eine Duldung, ist deshalb residenzpflichtig und darf nicht aus Eichstätt wegziehen.

Warum Helfer an der Sinnhaftigkeit bayerischer Bürokratie zweifeln

Der Fall seiner Familie steht für vieles, warum freiwillige Flüchtlingshelfer an der Sinnhaftigkeit der Bürokratie zweifeln. Dass Problem haben Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung überall in Bayern und gerade in der Region um München, wo die Wohnungsnot akut ist. In den acht Landkreisen im Speckgürtel der Landeshauptstadt sind derzeit etwa 15 400 Flüchtlinge untergebracht, unter ihnen sind knapp 4300 Fehlbeleger, die meisten davon in den Landkreisen München und Fürstenfeldbruck, dort sind es jeweils 900, wie die Landratsämter mitteilten.

Ebersberg hat mit 74 Prozent nach München die zweitgeringste Auslastung an Flüchtlingen in ganz Oberbayern, nur in München ist die Quote nach dem Königsteiner Schlüssel noch schlechter. Und obwohl Ebersberg von allen Landkreisen prozentual die wenigsten Flüchtlinge aufnimmt, ist die Fehlbelegerquote dort von allen Landkreisen in der Region am höchsten - sie liegt, wie auch in Fürstenfeldbruck bei 35 Prozent, im übrigen Münchner Speckgürtel sind es zwischen 18 und 28 Prozent.

Seit Januar fördert der Freistaat Bayern den Bau von bezahlbaren Wohnungen mit dem "Wohnungspakt Bayern". 2,6 Milliarden Euro stellt er dafür zur Verfügung - für Einheimische wie Flüchtlinge. Die Kommunen greifen aber nur zögerlich zu; zum Teil, weil es ihnen an Bauland fehlt, etwa in Ebersberg, dem Landkreis mit dem bayernweit stärksten Zuzug. Ulrich Krapf, Chef der Wohnungsgenossenschaft Ebersberg, beschäftigt diese Zwickmühle tagtäglich. "Asylbewerber konkurrieren mit vielen anderen Gruppen", sagt er. "So haben wir derzeit auf jede frei werdende Wohnung zwischen sechs und zehn Bewerber, ohne die Wohnung im Internet anzubieten."

Bekannt ist: Auch andere Bevölkerungsschichten haben es in der Region schwer, können sich das Wohnen im Landkreis Ebersberg oft kaum mehr leisten. Bei Flüchtlingen, so Krapf, komme ein weiteres Problem hinzu. "Viele sind noch nicht an Asylbewerber als Nachbarn gewöhnt", sagt er. Auch bei Italienern, Griechen oder Türken habe es viele Jahre gedauert, ehe sie als Nachbarn angesehen wurden. Es komme auch vor, dass Vermieter Bedenken hätten, ob Flüchtlinge die Miete zuverlässig bezahlen können. Dabei, so Krapf, ist die Mietzahlung durch das Jobcenter genauso gesichert wie bei Hartz-IV-Empfängern, zumindest, wenn Asylbewerber ihre Anträge form- und fristgerecht stellen.

Damit es da keine Probleme gibt, helfen Menschen wie Ingrid Sendrowski. Es hat drei Monate gedauert, bis Abtu zum ersten Mal einen Termin für eine Besichtigung bekommen hat, er hat das Zimmer nicht bekommen, aber immerhin. Zaid Kidani war schon einen Schritt weiter, er war einer der wenigen, die eine Wohnung gefunden haben, sagt Bettina Kehl. "Die Wohnung hätte genau für eine Familie gepasst", sagt sie. Für ihn alleine hätte das Jobcenter die Wohnung aber nicht bezahlt. Von der Behörde heißt es, dass eine Wohnung den Bedarf einer Person nicht übermäßig übersteigen soll. Zaid Kidani und seine Familie haben jetzt einen Antrag auf ein gemeinsames Aktenzeichen gestellt. Sollte das klappen, beginnt die Wohnungssuche für sie von vorn.

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SZ vom 15.02.2017/koei
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