Zimmervermietung:Wiesnwucher und Gastgeberglück

Zum Oktoberfest richten immer mehr Privatleute ihre Gästezimmer her, um Menschen über Plattformen wie Airbnb zu beherbergen. Manchen liegt dabei sehr am Wohl der Besucher, anderen eher am eigenen Wohlstand

Von Jessica Schober, Ebersberg

Eine leer geräumte Bude in Baldham, vier eilig auf den Boden geworfene Matratzen, kein Bett, kaum Möbel - klar, dafür kann man schon mal 200 Euro pro Nacht verlangen und behaupten, die Unterkunft sei auch noch "close to Oktoberfest". Zumindest wenn es um jene Zeit im Jahr geht, in der im Großraum München die Dollarzeichen in den Augen mancher Menschen aufblinken, die eine irgendwie geartete Schlafstätte zu vergeben haben. Man möchte fast froh sein, dass der Anbieter des Inserats, ein junger Mann aus München, überhaupt ein festes Dach über dem Kopf offeriert - andere verhökern ihren Wohnwagen für 240 Euro pro Nacht. Denn in dieser Zeit im Jahr sind sowohl Entfernungen zur Innenstadt als auch Anstandsgefühle bei der Preisgestaltung vor allem eines: frei verhandelbar.

Zimmervermietung: Gastgeberin Luba Huber (rechts) flicht ihrer Schwägerin Sabrina Scheiner die Haare und bietet den Service auch für ihre ersten Airbnb-Gäste an. Wenn die bald in Oberpframmern ankommen, wird die gesamte Familie Huber im größeren Kinderzimmer zusammenrücken und zu fünft in einem Raum übernachten.

Gastgeberin Luba Huber (rechts) flicht ihrer Schwägerin Sabrina Scheiner die Haare und bietet den Service auch für ihre ersten Airbnb-Gäste an. Wenn die bald in Oberpframmern ankommen, wird die gesamte Familie Huber im größeren Kinderzimmer zusammenrücken und zu fünft in einem Raum übernachten.

(Foto: Christian Endt)

Und so wundert es nicht, dass sich nicht nur die Hotelpreise laut Hotel-Buchungsportal HRS mal eben verdoppeln, sondern auch immer mehr Gäste in Vermietzimmern von Plattformen wie Airbnb absteigen. Laut Airbnb haben 2017 mehr als 35 000 Wiesn-Besucher ein Zimmer über die Internetseite gebucht. Zwei Tage vor dem Anstich waren nur noch sieben Prozent Kontingent frei, und WG-Zimmer wurden für 300 Euro die Nacht vermietet. Dieses Jahr geht es nicht weniger wild zu. Da München, anders als New York oder Schanghai, in seinen Ausmaßen ja noch überschaubar ist, gehen teilweise sogar Gästezimmer bis nach Oberpframmern gut weg. Das liegt zwar 35 Kilometer außerhalb, aber eine "Couch in der Neubauwohnung" wird dort für 76 Euro pro Nacht angeboten - an "Ladies only!" Vermutlich weil die beiden Gastgeberinnen schon ahnen, dass sonst in ihrer Frauen-WG eher alkoholisierte Festzeltheimkehrer zu erwarten wären, denen sie dann das Wohnzimmersofa überlassen müssten.

Zimmervermietung: Winfried Behrendt vermietet im Glonntal gleich vier Zimmer in seinem Haus, zur Wiesn verlangt er 50 Prozent Aufschlag. Aktuell sind noch einzelne Plätze frei.

Winfried Behrendt vermietet im Glonntal gleich vier Zimmer in seinem Haus, zur Wiesn verlangt er 50 Prozent Aufschlag. Aktuell sind noch einzelne Plätze frei.

(Foto: Christian Endt)

Selbst etablierte Anbieter von Ferienwohnungen, die ansonsten die traditionellen Mietwege über Anbieter wie den Tourismus-Verein Grafing wählen, bieten in den zwei Wochen vom 22. September an plötzlich eine "Cozy Flat with garden close to Octoberfest" in Grafing an - allerdings zum gleichen Preis wie die Oberpframmerner Frauen-WG ihre Couch. Und so gibt es wie immer beides: Licht- und Schattenseiten des Bettenbooms. Denn manch ein Gastgeber freut sich einfach auf internationalen Besuch, bietet Spezialangebote zur Wiesn an oder behält Unterkünfte für Monteure vor - ohne sie abzuzocken. Drei Beispiele von Wiesn-Gastgebern im Landkreis:

Die Zopfflechterin

Wenn Luba Huber am ersten Wiesnwochenende zum ersten Mal Gäste in ihrem Haus in Oberpframmern empfängt, dann muss ihre achtjährige Tochter ins elterliche Schlafgemach ausweichen. Denn das Kinderzimmer wird erstmals zum Airbnb-Domizil. Die junge Familie hatte von Bekannten mitbekommen, wie gut sich deren Gästezimmer im Vorjahr vermieten ließ ("Die haben immer full house!") und wollte dieses Mal auch jemanden aufnehmen. Allerdings nicht irgendwen. Sechsköpfige Männergruppen lehnte Luba Huber als Gäste stets ab, nun wird eine Familie aus Ostdeutschland zu Besuch kommen. "Wir schreiben uns schon rege hin und her und verstehen uns so gut, dass die Leute gleich noch eine Nacht länger bleiben", erzählt Luba Huber freudig. Ihr gehe es dabei nicht ums Geld. Außerdem hatte sie sich bereits im Voraus wenig Hoffnung gemacht, das Kinderzimmer überhaupt vermieten zu können, weil sie nicht auf Englisch inseriert hatte und auch noch nicht über positive Bewertungen auf ihrem Nutzerprofil verfügte. Das Planschbecken der Tochter gab die 31-Jährige dennoch als "Pool" mit an, ein Merkmal, das Airbnb besonders hervorhebt. Für vier Personen kostet die Übernachtung insgesamt 116 Euro, günstig im Vergleich. Als Schmankerl fügte Huber dann noch ein besonderes Angebot hinzu: "Ich flechte auf Wunsch auch Oktoberfest-Zöpfe!", schrieb sie in die Anzeige.

Der Super-Host

Aufgeregt ist Winfried Behrendt schon lange nicht mehr, wenn Gäste in sein großzügiges Haus im Glonntal kommen. Der 60-Jährige hat auf der Plattform längst den Status "Super-Host", was bedeutet, das er bereits viele positive Bewertungen von Besuchern erhalten hat. Im vergangenen Jahr fing er damit an, vier Zimmer in seinem Haus zu vermieten, inzwischen seien bestimmt 30 bis 40 Menschen aus aller Welt da gewesen, aus den USA, Kanada, China und Italien zum Beispiel. Er vermietet ganzjährig. "Zum Oktoberfest habe ich die Preise um 50 Prozent angehoben", sagt Behrendt. "Aber letztes Jahr hatte ich zur Wiesn Monteure im Haus, die alle den Normalpreis bezahlt haben." Ein deutsches Pärchen habe sich heuer zur Festzeltzeit bei ihm einquartiert und dies schon im Januar gebucht. "Die waren pfiffig und schneller, als ich die Preise hochsetzen konnte. Jetzt haben sie ein Doppelzimmer für 65 Euro pro Nacht und damit ein Schnäppchen gemacht, aber das ist schon okay."

Zimmervermietung: Die Grafinger Ferienwohnung von Brigitte Binder ist seit Januar ausgebucht, dabei sei sie "gar nicht so scharf auf Wiesnbesucher", sagt Binder.

Die Grafinger Ferienwohnung von Brigitte Binder ist seit Januar ausgebucht, dabei sei sie "gar nicht so scharf auf Wiesnbesucher", sagt Binder.

(Foto: Christian Endt)

Der Geschäftsführer einer Softwarefirma hat so viele Räume frei, seitdem die Kinder ausgezogen sind. Ehemalige Gäste loben die geschmackvolle Einrichtung. "Manche hinterlassen sogar Schokolade als Präsent zum Abschied", erzählt Behrendt, wenngleich doch auch mal kritische Töne etwa wegen ungewollter Doppelbelegung in den Rückmeldungen auftauchten. Manche Gäste bekomme er nicht zu Gesicht, weil sie sich nachts den Schlüssel aus dem dafür vorgesehenen Safe holten und morgens früh abreisten. Als neulich eine chinesische Touristengruppe da war, kamen sie mit dem Taxi von der S-Bahn-Station in Zorneding angefahren. "Es hält viele davon ab, hier raus zukommen, weil wir in Glonn keine direkte Nahverkehrsverbindung in die Münchner Innenstadt haben." Aktuell habe er sogar Schlafplätze zur Wiesnzeit frei.

Die Traditionelle

"Ich bin ehrlich gesagt nicht so scharf auf die Wiesnbesucher", sagt Brigitte Binder aus Grafing. Ihre Ferienwohnung ist dennoch schon seit Jahresanfang vermietet, und ja, auch betrunkene Festzeltgäste habe sie schon erlebt. Just habe eine Besucherin abgesagt, sodass sie fünf Tage wieder Platz hätte zur Wiesnzeit - doch da habe sie schon Leute auf der Warteliste. Seit zehn Jahren vermietet sie eine Ferienwohnung im ersten Stock und ein Apartment im zweiten Stock ihres Wohnhauses. Die 63-jährige Sprecherin des Tourismus-Vereins Grafing nutzt selbst das Portal auf dessen Internetseite. Dort ließen sich "freie Unterkünfte zum Wunschtermin in Echtzeit abfragen", was in Zeiten von Airbnb fast ein wenig anachronistisch klingt. Dennoch kämen darüber viele Buchungen zustande, berichtet Binder. "Der Tourismus-Verein prüft die Unterkünfte, vergibt Sterne und legt Wert auf Qualität und vernünftige Preise." Ihr sei es wichtiger, Stammgäste zu haben, als das große Geld zu machen. Im Normalfall koste ein Doppelzimmer 66 Euro pro Nacht, zur Wiesn wären es dann 80. "Vielleicht bin ich da auch einfach zu gutmütig, aber ich will den Leuten noch ins Gesicht schauen können, die bei mir übernachten", sagt Binder.

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