Süddeutsche Zeitung

Wirtshaus "Zur Gass":Die Tradition bekommt eine neue Familie

Lesezeit: 4 min

Seit mehr als 100 Jahren ist das Wirtshaus "Zur Gass" am Egglburger See in den Händen der Familie Andres. Nun wird es an ein junges Paar verpachtet, das vieles beibehalten will - aber auch Neuerungen plant

Von Sandra Langmann, Ebersberg

Ein Wirtshaus wie aus dem Bilderbuch: Nicht weit vom Egglburger See entfernt steht inmitten der idyllischen Landschaft ein uriges Gebäude. Das alte Kupferschild seitlich des Eingangs mit der Aufschrift "Wirtshaus Zur Gass" zeugt von einer langen Tradition. Rote Blumen schmücken die dunklen Holzfenster und den kleinen Balkon über dem Eingang. Nach einem Spaziergang an einem kalten Herbsttag rund um den mit Nebel behangenen See freut man sich darauf, in der warme Gaststube Platz zu nehmen und ein deftiges Gericht zu bestellen.

Obwohl das Wirtshaus "Zur Gass" nun in andere Hände übergeben wird, müssen die Gäste nicht darauf verzichten. "Es bleibt traditionell bayerisch," verspricht der neue Pächter Manuel Hütz, der die Gaststätte gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Bettina Hofstetter vom 3. Januar 2017 an übernehmen wird. Nach 26 Jahren sei es nun an der Zeit, dass frischer Wind einkehre, ist Ilona Andres, die gemeinsam mit ihrem Mann das Wirtshaus "Zur Gass" betrieb, überzeugt. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht sie der Übergabe entgegen. Doch man sei ja nicht aus der Welt. "Ich werde mich dann zum Stammtisch dazu hocken", scherzt Sebastian "Wast" Andres.

Schon seit mehr als einem Jahrhundert ist das Wirtshaus im Besitz der Familie Andres. Als 1896 die kleine Gaststätte "Zum Wirth am See" im Besitz von Anton Gaßner bis auf die Grundmauern niederbrannte, kaufte nach dessen Wiederaufbau 1906 Anton Andres das Anwesen. Abgeleitet von dessen Vorbesitzer wurde die Wirtschaft "Zur Gass" benannt. Seitdem wurde es von einer Generation zur nächsten weitergeführt. Seit dem Umbau 1989 leiten es Ilona und Sebastian Andres.

Doch nach beinahe drei Jahrzehnten braucht das Ehepaar Andres Zeit für sich, für die Familie und für die Enkelkinder. Daher haben sie über die Brauerei Gut Forsting Pächter gesucht und sind rasch fündig geworden. Im Ort hatte sich das Gerücht schnell herumgesprochen - da wurde Manuel Hütz hellhörig. "Die Wirtshaus-Stammtisch-Buschtrommeln haben funktioniert", schmunzelt Hütz, der also durch Mundpropaganda auf das Wirtshaus "Zur Gass" aufmerksam geworden war. Schon zuvor sei er mit seiner Partnerin des öfteren am Gasthof vorbeispaziert und dabei ins Schwärmen geraten. "Und dann waren wir schnell", bestätigt Hütz' Lebensgefährtin Bettina Hofstetter, die zuletzt als Ergotherapeutin gearbeitet hat, nun aber gemeinsam mit ihrem Mann die Wirtschaft übernimmt. Schon seit ihrem 16. Lebensjahr habe sie gekellnert, unter anderem auch für Manuel Hütz, der mittlerweile seinen dritten Pachtvertrag unterschrieben hat. Nachdem er elf Jahre lang das Bistro "Number One" in Steinhöring gepachtet hatte, übernahm er die Sportgasstätte "Abseits", ebenfalls in Steinhörig, für die er nun einen Nachfolger sucht. Demnach scheint Hütz genau der richtige Pächter zu sein, der den Aufgaben gewachsen ist. Über die Aufgabenteilung ist man sich bereits einig geworden: Bettina Hofstetter übernimmt den Servicebereich und Manuel Hütz schwingt den Kochlöffel in der traditionellen Küche, zu der sich der neue Pächter ebenfalls schon seine Gedanken gemacht hat.

Hütz setzt auf eine traditionelle und puristische Küche. Alte Rezepte sollen mit einer gewissen Leichtigkeit zubereitet werden und reichen vom urig bayerischen bis in den alpinen Raum hinein. So bleiben neben "Schucksen" und "Magentratzerl" auch das Lammragout, wo er teilweise auch das Rezept vom Vorgänger übernimmt, auf der Speisekarte. Auf dieser sollen nun aber auch vegetarische und vegane Gäste auf ihre Kosten kommen und mit der Kinderkarte wird auf die kleinen Besucher Rücksicht genommen. Wie man es bereits von der "Gass" gewohnt ist, erhält man auch weiterhin Wild, das von den Jagdpächtern aus der Umgebung gebracht und in der Küche zerlegt wird. Dabei wird auch darauf geachtet, dass das ganze Tier verwertet wird, das unter anderem in Form von Ragout, Schäuferl und Pfandl auf den Teller kommt. Grundsätzlich steht bei Hütz die regionale Küche im Vordergrund. Als Koch möchte er genau wissen, welcher Bauer hinter welchem Produkt steht. Daher überlegt Hütz auch, ein eigenes Fischbecken mit Forellen anzulegen.

Für den kleinen Hunger ist ebenfalls gesorgt, da auch auf die "Brotzeitn" nicht verzichtet wird. Da man dabei einen wunderbaren Ausblick von der Terrasse aus genießen kann, sind vor allem diese Plätze im Außenbereich sehr begehrt und können im Sommer schon einmal knapp werden. Daher spekuliert Hütz mit dem Gedanken, die Terrasse zu erweitern. Das sollten vorerst aber die einzigen Umbaumaßnahmen bleiben.

Auch bei Familie Andres war die Küche Männersache. "Wast wusste nicht, wie viel a Halbe Bier gekostet hat und i hab net gewusst, wie lang a Schweinsbraten braucht." Jeder habe seinen Bereich gehabt und sich nicht reingeredet, so Ilona Andres. Wie sich zeigt, hat sich das gut bewährt. So sei Familie Andres auch bereit, den "Jungen" Tipps zur Führung des Wirtshauses zu geben, sofern sie das wollen, versichert die ehemalige Wirtin der neuen Pächterin Bettina Hofstetter. Kinder und Beruf zu organisieren, sei nicht immer leicht, wie sie selbst aus Erfahrung weiß. Da der kleine Philipp, mit dreieinhalb Jahren der ältere der beiden Söhne von Hütz und Hofstetter, schon fleißig mithelfen möchte, sollte das aber kein Problem sein. Und wenn es doch zu stressig werden sollte, bietet sich immer noch Ilona Andres an, um auf Philipp und dessen kleineren Bruder Gabriel aufzupassen. So sitzen drei Generationen an einem Tisch beisammen - so vertraut, als würde man sich schon ewig kennen. Familie Andres ist froh, das Wirtshaus bei Manuel Hütz und Bettina Hofstetter in guten Händen zu wissen. Die Stammgäste seien auch erleichtert gewesen, dass die "Gass" traditionell weitergeführt werde. Sie seien auch sehr bemüht darum, die Stammgäste zu halten, versichert Hofstetter. "Das war immer eine sehr gesellige Runde, die ich sehr vermissen werde", sagt Ilona Andres. Für sie und ihren Mann wird es eine große Umstellung werden, nicht mehr jeden Tag in der Gaststube zu stehen. "Denn unser Leben hat sich hier abgespielt". Sie freut sich nun aber auf das Garteln und darauf, sich für andere wichtige Dinge, die oft zu kurz gekommen sind, Zeit nehmen.

Auf Manuel Hütz und Bettina Hofstetter kommt hingegen eine anstrengende Zeit zu. Bis sich alles einpendelt und man das richtige Personal gefunden hat, dauere es mindestens ein Jahr. Da werde man sich auf jeden Fall richtig reinhängen, so Hütz, um das Wirtshaus traditionell weiterführen zu können.

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Quelle:
SZ vom 04.11.2016
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