Zeitgenössische Fabeln:Mann mit Mission

Zeitgenössische Fabeln: Bernhard W. Rau hat viel zu sagen - und das auch schriftlich. In seinem ersten Buch geht es aber weniger um Ostereier als der Titel suggeriert.

Bernhard W. Rau hat viel zu sagen - und das auch schriftlich. In seinem ersten Buch geht es aber weniger um Ostereier als der Titel suggeriert.

(Foto: Christian Endt)

Bernhard W. Rau aus Kirchseeon bringt im "Unruhestand" seine Gedanken für eine besseres Miteinander in Buchform

Von Michaela Pelz, Kirchseeon

"Noch ein Viertelstündchen, dann muss ich auf den Platz", verkündet Bernhard W. Rau am anderen Ende der Telefonleitung. Der 70-Jährige ist zwar schon einige Zeit in Rente - aber von Ruhestand keine Spur. Die Passion des Wahl-Kirchseeoners gehört dem Golfspiel, ausgedehnten Spaziergängen - bis Anfang April war noch Hund Pino dabei - und seit einigen Jahren dem Schreiben.

Dabei durfte der besagte und vor ein paar Wochen gestorbene Familienhund im Jahr 2011 eine ganz besondere Rolle einnehmen: Unter einem Pseudonym trat der Vierbeiner auf der Internetseite seines Herrchens nahezu täglich in Aktion und kommentierte in Reimform das aktuelle Geschehen aus tierischer Sicht. Überwiegend widmete er sich dabei auf durchaus kritische Weise der Tagespolitik, aber auch allgemeine Betrachtungen zum (wünschenswerten) Umgang der Menschen untereinander durften nicht fehlen.

Genau diese Themen finden sich nun auch im 2018 erschienenen Buch "Wo kommen die Ostereier her?" Der Titel allerdings ist etwas irreführend; um bunt gefärbte Eier geht es nur am Rande, und das auch erst ganz zum Schluss. Stattdessen bringt Rau auf 256 Seiten die Überzeugung zum Ausdruck, die ihn bei dem, was er tut, am meisten antreibt: "Das Gute ist nie selbstverständlich, und man muss sich dafür einsetzen!" Während seiner Tätigkeit als Betriebsrat hat der studierte Maschinenbauer in dieser Hinsicht ganz konkrete Erfahrungen gesammelt, zu denen er sich engagiert und unverblümt äußert: "Bestimmte Errungenschaften muss man bewahren! Viele haben heute eine 39-Stunden-Woche, aber wie lange muss man wirklich arbeiten? Das sind doch bei manchen 60 Stunden!"

Genauso streitbar sind auch die Figuren in seinem Buch unterwegs, dem das Label "Fantasy-Roman" nur teilweise gerecht wird. Denn zwar spielt die Handlung in einer längst vergangenen Zeit und die Protagonisten sind überwiegend sprechende Tiere - "damit sind die Inhalte leichter les- und besser darstellbar", sagt er - doch fehlen die magischen Elemente, die man in diesem Genre erwarten würde. Eher handelt es sich bei dem Titel mit seiner streckenweise an klassische Märchen erinnernden Sprache um eine Parabel.

Die Helden der Handlung - allerlei kleinere Waldbewohner, aber auch Hirsche, Adler, Bären und Wildschweine - sind zu gleichen Teilen auf den "Paradieswald" und den "Bannwald" verteilt, wobei jede Gruppe sich für eine bestimmte Lebensform entschieden hat. Die einen ernähren sich von Pflanzen, die anderen folgen ihrer Natur als Fressfeinde. Allerdings herrschen dort, wo man theoretischein friedliches Miteinander pflegt, mitnichten ideale Zustände. Entsteht doch im Laufe der Zeit eine Kluft zwischen "oberen" und "unteren" Tieren - Korruption und politische Intrigen inklusive.

Im anderen Wald gibt es ebenfalls ein Machtgefälle, allerdings sind es da eher die jugendlichen Heißsporne, die einen der ihren so lange ausgrenzen, bis der "Schwachwolf" sich durch eine Mutprobe profiliert hat. Auch dieses Thema liegt dem fünffachen Vater Rau besonders am Herzen: "Es gibt in der heutigen Gesellschaft so viele Außenseiter. Ich wollte zeigen, dass auch schwache Leute stark werden können, wenn sie sich Hilfe holen." Im Buch erhält der junge Isegrim Unterstützung von seinem Vater, der an ihn glaubt, ihn trainiert, ihm Mut und Selbstbewusstsein vermittelt.

Wie kam es nun, dass sich der gebürtige Mühldorfer dem Schreiben zuwandte? "Ich war immer schon ein Freund von Goethe und Schiller", erklärt der "Nachwuchs"-Autor. Und eines ist ihm besonders wichtig: "Wenn man die Gedanken zu Papier gebracht hat, sind sie manifestiert und verschwinden nicht mehr." Während seiner Berufstätigkeit hatte Rau, der erst europaweit beim Bau von Supermärkten und später als Immobiliengutachter tätig war, nicht genügend Muße zum Schreiben, doch nach dem Eintritt in die Rente und dem Umzug von München nach Kirchseeon, konnte er endlich verwirklichen, was schon seit 2007 als Idee in seinem Kopf herumschwirrte. Gewidmet ist das Buch seinen beiden Töchtern und den drei Söhnen, die sehr überrascht waren und "sich freuten, etwas von ihrem Vater zu haben, was immer bleibt." Ein Ende seines literarischen Schaffens ist auch noch nicht in Sicht: "Zu Hause habe ich ein Schulheft mit Notizen für die nächste Geschichte. Es soll um das Liebespaar aus meinem aktuellen Buch gehen. Doch damit lasse ich mir Zeit!" Die braucht Bernhard Rau jetzt erst mal für anderes - zum Golfspielen zum Beispiel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: