Süddeutsche Zeitung

Wohnungsmarkt in Grafing:Attraktive Bruchbude

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In Grafing-Bahnhof steht ein altes Bahngebäude zum Verkauf. Der Stadtrat erteilt einstimmig das Mandat für den Start der Preisverhandlungen. Wie man dann weiter mit dem Haus verfahren würde, ist indes unklar. Denn dessen Zustand ist nicht der beste

Von Thorsten Rienth, Grafing

In Grafing-Bahnhof öffnet sich der Stadt eine womöglich attraktive Option zum Kauf eines mehrstöckigen Wohngebäudes aus dem Bundeseisenbahnvermögen. Die Deutsche Bahn möchte das Haus und Grundstück mit der Adresse Hauptstraße 25 gerne verkaufen - Rathaus und Stadtrat können sich eine umfassende Investition in den sozialen Wohnungsbau vorstellen. Doch die Sache hat ein paar Haken.

Die Warteliste für günstige städtische Wohnungen ist lang in Grafing. 40 Personen zählt sie Bürgermeister Christian Bauer (CSU) zufolge, Stand Ende Oktober. Erwirbt die Stadt das Bahn-Gebäude in Grafing-Bahnhof, dürfte das zumindest zeitversetzt einen spürbaren Effekt auf diese Liste haben: Insgesamt geht es um 438 Quadratmeter Wohnfläche. Sie verteilen sich auf sieben Wohnungen zwischen 47 und 76 Quadratmetern. Vier sind aktuell vermietet, drei stehen leer.

Im Januar hatte sich die Bahn an die Stadt gewandt. Sie sei dabei, Bestandsimmobilien vergünstigt an Kommunen abzugeben - wenn die Gebäude, drei Stockwerke plus Dachgeschoss, für den sozialen Wohnungsbau verwendet würden. Dies müsse innerhalb von drei Jahren ab dem Erwerb geschehen. Zudem legt die Bahn eine Bindungsfrist von mindestens zehn Jahren fest.

"Wir könnten dort aber dann ohne Absprache mit der Bahn selbst tätig werden", erklärte Bauer. Auf dem Grundstück von gut 1500 Quadratmetern sei auch ausreichend Platz zum Beispiel für Fahrradabstellmöglichkeiten und Elektroautoladestationen. In Bauers Augen ein weiterer Pluspunkt: Die Hauptstraße 25 liegt schräg gegenüber der Hausnummern 18 und 20. Diese beiden Wohngebäude gehören ebenfalls der Stadt - und stehen wegen ihres schlechten Zustands zur Sanierung an. Gehöre der Stadt nun auch die Hausnummer 25, ließen sich womöglich alle Gebäude abschnittsweise sanieren und die Bewohner müssten nur ein paar Meter umziehen. Der Kontext gehört mit zu den Gründen, warum die Sanierung der Hausnummern 18 und 20 in den vergangenen Jahren nie zustande gekommen war. "Das alles ist also äußerst interessant", befand Bürgermeister Bauer.

Das sieht der Rathauschef auch mit Perspektive auf den Kaufpreis. Den müssten Stadt und Bahn zwar noch verhandeln. Den Kaufpreisabschlag hat die Bahn allerdings bereits auf 25 000 Euro pro Wohneinheit festgelegt, also zusammen immerhin 175 000 Euro. Inwieweit das allerdings für die Gesamtkalkulation relevant ist, steht auf einem anderen Blatt. Stadtrat Josef Fritz (CSU), von Beruf Zimmerermeister, war sich in der Sitzung sicher: "Das Haus müssten wir wegreißen und das Grundstück komplett neu bebauen. Alles andere macht keinen Sinn."

Dafür würde auch die Einschätzung aus dem Bauamt sprechen. "Das Gebäude befindet sich nach seinem äußeren Erscheinungsbild baulich in einem schlechten Zustand", stand in der Beschlussvorlage zur Sitzung. "Unterlagen über das Gebäude, insbesondere über die Errichtung oder Änderungen im Laufe der Jahre, sind nicht vorhanden." In manchen Wohnungen würden die Ölöfen noch mit der Kanne nachgefüllt. Ein weiteres Manko: "Die erhebliche Lärmbelastung wegen der Bahn und der Straße."

Unterm Strich sah der Stadtrat aber mehr Chancen als Risiken. Das Gremium votierte einstimmig für die sogenannte Zweckerklärung in Richtung Bahn, die formale Voraussetzung für die nun anstehenden Preisverhandlungen. Andernfalls wären Haus und Grundstück Anfang Dezember auf den freien Markt gekommen.

Ein Beschluss über den Kaufvertrag hat der Stadtrat dann separat zu fällen. Der könnte am Ende durchaus am nötigen Geld scheitern. Erst vor ein paar Wochen hatte die Kämmerei ein Update in Sachen coronabedingte Einnahmeausfälle gegeben. Demnach summieren sie sich allein in diesem Jahr auf knapp zwei Millionen Euro. Und mit dem alten Schulgebäude in der Rotter Straße 8 wartet bekanntlich ein weiteres Gebäude auf seine Sanierung - mittlerweile seit dem Dezember 2008.

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SZ vom 19.11.2020
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