Wohnen in Grafing:Mischnutzung abgeschmettert

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Grafing untersagt Wohnbebauung am Haidlinger Gewerbegebiet

Von Thorsten Rienth, Grafing

Soll es dem Gewerbe an die Wäsche gehen, versteht das Grafinger Rathaus keinen Spaß. "Wir können Ihnen nur dringend raten, das hier komplett abzulehnen", rief Bauamtsleiter Josef Niedermaier durch die Stadthalle. Das hier, das war der Versuch des Eigentümers von Flächen nördlich der "Bachhäusl"-Siedlung und westlich der Aiblinger Straße dort Wohnbauland auszuweisen.

Das jedenfalls hatte sich der Londoner im Sommer so vorgestellt und Ende August einen förmlichen Antrag ins Grafinger Rathaus geschickt, für das Areal einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Auf fast 1700 Quadratmeter bringt es das Gelände. Darauf ließe sich tatsächlich einiges an neuem Wohnraum entwickeln. Und wer, wenn nicht alle Stadtratsfraktionen rufen stets laut nach Schritten in eben diese Richtung? Nur: Auf keinen Fall an der gewünschten Stelle. "Wohnen dort draußen widerspricht praktisch allen städtebaulichen Zielen, die wir haben", erklärte der Bauamtsleiter in der jüngsten Sitzung des für solche Sachen zuständigen Bauausschusses.

"Wir wollen das Gewerbe schützen", stellte dann auch Bürgermeister Christian Bauer (CSU) klar. Der erste Teil seiner Rechnung geht so: Würde neben dem bestehenden Haidlinger Gewerbegebiet Wohnraum ausgewiesen, bliebe dies nicht ohne Auswirkungen auf die erlaubten Lärmkontingente des Gewerbegebiets. Womöglich müsste das Gewerbe seien Betrieb einschränken, damit es in den Wohnhäusern nebenan nicht zu laut wird.

Den zweiten Rechnungsteil erläuterte wiederum Niedermaier. "Es geht dort wirklich darum, einen Schatz zu hüten." Das Haidlinger Gewerbegebiet sei eines der wenigen Grafinger Gewerbegebiete, die sich noch erweitern ließen. Just auch hinüber auf das Areal, das der Londoner gerne mit Wohnungen bebaut hätte. "Wenn bei dem Eigentümer Erweiterungsbereitschaft besteht - dann gerne!"

Die spitze Rechnung pro Gewerbeflächen kommt in Grafing auch mit einer fiskalpolitischen Komponente daher. Im Vergleich zu anderen Städten in seiner Größenordnung nimmt Grafing eher wenig Gewerbesteuer ein. Die Liste der Grafinger Vorhaben - Marktplatzumgestaltung, Rotter Straße 8, Kinderbetreuung - dagegen ist so lang, dass kräftig steigende Gewerbesteuereinnahmen längst zur Grundvoraussetzung ihrer Abarbeitung avancierten.

Dass Rathaus und Stadtrat in der Gegend ziemlich sensibilisiert sind, liegt an einer bewegten Geschichte. Zur Erinnerung: Erst hatte sich die Stadt mit der Nachfolgenutzung der illegal errichteten und zur Beseitigung angestandenen Wochenendhaussiedlung südlich vom "Bachhäusl" herumschlagen müssen. Im Jahr 2017 löste dann ein Grundstücksverkauf am östlich der Aiblinger Straße liegenden Grafenweg die Aufstellung weiterer Bebauungspläne aus. Auch dabei ging es darum, gewünschte Wohnbebauung möglichst nicht zu nah an die Gewerbeflächen heranzulassen. Im Herbst vor zwei Jahren schlug der Stadtrat dann den wohl größten Pflock in den Boden: Er schloss die Ausweisung von Wohnbauflächen in der Gegend kategorisch aus.

Insofern war es nur folgerichtig, dass der Bauausschuss nun auch das Ansinnen des Londoners ablehnte. Natürlich einstimmig.

© SZ vom 29.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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